Zielsetzung und Methodik des Forschungsprojektes
Dieses Forschungsprojekt untersucht verschiedene erneuerbare Energien-Technologien in Bezug auf ihre Fähigkeit, Einnahmen am Markt zu erzielen, beurteilt die Risiken für die Projektträger (Einnahmenverteilung) und schätzt die Notwendigkeit für Fördermechanismen in der Schweiz ab. Zwei Risikokategorien wurden berücksichtigt: langfristige Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Entwicklung der europäischen Stromsysteme sowie kurzfristige wetterbedingte Unsicherheiten. Beide Risikokategorien haben einen Einfluss auf die Einnahmen, welche die Betreiber von mit erneuerbaren Energien betriebenen Anlagen von den Märkten erwarten können, und auf die Verteilung dieser Einnahmen. Das Forschungsprojekt beurteilt ausserdem die Auswirkungen der Fördermechanismen für erneuerbare Energien auf die Einnahmen und die Risiken.
Das Projekt basiert auf dem «Artelys Crystal Super Grid»-Modell, welches die Funktionsweise des Stromsystems auf europäischer Ebene für ein vordefiniertes Szenario simuliert. In solch einem Szenario sind der Einsatz der verschiedenen Technologien, die Entwicklung der Nachfrage sowie die Brennstoff- und CO2-Preise definiert. Forschungsinstitute, private Akteure und öffentliche Institutionen nutzen «Artelys Crystal Super Grid» regelmässig, um Kosten-Nutzen-Analysen (insbesondere für Infrastrukturprojekte), Wirkungsanalysen neuer Regulierungen (Marktkopplung, Resource Adequacy, Kapazitätsmechanismen etc.), Vermögensbewertungen etc. durchzuführen.
Die schweizerischen und europäischen Stromsysteme werden technologiescharf mittels einer «Bottom-up-Darstellung» abgebildet und ihre Funktionsweise wird durch eine Minimierung der Betriebskosten, unter Berücksichtigung der technischen Einschränkungen der Produktionsanlagen, der Erzeugungsprofile der erneuerbaren Technologien, der kurz- und mittelfristigen Strategien für die Verwaltung der Speicherkraftwerke etc. approximiert. Die Simulationen werden für 100 Szenarien (2 langfristige Szenarien, in Kombination mit je 50 Klimaszenarien) und mit stündlicher Auflösung (8760 aufeinanderfolgende Zeitschritte für jedes der 100 Szenarien) durchgeführt.
Mehrwert der Studie
Die Beschreibung des Schweizer Stromsektors im «Artelys Crystal Super Grid»-Modell wurde für diese Studie deutlich erweitert. Insbesondere wurde die Modellierung des Schweizer Wasserkraft-Sektors anhand der neuesten öffentlichen Daten des Bundesamtes für Energie und des Bundesamtes für Statistik verfeinert. Dabei wurden zehn Jahre Produktionsstatistik mit den ursprünglichen 100 Klimaszenarien gekoppelt.
Zudem nutzt das Modell eine explizite Darstellung des europäischen Stromsystems auf Länderebene. Es erwies sich als entscheidend bei der Untersuchung der Einnahmen, welche die Schweizer Stromerzeuger erwarten können, ein europäisches Modell zu verwenden, da die Schweizer Preise hauptsächlich durch die Entwicklung in Europa bestimmt werden. Durch die Berücksichtigung zweier langfristiger Szenarien (aufbauend auf den ENTSO-E-Szenarien), die sich in Bezug auf den jährlichen Bedarf, die Nachfragedynamik, die installierten Kapazitäten, die Brennstoff- und die CO2-Preise unterscheiden, konnte aufgezeigt werden, dass die Nachbarländer bei der Analyse der Markteinnahmen für die Schweizer Erzeuger eine entscheidende Rolle spielen.
Wichtigste Schlussfolgerungen
Die in diesem Bericht vorgestellten Analysen verdeutlichen in erster Linie, dass die Fähigkeit, an den Märkten Einnahmen zu erzielen, von der jeweiligen Technologie abhängt. In allen Szenarien können bei Grosswasser- und Windkraftwerken höhere durchschnittliche Verkaufspreise erwartet werden als bei Laufwasserkraftwerken und Photovoltaikanlagen. Im Gegensatz zu Solar- und Laufwasserkraftwerken erzeugen Grosswasserkraft- und Windanlagen tendenziell mehr Strom in Zeiten starker Nachfrage und hoher Preise. Sollten also technologieneutrale Fördermechanismen eingeführt werden, ist zu erwarten, dass die Windenergie attraktiver sein wird als die Photovoltaik, weil sie am Markt höhere Einnahmen zu erzielen vermag.
