Die virale hämorrhagische Septikämie (VHS), die infektiöse hämatopoetische Nekrose (IHN) und die infektiöse Pankreasnekrose (IPN) sind drei bedeutende, in der Schweiz meldepflichtige, virale Fischseuchen. Sie werden regelmässig nachgewiesen und können bei Salmoniden, insbesondere bei den Regenbogenforellen (Oncorhynchus mykiss) grosse Verluste verursachen. Bei älteren Fischen ist, insbesondere im Falle von IHN und IPN, jedoch auch eine versteckte, stumme Infektion möglich. In der Schweiz wurde während der letzten zehn Jahre pro Jahr durchschnittlich 2.2 mal VHS, 0.5 mal IHN und 2 mal IPN nachgewiesen. Da die Schweiz erst seit Anfang 2014 über eine aktive Überwachung der Aquakulturbetriebe verfügt, beruhen diese Zahlen aber fast ausschliesslich auf der passiven Überwachung gemäss Artikel 61 der Tierseuchenverordnung (TSV).
Im Rahmen eines vor dem Abschluss stehenden Projektes zum Thema „Risikobasierte Überwachung von Aquakulturen: von der Theorie zur Praxis“ des FIWI, wurden 2012/2013 Proben für VHS, IHN und IPN genommen. Obschon nur 25 Aquakulturbetriebe beprobt wurden, konnten wichtige Rückschlüsse aus den Daten gezogen werden. So wurde IPN zweimal und IHN einmal nachgewiesen, jeweils immer bei symptomfreien Regenbogenforellen. Diese Resultate deuten darauf hin, dass die Prävalenz der drei Fischseuchen nur mittels aktiver Beprobungen von Fischzuchtbetrieben eruiert werden kann. Dabei sollten Regenbogenforellen bevorzugt getestet werden. Die Prävalenz dieser drei Fischseuchen ist somit möglicherweise grösser, als es die Ergebnisse der passiven Überwachung vermuten lassen.
Zurzeit steht das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) vor wichtigen Entscheidungen in Bezug auf die Regelung der Überwachung und Bekämpfung von Wassertierseuchen. So haben diverse Akteure der Branche eine Revision der Vorgaben zum Umgang mit Wassertierseuchen verlangt. Zudem muss eine, in der TSV verankerte, risikobasierte periodische Gesundheitsüberwachung der Aquakulturbetriebe umgesetzt werden. Schliesslich wird auch die Einführung eines Seuchenzonen-Konzeptes entsprechend demjenigen der EU überprüft.
Da für die Entscheidungsfindung Daten zur Prävalenz der wichtigsten viralen Fischseuchen unerlässlich sind, soll mit dem vorliegenden Projekt die genaue Seuchenlage für die Schweizer Aquakulturbetriebe eruiert werden. Dafür werden ausgewählte Betriebe beprobt und mittels RT-PCR auf die eingangs erwähnten drei viralen Fischseuchen untersucht. Da aber Viren auch von Wild- auf Zuchtpopulationen und umgekehrt übertragen werden können, sind auch Kenntnisse zur Prävalenz der Krankheiten bei Wildfischen wichtig. Dafür werden Geschlechtsprodukte wildgefangener Salmoniden auf die drei oben erwähnten viralen Fischkrankheiten untersucht. Um die Seuchenlage beurteilen zu können, sind neben Daten zur Prävalenz auch die Kenntnisse zu den Übertragungswegen der Viren und somit zu deren Herkunft von Bedeutung. Dazu sind phylogenetische Analysen nötig. Für VHS und IHN wurden solche Analysen bereits im Rahmen früherer Projekte mit Erfolg durchgeführt. Für IPN wurde die Methode bisher jedoch noch kaum benutzt. Zur Eruierung der Übertragungswege der IPN-Viren, sollen im Rahmen dieses Projektes solche Analysen deshalb auch für IPN durchgeführt werden.
Für eine effiziente risikobasierte Gesundheitsüberwachung der Aquakulturbetriebe sind Probenahmen unumgänglich. Der Umfang solcher Proben ist von der zu erwartende Prävalenz der Krankheit innerhalb der Anlage aber auch innerhalb der einzelnen Becken abhängig. Allerdings sind für die drei viralen Fischseuchen diesbezüglich kaum Angaben in der Literatur zu finden. Die Seuchenprävalenz innerhalb einer Anlage bzw. innerhalb einzelner Becken soll anhand gezielter Beprobungen in ausgesuchten Schweizer Aquakulturbetriebe geschätzt werden.
Ziel des Projektes ist es, den für die Seuchenüberwachung zuständigen Behörden wichtige Informationen im Hinblick auf die Überarbeitung der Tierseuchenverordnung, die Einführung von Gesundheitszonen und die Etablierung einer effizienten risikobasierten Tierseuchenüberwachung bereitzustellen. Zusätzlich soll für die Behörden ein Merkblatt mit einer detaillierten Anleitung zur Probenahme erstellt werden. Dieses soll die Durchführung der Probenahmen im Rahmen der in der TSV vorgeschriebenen risikobasierten periodischen Gesundheitsüberwachung der Aquakulturbetriebe erleichtern und zu einem schweizweit vergleichbaren Vorgehen beitragen.