In vielen Ländern ist heutzutage die Festlegung von Abbruchkriterien bzw. humanen Endpunkten bei der Planung und Durchführung von Tierversuchen gesetzlich vorgeschrieben. Ziel bei der Einführung von Abbruchkriterien ist die Reduktion des Leidens der Versuchstiere auf das absolut Notwendigste. Dies soll erreicht werden, indem die Tiere beim ersten Anzeichen des bevorstehenden Todes aus dem Versuch entfernt und auf humane Art getötet werden.
Die Hauptschwierigkeit bei der Etablierung von Abbruchkriterien liegt in der Abwägung zwischen Tierwohl und wissenschaftlichem Erkenntnisgewinn: im Sinne des Tierwohls sollte ein Tier so früh wie möglich aus einem Versuch entnommen werden. Wird ein Tier jedoch zu früh entnommen, kann dies negative Auswirkungen auf die Aussagekraft der Resultate einer Studie haben. Erschwerend kommt zudem hinzu, dass die Wahl eines optimalen Abbruchkriteriums von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, z.B. von der eingesetzten Tierart, der Art der Untersuchungen oder des verwendeten Stressors. Abbruchkriterien müssen somit sehr sorgfältig und für jede Tier- und/oder Studienart speziell festgelegt werden.
Verglichen mit der Forschung mit Säugetieren, gibt es in der Forschung mit Fischen erst relativ wenige Bestrebungen humane Endpunkte in Tierversuchen einzuführen. Zwar verwenden einige europäische Labors bei der Durchführung von Akuten Toxizitätstests das Moribund-Stadium als Abbruchkriterium. Da bis jetzt jedoch eine allgemein anerkannte Definition des Moribund-Stadiums fehlt, gibt es zwischen den verschiedenen Labors geringfügige Unterschiede bezüglich der Beurteilungskriterien. Dies kann Auswirkungen auf die Vergleichbarkeit von Versuchsresultaten haben.
Für Infektionsstudien mit Fischen, z.B. zur Überprüfung der Effektivität von Impfstoffen und/oder Immunstimulanzien, wurden bis jetzt noch kaum humane Endpunkte etabliert, obwohl solche Studien üblicherweise die höchsten Schweregrade aufweisen. Zwar hat das Zentrum für Fisch- und Wildtiermedizin FIWI basierend auf seinen bisherigen Erfahrungen mit solchen Studien ein Score Sheet zur Ermittlung von Abbruchkriterien erstellt. Die darin enthaltenen Beurteilungskriterien basieren jedoch lediglich auf Beobachtungen und wurden nicht experimentell ermittelt. Zur Erhöhung der Objektivität, Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit sind aber experimentell ermittelte und abgesicherte Abbruchkriterien unerlässlich.
Ziel dieser Studie ist deshalb die experimentelle Ermittlung von objektiven, möglichst einfach zu erfassenden Abbruchkriterien für Infektionsversuche mit Fischen. Dies soll im Rahmen einer veterinärmedizinischen Dissertation, mit Hilfe von drei videoüberwachten Infektionsversuchen mit individuell markierten Regenbogenforellen geschehen. Dabei sollen einerseits die im Score Sheet des FIWI zusammengetragenen Abbruchkriterien verifiziert und allenfalls optimiert und/oder ergänzt werden. Anderseits soll auch untersucht werden, welchen Einfluss immunitätsfördernde Massnahmen (Vakzinierungen, Fütterung mit Immunstimulanzien) auf den Krankheitsverlauf und somit die Wahl von Abbruchkriterien haben können. Zu guter Letzt soll basierend auf den in dieser Studie verwendeten Protokollen eine Anleitung erstellt werden, mit deren Hilfe auch für andere Fisch- und/oder Studienarten objektive Abbruchkriterien experimentell ermittelt werden können.