Wenn man die Einnahmen, welche die einzelnen Technologien 2030 an den Märkten erzielen dürften, mit den angenommenen Fixkosten vergleicht und dabei bestimmte Modellannahmen (insbesondere betreffend Investitionskosten, Brennstoff- und CO2-Preise) berücksichtigt, zeigt sich, dass sich die Investition in bestimmte Technologien nicht rentiert. So verdeutlichen die im Rahmen dieser Studie durchgeführten Kosten-Nutzen-Analysen, dass die Photovoltaik und die Grosswasserkraft aus Sicht eines Projektträgers, der die erzeugte Energie im Jahr 2030 an den Märkten verkauft, wirtschaftlich nicht rentabel sind. Hingegen generieren die Windenergieanlagen und Laufwasserkraftwerke kostendeckende Einnahmen und sind somit gewinnbringend.
Investitionsentscheidungen beruhen nicht ausschliesslich auf den durchschnittlichen Einnahmen, die ein Projektträger erwarten kann, sondern auch auf deren Verteilung. Diese hängt insbesondere von den Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Entwicklung des Stromsektors in Europa und den schwankenden Wetterbedingungen ab. Anhand der Untersuchung unterschiedlicher Zukunftsszenarien konnte die Einnahmenverteilung analysiert und so das von einem möglichen Investor wahrgenommene Risiko sowie die Wirkung dieses Risikos auf die Investitionsentscheidung eingeschätzt werden.
Gemäss unserer Analyse wirken sich die Risiken nur geringfügig auf die Einschätzung der Rentabilität der verschiedenen Technologien aus. Sie haben folglich auch nur einen geringen Einfluss auf den Förderbedarf der unrentablen Technologien. Die Risikoevaluation hat gezeigt, dass sich die Entwicklung der Stromsysteme in den Nachbarländern deutlich stärker auf die Einnahmen auswirkt als die Klimaschwankungen. Es kann deshalb empfohlen werden, dass die zuständigen Schweizer Behörden die Entwicklung und die erwarteten Auswirkungen der europäischer Politikinitiativen und Massnahmen beobachten, um die Eckwerte der Fördermechanismen, die den Erzeugern von Strom aus erneuerbaren Energien in der Schweiz zur Verfügung stehen, auf transparente Weise anpassen zu können.
Ausserdem haben die im Rahmen dieses Forschungsprojekts durchgeführten Analysen gezeigt, dass die Schweiz als «Price Taker» bezeichnet werden kann: Aufgrund der geringen Grösse des Schweizer Stromsystems und den grossen Kapazitäten für den Austausch mit den Nachbarländern hat die Schweiz kaum Einfluss auf die Marktpreisbildung. Deshalb zeigen sich Kannibalisierungseffekte (beispielsweise dadurch, dass Investitionen in Photovoltaikanlagen dazu führen, dass die Markpreise zur Mittagszeit sinken und diese Technologie so weniger attraktiv wird) häufig nur bei als unrealistisch einzustufenden Marktanteilen von Photovoltaik. Dieselbe Schlussfolgerung gilt für die Windenergie. Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass eine Szenarisierung der Entwicklung des europäischen Energiesystems ein zentrales Element für eine glaubwürdige Analyse der Zukunft des Schweizer Stromsystems und seiner Märkte bilden muss.
Diese quantitative Studie basiert auf einer Reihe von Annahmen. Wie bei jeder Modellierung kann eine Änderung der Annahmen die Ergebnisse und die Schlussfolgerungen beeinflussen. Zu den Annahmen, die beobachtet und regelmässig nachgeführt werden sollten, gehören die Investitionskosten. In dieser Untersuchung sind die MW-Kosten aller Projekte einer Technologie gleich, da Kostenkurven für die Schweiz fehlen. In der Praxis weisen verschiedene Projekte allerdings unterschiedliche Kosten auf (beispielsweise wegen des geografischen Standorts, der Anschlusskosten, der Auswahl der Komponenten etc.). Eine Forschungsrichtung, der nachgegangen werden sollte, sind solche Kostenkurven, welche beschreiben, wie sich die Projektkosten in Abhängigkeit der Potentialausschöpfung
entwickeln. Der Zugang zu solchen Daten könnte eine gleichzeitige Optimierung des Portfolios erneuerbarer Technologien, dazugehöriger Flexibilitätslösungen und ihres Standorts im Netz ermöglichen.
