Short description
(German)
|
Die Projektidee zur Erdbebenertüchtigung von Mauerwerksbauten mit Holzelementen entstand im Rahmen der Erarbeitung der Dokumentation „Erdbebengerechte mehrgeschossige Holzbauten“ (Brunner et al., 2010) und dem davor erschienen Lignatec „Erdbebengerechtes Entwerfen und
Konstruieren von mehrgeschossigen Holzbauten“ (Jung et al., 2009). Dem Bauen mit Holz liegt eine schier unendliche Konstruktionsvielfalt aus Kombinationen von Verbindungsmitteln und Holzwerkstoffen zugrunde, das dem „Holzbaukundigen“ die Entwicklung einer optimal auf die
Anforderungen abgestimmten Konstruktion erlaubt. Werden die Vorteile von Holz und Holzwerkstoffen gegenüber anderen, tragend einsetzbaren Baustoffen genutzt, z.B. die tiefe Wärmeleitzahl sowie die Transportfähigkeit und somit die Vorfertigbarkeit, erschliesst sich beim Betrachten möglicher
Anwendungsgebiete mit hohem Volumen relativ naheliegend die Ertüchtigung von Mauerwerksbauten. Die Hauptidee bestand bei der Projektinitiierung in der Annahme, die Mauerwerkswände in den Fassaden mit aussenliegenden Holzelementen zu dämmen und zu bekleiden sowie dabei gleichzeitig die Mauerwerkswand zu verstärken. Einige Vergleichsrechnungen der Steifigkeiten in der Wandebene machten schnell deutlich, dass die erforderlichen Dicken an Holzwerkstoffplatten von einigen 100 mm (siehe Kapitel 8.1) zu unrealistischen Lösungen führen würden, sofern man von grossflächigen Anwendungen und unversehrtem Mauerwerk ausgeht.
Der grösste Teil der Gebäude in Schweizer Städten weist Wände aus Mauerwerk auf (siehe Kapitel 4). Wegen mangelnder Beachtung der Erdbebeneinwirkung wird beziehungsweise wurde häufig unbewehrtes Mauerwerk aus Backsteinen für Gebäude mit mehreren Stockwerken verwendet.
Gesamthaft gesehen sind Mauerwerksbauten für Erdbeben s ehr verletzbar. Auf dem Markt existieren Systeme, die das Bewehren (Armieren) von tragenden Backsteinwänden erlauben. Während solche Systeme im Neubau durchaus Anwendung finden, ist die nachträgliche Erdbebenertüchtigung von
bestehenden Mauerwerksbauten mit diesen Systemen oft nur sehr aufwendig realisierbar. Bei mangelhafter Erdbebensicherheit oder aus anderen Gründen ungenügendem Tragwiderstand werden Mauerwerksbauten häufig mit aufgeklebten Lamellen aus kohlefaserverstärktem Kunststoff ertüchtigt.
Weitere, häufig praktizierte Ertüchtigungsmassnahmen sind das nachträgliche Einbauen von schlanken, über die gesamte Gebäudehöhe durchlaufenden Stahlbetonwänden, das Einbauen von Stahlfachwerken oder das vertikale Vorspannen der Mauerwerkswände.
Nach Möglichkeit sollten Erdbebenertüchtigungsmassnahmen zusammen mit Umbauten und Instandsetzungen realisiert werden, um Synergien zu nutzen (siehe Kapitel 5). Die Kosten der Erdbebenertüchtigung können so erheblich gesenkt werden. Mit gleicher Überlegung sollte die Überprüfung auch die Erdbebensicherheit umfassen, wenn für ein Bauwerk bauliche Massnahmen wie Instandsetzungen oder Umbauten geplant sind, um die erforderlichen Massnahmen frühzeitig in die Planung einbeziehen zu können.
