Körperliche Aktivität bei Kindern ist inbesondere wegen der stark angestiegenen Übergewichtsprävalenz zu einem zentralen Public Health Thema geworden. Das Erheben des Bewegungsverhaltens von Kindern ist eine grosse Herausforderung, weil Kinder sich häufig unstrukturiert und in vielen aber kurzen Aktivitätsperioden bewegen. Deshalb wird empfohlen die körperliche Aktivität bei Kindern mittels objektiver Messmethoden zu erfassen. In der Schweiz wurden zwar schon in kleinen, regionalen Studien Accelerometer eingesetzt, allerdings fehlten bisher nationale Daten, die es erlauben die Situation in der Schweiz abzubilden. Für die aktuelle Studie sollten deshalb, Accelerometerdaten aus verschiedenen schon durchgeführten, aber kleineren Studien (KISS, BALLABEINA, J+SKids, ENERGY, GABRIEL, EFRAIM, IKAÖ, SCARPOL), gepoolt und einheitlich ausgewertet werden. Entstanden ist ein Datensatz mit 2048 Accelerometermessungen von Kindern im Alter von 4- bis 17-Jahren. Soziodemographischen Angaben waren über Fragebogen erhältlich. Basierend auf der Wohnadresse konnten 1742 dieser Kinder objektive Umweltdaten wie Grünflächen oder die Art der Strassen in der Umgebung zugeordnet werden. Die Daten von drei Studien (KISS, BALLABEINA und ENERNGY) waren in internationale Vergleichen involviert. Der aktuelle Datenpool ermöglichte zu überprüfen, ob die Daten dieser drei Studien mit Messungen aus anderen Regionen vergleichbar waren.
Ziel der aktuellen Studie war es, das Bewegungsverhalten von Schweizer Kinder zu beschreiben, international zu vergleichen und Einflussfaktoren, die sich auf das Bewegungsverhalten auswirken zu identifizieren.
Die totale körperliche Aktivität (durchschnittliche counts per minute) und die Zeit, die mit moderater bis intensiver körperlicher Aktivität (MVPA) verbracht wurde nahm mit dem Alter ab (p<0.001) während die Zeit, die mit sitzenden und liegenden Tätigkeiten (sedentary behaviour = SB) verbracht wurde zunahm (p<0.001). Knaben waren körperlich aktiver als Mädchen (645.3 (178.4) versus 557.5 (166.2) für cpm und 204.0 (86.6) versus 180.7 (86.1) für MVPA) und verbrachten weniger Zeit mit SB. Eine ähnliche Tendenz, wenn auch nicht statistisch signifikant, zeigte sich bei Normalgewichtigen im Vergleich zu Übergewichtigen (605.7 (180.5) versus 567.7 (157.0) für cpm; 193.0 (87.4) versus 190.2 (89.0) für MVPA und 395.5 (132.6) versus 411.5 (142.9) für SB). Im Sommer waren die Kinder signifikant aktiver als im Winter (627.1 (184.8) versus 568.0 (163.3) für cpm; 216.7 (84.6) versus 161.5 (80.2) für MVPA).
Ein Vergleich mit der objektiv erfassten Wohnumgebung der Kinder zeigte, dass die Anzahl Grünflächen am positivsten mit körperlicher Aktivität assoziiert war (p<0.01). Diese Assoziation war bei Kindern unter 10 Jahren stärker ausgeprägt als bei denjenigen über zehn Jahren. Bei über zehnjährigen Kindern, bei Knaben und bei Kindern aus Gebieten mit einem tiefen sozioökonomischen Nachbarschaftsindex waren Faktoren, welche normalerweise zentral gelegene städtische Gebiete repräsentieren (Bevölkerungsdichte, Gebäudedichte Nutzungsdurchmischung), positiv assoziiert mit körperlicher Aktivität und negativ mit SB. Die Hauptstrassendichte war insbesondere bei jüngeren Kindern (p=0.09) mit weniger körperlicher Aktivität assoziiert, während der sozioökonomische Nachbarschaftsindex mit mehr körperlicher Aktivität (cpm) in der gesamten Stichprobe assoziiert war.
Kinder aus der Romandie waren signifikant weniger körperlich aktiv (β-Coeff.: -74.7 (-104.6 bis -44.7) für cpm und -20.6 (-29.3 bis -11.8) für MVPA) und vermehrt inaktiv (β-Coeff.: 38.0 (22.3 bis 53.8) verglichen mit Kinder aus der Deutschschweiz. Dieser Unterschied blieb auch bestehen, wenn das Modell für soziodemographische Faktoren oder objektiv erfasste Umweltfaktoren aus der Wohnumgebung adjustiert wurde.
Internationale Vergleiche der Studien KISS, BALLABEINA und ENERGY zeigten, dass Kinder aus der Schweiz ähnlich bis mehr körperlich aktiv waren als gleichaltrige Kinder aus anderen Ländern. In Bezug auf die totale körperliche Aktivität zeigten diese drei Studien keine signifikanten Unterschiede zu Messungen aus den anderen Studien. Hingegen erreichten Kinder aus der Studie KISS höhere MVPA-Werte als Kinder aus den anderen Studien. Die MVPA-Werte der ENERGY-Studie waren jedoch geringer als in den anderen Studien.
Mit dem Datenpool konnte erstmals für eine grosse Stichprobe von Schweizer Kindern das Bewegungsverhalten basierend auf Accelerometermessungen beschrieben und Einflussfaktoren für eine aktive Lebensweise identifiziert werden. Um zeitliche Entwicklungen zu erkennen und Kausalitätsrichtungen abzuleiten wäre es jedoch notwendig, das Bewegungsverhalten von Kindern regelmässig, in einer für die Schweiz repräsentativen Stichprobe zu erfassen.