Die geologischen Strukturen im Untergrund der Nordschweiz sind integraler Ausdruck seiner tektonischen Geschichte im Vorland der Alpen. Über den Nachweiszeitraum von einer Million Jahre können Teile des geologischen Störungsmusters wieder reaktiviert werden und es könnten sich darüber hinaus neue Störungszonen ausbilden. Zur Abschätzung einer derart lang andauernden Entwicklung müssen die mechanischen Randbedingungen sorgfältig eingegrenzt werden.
In Etappe 2 des Sachplanverfahrens hatte das ENSI zusammen mit swisstopo in einer Studie an der CY Cergy Paris Université die Möglichkeit untersucht, mittels stochastisch-mechanischer Analyse herauszufinden, wie die tektonische Entwicklung der Nordschweiz über eine Million Jahre aussehen könnte (ENSI 33/470, Anhang 3). Dabei wurden insbesondere Fragen zu «thin-skin tectonics» (die Deformation beschränkt sich auf die sedimentäre Bedeckung) oder «thick-skin tectonics» (die Deformation schliesst den kristallinen Untergrund mit ein) diskutiert und verschiedene Szenarien der strukturellen Entwicklung erörtert. Deren Ungewissheiten, also die Wahrscheinlichkeit, dass diese eintreten, wurden dabei aber nicht ausgewiesen. Die damaligen Arbeiten stützten sich auf die 2D-seismischen Messungen der Nagra sowie auf das daraus abgeleitete Störungsmuster im Untergrund.
Mit den nun vorliegenden 3D-seismischen Datensätzen wäre eine Verfeinerung der damaligen Studien möglich. Im Rahmen einer Doktorarbeit soll auf der Basis von generischen Geometrien getestet werden, ob die damaligen 2D-Modellierungen in die dritte Dimension erweitert und ob auch die Ungewissheiten dieser Modellierungen abgeschätzt werden können. Im Projekt sollen mittels stochastisch-numerischer Modellierungen auf Basis der Grenzanalyse die Spannungsfelder der Nordschweiz analysiert und das Potenzial für plastische Deformation in einem Satz von idealisierten zwei- und dreidimensionalen geologischen Prototypen getestet werden.