Die Analyse des Gebäudebestandes (Kapitel 4) von Mauerwerksbauten und deren Schwachstellen (Kapitel 7) legt die Potentiale der Anwendung von Holzelementen in der gesamten Breite dar. Eine Anwendung ergibt sich aus der Grundidee, Holzelementen innen- oder aussen an der Fassade
anzubringen und damit das Mauerwerk für Beanspruchungen quer zur Wandebene zu stabilisieren (Lagesicherung, Stabilität; siehe Kapitel 7.1.2). Andere Anwendungen wären das Ergänzen von unterbrochenen oder versetzten Wänden durch Holzelemente bei Fassaden und/oder Innenwänden
sowie das Ersetzen von nicht tragenden Wänden in Mauerwerk durch leichtere Wände in Holzbauweise. Spezielle Aufmerksamkeit sollten auch bestehende Holzdecken in Mauerwerksbauten erhalten (siehe Kapitel 7.4 und 7.5), denn deren Kraftübertragung und Steifigkeit in der Deckenebene ist oft ungenügend. Diese Deckenkonstruktionen können grossflächig durch eine steife horizontale Scheibe aus Holz verstärkt werden. Ebenso kritisch sind die Verbindungen zwischen den Decken und den Wänden zu beurteilen, was oft eine Verstärkung dieser Anschlüsse im Zusammenhang mit der
Scheibenausbildung in der Deckenebene zur Folge haben sollte.
Im eigenen Kapitel 8 wurden zu den erkannten Schwachstellen und Lösungsansätzen konstruktive Umsetzungen ausgearbeitet, wobei den Anforderungen aus der Bauphysik und dem Brandschutz besondere Beachtung gegeben wurde. Auf die Bemessung wurde nicht im Detail eingegangen, da die
Detaillösung zum einen einer grossen objektspezifischen Vielfallt von Parametern unterliegt und zum anderen die Umsetzbarkeit als eher unproblematisch erschien.
Die Ergebnisse aus der Konzeptstudie erscheinen einfach und naheliegend. Sicher ein Indiz dafür, dass mit wenigen, aber zielgerichteten Massnahmen, effiziente Gebäudeertüchtigungen realisiert werden könnten. Die Interviews mit Projektpartnern zeigen aber auch, dass dennoch eine weitere Hoffnung darin besteht, Mauerwerkwände in der Ebene mit Holzelementen zu verstärken. Einige Projektpartner sehen trotz hoher Steifigkeit der Mauerwerkswände eine Ertüchtigung mit Holzelementen bei Mauerwerkswänden in gerissenem oder beschädigtem Zustand. Eine umfassende Literaturstudie zum Thema Holzbau und Erdbeben (siehe Kapitel 3) zeigte, dass die Erdbebenertüchtigung von Mauerwerksbauten mit Holzelementen weltweit noch unbekannt ist. Woher entstammt dann die Begeisterung aller beteiligten Fachleute für das Projekt? Gibt es einen vergessenen, wesentlichen Aspekt oder waren die Vergleichsrechnungen nach Kapitel 8.1 zu vereinfachend? Sind alle Hoffnungen unbegründet und die Unterschiede der beiden Materialien in der
Schubsteifigkeit doch so hoch, dass die Grundidee einfach fallen gelassen werden muss?
Als nächster Schritt in der Bearbeitung der Thematik müssten sicherlich einzelne Bauprojekte konkreter aufgegriffen werden, um die Ertüchtigungsmassnahmen genauer evaluieren zu können. Darauf aufbauend könnte der Bedarf an Parameterstudien zur Erfassung von Randbedingungen und deren Streubereich sowie zur Auslegung von Ertüchtigungen, inklusive allfälliger Versuche zur Bestimmung der Bauteileigenschaften unter zyklischer Einwirkung. Sinnvoll wäre sicherlich auch eine Kleinversuchsreihe zum Belegen respektive Verwerfen des Verformungs- und Versagensverhaltens von mit Holzelementen verstärkten Mauerwerkswänden in und quer zur Wandebene.
|