Die in diesem Bericht ermittelten Werte für die Fördermechanismen basieren auf Kostenprojektionen für das Jahr 2030 und auf Einnahmenschätzungen, die durch Simulationen verschiedener Szenarien für 2030 vorgenommen wurden. Sie entsprechen somit weder den Werten, welche die Fördermechanismen heute, noch denjenigen, die sie während der Lebensdauer des Investitionsvorhabens aufweisen sollten. Die Werte für die Fördermechanismen können nur als Werte interpretiert werden, die sicherstellen, dass die Investitionsprojekte 2030 rentabel sind, ohne vergangene oder künftige Einnahmen zu berücksichtigen. Hingegen tragen sie den Risiken im Zusammenhang mit den Klimaveränderungen und der unsicheren Entwicklung des europäischen Energiesektors Rechnung.
Verschiedene Annahmen, die sich auf die Ergebnisse auswirken können, werden im Folgenden aufgeführt. Allerdings werden die in diesem Bericht vorgestellten Schlussfolgerungen dadurch kaum beeinflusst:
- Es wurde von einer Kopplung der Märkte in Europa ausgegangen. Obwohl der Schweizer Intraday-Markt mit den benachbarten Märkten gekoppelt ist, könnte sich diese Situation künftig verändern.
- Nur die mit dem Energieverkauf an den Märkten verbundenen Einnahmen wurden berücksichtigt. Würden Einnahmen im Zusammenhang mit den Reservemärkten berücksichtigt, könnte dies die Rentabilität bestimmter Technologien, insbesondere der Wasserkraft, beeinflussen.
- Den Anschlusskosten wird in dieser Studie nicht Rechnung getragen.
- Die Auswirkungen der finanziellen Verantwortlichkeit der Produzenten für Differenzen zwischen prognostizierter und realer Erzeugung wird in dieser Studie nicht berücksichtigt. Um diesen Einfluss vollständig zu erfassen, wäre eine detailliertere Darstellung der Produktionseinheiten nötig, da derartige Differenzen unterschiedlicher Erzeugungseinheiten mittels eines entsprechenden Portfoliomanagements kompensiert werden könnten. Zudem hängt dieser Einfluss von den Einzelheiten des Mechanismus für den Ausgleich der Erzeugungsdifferenzen ab.
- In dieser Untersuchung blieben die Opportunitäten im Zusammenhang mit der regionalen Kooperation bei den Fördermechanismen für erneuerbare Energien unberücksichtigt. In solchen Modellen würden zunächst die besten regionale Potenziale genutzt, was zu einem Kostenrückgang führen würde.
Potentielle weiterführende Forschungsrichtungen
Im Rahmen dieses Projekts wurden folgende Forschungsrichtungen identifiziert:
- Eine explizite Darstellung aller Marktsegmente und ihrer dazugehörigen Handelsoptionen (einschliesslich der Art und Weise, wie Akteure ihre Positionen anpassen, wenn sie neue Informationen mit verminderten Prognosefehlern erhalten) könnte genutzt werden, um insbesondere unterschiedliche Biet-Strategien genauer zu untersuchen.
- Die Folgen des jüngsten Rückgangs der Kosten für erneuerbare Energien könnten untersucht werden, insbesondere um zu verstehen, ob es technisch und wirtschaftlich möglich ist, über die in dieser Studie in Betracht gezogenen Ziele hinauszugehen. Eine gemeinsame Optimierung der erneuerbaren Energien und der Flexibilitätslösungen (Netz, aktives Nachfragemanagement, Speicherung, Spitzenlasteinheiten) wäre für die Entscheidungsgremien von grossem Nutzen.
- Ebenfalls von grossem Wert wäre ein Multi-Energie-Ansatz für die Optimierung des Energiesystems der Schweiz. Mit einem solchen Ansatz wäre es möglich, die Synergien zwischen Strom-, Gas- und Wärmenetzen zu erkennen und zu nutzen.
- Eine Analyse der dynamischen Effizienz der Fördermechanismen für erneuerbare Energien (d. h. Auswirkung der Unterstützung auf den allmählichen Kostenrückgang dieser Technologie) wäre von Interesse, um den unterschiedlichen Lernkurven der verschiedenen Technologien (wegen der Entwicklung von lokalem industriellem Fachwissen für bestimmte Technologien) Rechnung zu tragen.