Werkleitungen und Strassen gehören zu den wichtigen Infrastrukturen, die der gesamten Bevölkerung in gleichem Mass bereitgestellt werden müssen. Die Eigentümer der Werkleitung sind im öffentlichen Bereich dazu verpflichtet, kostendeckende und verursachergerechte Gebühren zu erheben. Im nicht öffentlichen Bereich der privaten Anbieter ergibt sich diese Notwendigkeit aus finanzieller Sicht, wobei öffentliche Organe eine Regulierungs- und Kontrollfunktion ausüben. Strassen und deren Werterhalt hingegen werden ausschliesslich durch Steuergelder und öffentliche Beiträge finanziert und sind aus diesem Grund stark von politischen Entscheidungen abhängig. Diese unterschiedliche Ausgangslage kann an den Schnittstellen, dem Werkleitungsbau im Strassenbereich sowie bei Aufgrabungen, zu Interessenkonflikten führen.
Dieses Forschungsgesuch zielt darauf ab, einerseits den Einfluss der Aufgrabungen auf die zukünftige Zustandsentwicklung der Strassen (Arbeitspaket 1) zu untersuchen und anderseits diese Erkenntnisse in konkrete Empfehlungen umzuwandeln, welche die technischen, finanziellen und organisatorischen Aspekte berücksichtigen, um verursachergerechte Aufgrabungstarife zu ermitteln (Arbeitspaket 2).
ARBEITSPAKET 1
Das Forschungsprojekt basiert auf der Annahme, dass sich Aufgrabungen auf den Zustand und somit auf das Alterungsverhalten der Strasse auswirken, dass heisst hier liegt ein Ursache-Wirkungs-Prinzip vor, dass es genauer zu prüfen gilt.
Zur Untersuchung des Einflusses und der Auswirkungen von Grabenaufbrüchen auf das Alterungsverhalten (AP1) werden im vorliegenden Forschungsgesuch zwei verschiedene Vorgehensansätze (analytisch und experimentell) gewählt und deren Ergebnisse zur Verdichtung der Erkenntnisse miteinander abgeglichen. Ziel dieses Vorgehens ist es, für das noch unklare Ursache-Wirkungs-Prinzip auf unterschiedlichen Wegen Abhängigkeiten und Zusammenhänge zwischen Aufgrabungen und Alterung ableiten zu können.
Arbeitspaket 1 umfasst diese zwei Wege (analytisch und experimentell) und lässt sich in 3 Arbeitsschritte untergliedern (Abbildung 3):
Abbildung 3 siehe unten
Arbeitsschritt 1: Im analytischen Ansatz werden die Schadensprofile von Strassenzustandsaufnahmen analysiert, wodurch ein Überblick über die Zusammensetzung von typischen Schadensbildern infolge Aufgrabungen gewonnen werden kann. Hierfür wird auf bereits erhobene Strassenzustandsaufnahmen in der Gesamtlänge von 300 km zurückgegriffen, diese wurden in kleinen und mittleren Agglomerationsgebieten nach der SN 640925b zwischen 2004 und 2009 durchgeführt. Zusätzlich werden interessierte Gemeinden angesprochen, die bereits über eine längere Erfahrung in der Strassenzustandsbewertung verfügen. Es gilt zu berücksichtigen, dass ein visuell wahrgenommener schlechter Strassenzustand (z.B. eine grosse Anzahl von Flickstellen, Werkleitungsbau im gesamten Strassenabschnitt längs zur Fahrbahnachse) sich nicht zwingend in einem schlechten Zustandsindex widerspiegelt. Aus diesem Grund müssen in Arbeitsschritt 2 zusätzlich qualitative Informationen durch Befragung der verantwortlichen Stellen gewonnen werden. Hierzu zählt der Zeitpunkt des Grabenaufbruchs, Informationen über die qualitative Ausführung gegebenenfalls Gründe und Zeitpunkt für die Sanierung einer entsprechend vorbelasteten Strasse.
Ziel dieser Analysen ist die Ermittlung von Strassenabschnitten, die durch den Werkleitungsbau beeinflusst sind, wobei eine möglichst grosse Bandbreite an Parametern abgedeckt werden soll. Die Untersuchungsergebnisse sollen folgende Bereiche beinhalten:
- unterschiedliche Alter des Grabenaufbruchs
- unterschiedliche Verkehrslasten
- unterschiedliche Schadensausmasse
- eventuell unterschiedliche Klimabedingungen
Gleichzeitig sollen in ihren Eigenschaften vergleichbare Strassenabschnitte gefunden werden, die unbeeinflusst von Aufgrabungen sind.
Durch eine Gegenüberstellung und durch eine Neubewertung von älteren Strassenzustandsaufnahmen kann ein direkter Einfluss der Aufgrabungen auf die Zustandsentwicklung abgeleitet werden. Ziel dieser Datenanalyse ist die Quantifizierung des Einflusses der Strassenaufbrüche auf das Alterungsverhalten, sowie die Ableitung und Identifizierung von wahrscheinlichen Strassenschäden als Folge der Aufgrabung.
Die daraus erstellte Hypothese soll mittels eines Praxistests im experimentellen Arbeitsschritt 3 überprüft werden. Für den experimentellen Teil wird der Strassenkörper gemäss Lindenmann (Erhaltung 2004) in zwei Bereiche untergliedert:
- Decke (Deckschicht, Binderschicht) und
- Tragschicht (Tragschicht, Fundationsschicht, ggf. Übergangsschicht).
