Der Hintergrund für den vorliegenden Auftrag bildet das Bedürfnis für die Bewertung der Wirksamkeit von Massnahmen im Bereich Flugtreibstoffe zur Reduktion der Klimawirkung des Luftverkehrs. Da davon ausgegangen wird, dass im Luftverkehr die Anzahl der geflogenen Personenkilometer in den kommenden Jahrzehnten global wieder zunehmen wird, Effizienzmassnahmen nur eine begrenzte Wirkung haben werden, alternative Antriebe für Langstreckenflüge bis auf Weiteres ungeeignet sein werden und die heutigen modernen Flotten für jahrzehntelangen Einsatz gebaut sind, spielen alternative, möglichst CO2-neutrale «drop in» Kerosintreibstoffe eine grosse Rolle für eine Reduktion der Treibhausgasemissionen. Unter diese alternativen Kraftstoffe fallen Kohlenwasserstoffe aus biogenen Ausgangsstoffen («Biotreibstoffe») sowie synthetische Treibstoffe, welche im Fokus des vorliegenden Auftrags für die Ökobilanzierung stehen: So genannte «Sun-to-Liquid» (StL) und «Power-to-Liquid” (PtL) Treibstoffe. Beide Arten von Treibstoffen können geschlossene CO2-Kreisläufe aufweisen, also als CO2-neutral gelten, sofern das CO2 für die Syntheseprozesse direkt mit «direct air capture»-Anlagen (DAC) oder indirekt via Biomasse aus der Atmosphäre entnommen wird. Selbst ein geschlossener CO2-Kreislauf garantiert aber noch keine, gegenüber fossilem Kerosin vorteilhafte Umweltbilanz – um diese nachzuweisen, müssen komplette Ökobilanzen erstellt werden, welche z.B. auch die Infrastruktur und die Energieversorgung der Treibstoffproduktionsprozesse berücksichtigen. Ökobilanzen beinhalten neben den Auswirkungen auf den Klimawandel weitere Umweltauswirkungen wie etwa Land- und Wasserverbrauch sowie Schadstoffemissionen. Deren Quantifizierung erlaubt es, mögliche Nachteile einer Reduktion der Treibhausgasemissionen bzgl. anderer Umweltauswirkungen zu beurteilen. Belastbare, aktuelle und transparente Literatur zum Thema Ökobilanzen von klimafreundlichen Flugtreibstoffen, welche nicht auf Biomasse basieren, ist nur spärlich vorhanden und teilweise unvollständig. Die Ökobilanzen von PtL- und StL-Treibstoffe sind deshalb Gegenstand dieses Auftrags.
Die Ergebnisse zeigen, dass das synthetische Kerosin im Allgemeinen eine Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG) - und damit der Auswirkungen auf den Klimawandel - im Vergleich zu seinen herkömmlichen, auf fossilen Rohstoffen basierenden Pendants ermöglicht. Die Verwendung von kohlenstoffarmen oder Abfall-Energiequellen für die Gewinnung von Wasserstoff (H2) und Kohlendioxid (CO2) in Kombination mit einem optimierten Prozessdesign führt zu einer Verringerung der THG-Emissionen von über 70 % und bis zu fast 95 % im Vergleich zum fossilen Benchmark-Wert von 89 g CO2-eq/MJ (3,9 kg CO2-eq/kg) gemäß CORSIA 2019. Die Kohlenstoffneutralität kann durch den Einsatz von Biogas aus Bioabfall als Kohlenstoffquelle in den StL-Reformierungspfaden von Methan gerade noch erreicht werden. Aber auch die beiden PtL und ein rein thermochemischer StL-Pfad können mit nur ca. 5 bis 10 g CO2-eq/MJ Kerosin (>90% Reduktionspotenzial) sehr geringe Klimawirkungen erreichen. Entscheidend sind die Stromquelle für den Wasserelektrolyseprozess zur H2-Produktion sowie die Treibhausgasintensität des Abscheidungsprozesses des benötigten CO2. Letztere hängt von der CO2-Quelle - industrielle oder Direct Air Capture (DAC) - und davon ab, welche Strom- und Wärmequellen für den Abscheidungsprozess verwendet werden. Darüber hinaus erfordert die Verwendung von CO2, das aus industriellen Prozessen abgeschieden wurde, ein gemeinsames Verständnis darüber, welcher der beteiligten Partner die Gutschrift für die Verringerung der CO2-Emissionen durch die Verwendung dieses "recycelten" CO2 erhält, da es nicht zu einer Doppelzählung solcher Gutschriften kommen darf.