Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) untersuchte, inwiefern die Bundesverwaltung den Umgang mit den Kantonen übergreifend steuert. Ohne Koordination ist es schwierig, die Gleichbehandlung der Kantone sicherzustellen. Ausserdem droht die Bundesverwaltung, Chancen auf rasche, kostengünstige Lösungen bei offenen Fragen mit den Kantonen zu verpassen. Schliesslich läuft sie auch Gefahr, Lehren aus dem Umgang mit Kantonen unzureichend zu beachten.
Aktuell besteht eine Interdepartementale Koordinationsgruppe für Föderalismusfragen (IDEKOF), angesiedelt beim Bundesamt für Justiz (BJ). Mit dem Föderalistischen Dialog gibt es zudem ein themenübergreifendes Forum für den Austausch mit den Kantonen. Im Rahmen dieser Prüfung standen neben diesen formellen auch informelle Kanäle im Fokus.
Die Resultate zeigen, dass der Umgang mit den Kantonen ausserhalb von fachlichen Belangen nur wenig koordiniert wird. Verbesserungspotenzial ortet die EFK insbesondere mit Blick auf die Steuerung der Beziehungen zu den Kantonen, ihre Gleichbehandlung, das organisationale Lernen sowie die Regelung von Kompetenzen bereits vor dem Krisenfall.
Fehlende Übersicht und breit verteilte Verantwortlichkeiten
In der Bundesverwaltung besteht kein ständiger Überblick zu wichtigen Themen in der Beziehung mit den Kantonen oder zu finanziellen Folgen der Berücksichtigung von Kantonsanliegen. Instrumente, die explizit der interdepartementalen Koordination der Beziehung zu den Kantonen dienen, existieren kaum. Damit fehlt eine wichtige Grundlage für eine bundesweite Steuerung der Beziehungen zu den Kantonen. Die EFK erachtet es als wichtig, dass im Bedarfsfall Übersichten erstellt werden.
Die Verantwortlichkeit für den Umgang mit den Kantonen ist nicht klar einer Stelle zugeordnet. Alle Ämter sind im Rahmen ihrer Fachgebiete zuständig. Das BJ, die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV), die Bundeskanzlei (BK) sowie die Delegierten von Bund und Kantonen nehmen besondere Aufgaben mit Blick auf den Föderalismus wahr. Die breit verteilten Zuständigkeiten erschweren eine gesamtheitliche Gestaltung der Beziehungen von Bund und Kantonen.
Die IDEKOF bereitet hauptsächlich den Föderalistischen Dialog vor. Für eine eigentliche Koordination oder Steuerung des Umgangs mit den Kantonen ist sie jedoch nicht geeignet.
Informelle Kanäle sind wichtig, aber kritisch für die Gleichbehandlung
Kontakte zwischen Bund und Kantonen finden in einer unüberschaubaren Vielzahl von Foren statt. Mehrheitlich erfolgen sie in einem sektoriellen Kontext. Der Föderalistische Dialog als Querschnittsforum wird von der Bundesverwaltung zu wenig proaktiv genutzt.
Neben offiziellen Kanälen spielen auch informelle Kontakte eine wichtige Rolle. Diese können sehr nützlich sein, eröffnen aber auch Möglichkeiten für versteckte Einflussnahme und ungleiche Behandlung. Deshalb sollten Kontakte zu allen Kantonen gleichartig gepflegt werden.
Teilweise behandelt die Bundesverwaltung einzelne Kantone bewusst ungleich – zumeist, um eine Lösung zu finden, die für beide Seiten stimmt. Ob Kantone insgesamt vergleichbar behandelt werden, lässt sich aufgrund fehlender Übersichten jedoch nicht feststellen. So gibt es einen Anreiz für Kantone, eine individuell möglichst vorteilhafte Lösung anzustreben. Dadurch entsteht das Risiko einer Bevorteilung einzelner Kantone.
Lösungen kosten Zeit und Geld
Die EFK untersuchte mehrere Fälle, in welchen Bund und Kantone eine Lösung suchen mussten. Diese Fallstudien zeigen, dass sie meist eine fanden, der Weg dazu aber Zeit und Geld kostete – und zwar oft mehr als ursprünglich vorgesehen. Die Bundesämter waren darauf bedacht, den Kantonen keine einseitigen Lösungen aufzuzwingen, und wählten kooperative Vorgehen.
In der Lösungssuche traten die Bundesämter jedoch kaum koordiniert auf. Sie orientierten sich nicht an Strategien anderer Ämter und banden diese fast ausschliesslich nur dann ein, wenn sie direkt betroffen waren. Das Potenzial, das sich aus dem Wissen und den Erfahrungen anderer Ämter ergibt, wird somit nicht voll ausgeschöpft.
Fehlende Kompetenzen tragen zu Verzögerungen bei
In einer Fallstudie untersuchte die EFK den Informationsfluss zwischen Bund und Kantonen zur Verfügbarkeit von medizinischen Ressourcen während der COVID-Krise im Frühjahr 2020. Die Resultate illustrieren die von der EFK wiederholt festgestellte Problematik der fehlenden Weisungskompetenz des Bundes im Informatikbereich. Die Einführung eines wichtigen Systems zur Datenübermittlung ging in den Kantonen nur zögerlich voran. Eine fehlende Pflicht zur Datenlieferung trug zudem zu Beginn der Krise zu Lücken in den Daten bei. Dieser Fall ist exemplarisch: Oft würde eine klare und einfache nationale Kompetenz an eine Behörde Einsparungen und Effizienzsteigerungen ermöglichen.
Das Verständnis der Kantone für die Notwendigkeit einer Koordination durch den Bund fehlte teilweise selbst in der Krise. Um zu verhindern, dass in zeitkritischen Situationen zunächst Verständnis geschaffen werden muss, müssen entsprechende Kompetenzen bereits vor der Krise geregelt werden.