Für die Untersuchung der Auswirkungen von Aufgrabungen auf die Tragschicht werden an ausgewählten Vergleichstrassenabschnitten Deflektionsmessungen durchgeführt. Mit dieser Messung kann anhand des Elastizitätsverhaltens einer Strasse bei kurzfristiger starker Belastung durch eine künstliche Belastungsquelle eine Aussage zum Zustand der Strasse getroffen werden. Gemessen wird die Deflektion je Aufgrabung an drei Orten (Dokumentation inkl. Muldenaufzeichnung):
- im Bereich der Aufgrabung (neu wiederverfüllter Strassenkörper)
- direkt neben der Aufgrabung im Strassenbereich (durch Aufgrabung gestörter Bereich des alten Strassenkörpers)
- ca. zwei bis vier Meter entfernt von Aufgrabung (ungestörter Strassenkörper)
Diese Werte werden auf ihre Aussagefähigkeit hin ausgewertet und überprüft. Gegebenenfalls können daraus Aussagen über die Beeinträchtigung der Restlebensdauer der Strasse aufgrund gestörter Tragfähigkeit des Gefüges abgeschätzt werden. Im Gesamten sind 10-12 Vergleichmessungen, ausgeführt durch ein akkreditiertes Baulabor (Prüflabor AG Mörschwil), geplant.
Für die Auswirkung von Aufgrabungen an der Deckschicht muss zusätzlich der Zustand der Fugen durch eine visuelle Begutachtung und Schadensauswertung gemäss VSS SN 640925b beurteilt werden. Auch hier wird der Einfluss der Aufgrabung auf den Zustand und somit das Alterungsverhalten bewertet.
Das angestrebte Ergebnis des Arbeitspaketes 1 ist die Quantifizierung des Zusammenhanges zwischen Aufgrabungen Zustandsentwicklung der Gemeindestrassen.
ARBEITSPAKET 2
Basierend mit den Erkenntnissen aus dem ersten Arbeitspaket, welches die analytischen und experimentellen Ergebnisse aus der Systemuntersuchung „Alterung Strassenkörper“ umfasst, sollen aus diesem Grund im Arbeitspaket 2 (Übersicht Abbildung 4) Empfehlungen erarbeitet werden, welche die betroffenen Entscheidungsträger unterstützen.
Arbeitspaket siehe Tabelle unten
Abbildung 4: Vorgehen Arbeitspaket 2
Dies betrifft finanzielle, technische und organisatorische Aspekte von Aufgrabungen, wobei die einzelnen Gesichtspunkte nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Um diese Aspekte vollständig beurteilen zu können, müssen die systemischen Erkenntnisse aus der Praxis (AP1) mit den bestehenden, theoretischen technischen Normen sowie der neusten Erfahrungen über die Ausführungen von Abschlüssen (Fugen und Beläge) kombiniert werden. Zusätzlich werden durch empirische Interviews von federführenden Gemeinden die organisatorischen Bedürfnisse analysiert. Es werden geeignete Gemeinden befragt, die bereits erste Erfahrung im Aufgrabungsmanagement sammeln konnten. Dabei könne es sich beispielsweise um folgende Teilnehmer handeln (noch anzufragen): Wettingen, St. Gallen, Zofingen.
Als Ergebnisse des Arbeitspaketes 2 liegen vor:
Technische Empfehlungen: Für die verschiedenen technischen Aspekte der Aufgrabung existieren eine Vielzahl von Normen, bezüglich Grabenauffüllung und Wiederinstandstellung der Beläge, sowie Fugenbildung. Aus den Erfahrungen der Datenerhebung sollen an dieser Stelle die wesentlichen Gesichtspunkte zusammengefasst werden, um die Randbedingungen für die erforderlichen Anforderungen an die Qualität zu beschreiben.
Finanzielle Empfehlungen: Unter Beachtung der Erkenntnisse der Datenanalyse, werden die massgebenden Fälle für Aufgrabungstarife ermittelt. Diese berücksichtigen den derzeitigen Zustand der Strasse, den Anteil der Aufgrabung (Grösse) und den zukünftigen Einfluss der Massnahme auf die Zustandsentwicklung der Strasse. Dabei werden die kostenrelevanten Parameter ermittelt, die es den Gemeinden ermöglichen spezifische auf die jeweiligen Bedingungen der Gemeinde abgestimmte Aufgrabungstarife zu ermitteln, wobei auch administrative Kosten integriert werden. Dieses Tarifmodell soll eine Wegleitung für Gemeinden zu verursachergerechten Kosten darstellen.
Organisatorische Empfehlung: Gestützt auf die Ergebnisse der Interviews wird ein Ablaufprozess für den Grabenaufbruch vorgeschlagen, der klar die Verantwortlichkeiten definiert und Massnahmen zur Qualitätssicherung integriert.
Schnittstellen: Die Umsetzung der einzelnen Empfehlung ist nicht unabhängig voneinander möglich, so werden im technischen Bereich Qualitätsstandards definiert, die sich einerseits auf die Ausgrabungstarife beziehen und anderseits nur durch einen entsprechend abgestützten Verwaltungsprozess umgesetzt werden können. Die Zusammenwirkung aller 3 Bereiche ist für ein effizientes Aufgrabungsmanagements notwendig.
Ziel des Arbeitspaket 2 ist die Umsetzung der Erkenntnisse in praktikable Handlungsempfehlung, welche die Grundlage für ein effizientes Aufgrabungsmanagement mit transparenten Kosten und übersichtlichen Prozessen.