Das Genus Brachyspira umfasst anaerobe Spirochäten aus dem Darmtrakt von Säugetieren und Vögeln. Im Dickdarm des Schweines kommen neben B. hyodysenteriae, dem Erreger der weltweit bedeutsamen Schweinedysenterie, mindestens vier weitere Brachyspira-Arten regelmässig vor, nämlich B. pilosicoli, B. innocens, B. intermedia und B. murdochii. Diese mikrobielle Diversität der porcinen intestinalen Brachyspiren geht einher mit grossen Unterschieden in der enteropathogenen Bedeutung beim Schwein.
B. pilosicoli ist der Erreger der porcinen intestinalen Spirochätose (Porcine Colonic Spirochaetosis, PCS). PCS tritt v.a. bei Ferkeln 1-2 Wochen nach dem Absetzen auf, wird auch bei Mastschweinen und selten bei Zuchttieren beobachtet (Taylor 1992, Duhamel et al. 1993, Girard et al. 1995, Trott et al. 1996 a, b). PCS ist eine Schweinedysenterie-ähnliche, stets jedoch milder verlaufende Darmerkrankung mit wässrig-schleimigem Durchfall ohne Blutbeimengungen. Gewichtszunahmen mit verlängerter Mastdauer können die Folge sein. Die Tiere genesen nach mehreren Tagen; die Mortalität ist in der Regel gering (Duhamel et al. 2005, Trott et al. 1996b, Hampson et al. 1997).
B. innocens und B. murdochii gelten beim Schwein als apathogen (Kinyon & Harris 1979). Die pathogene Bedeutung von B. intermedia beim Schwein ist noch nicht endgültig geklärt. Der Erreger wurde gehäuft bei Schweinen mit Durchfall und Colitis in Verbindung mit einer B. intermedia-Invasion der Lamina propria des Colons nachgewiesen (Hudson et al. 1976a, Binek & Szynkiewicz 1984, Fellström & Gunarsson 1995, Stanton et al. 1997). In experimentellen B. intermedia-Infektionen an Schweinen konnte beim jedoch kein Durchfall ausgelöst werden (Hudson et al. 1976 a, b).
Die durch B. hyodysenteriae verursachte Dysenterie der Schweine zählt zu den weltweit häufigsten und verlustreichsten Infektionskrankheiten in der Schweinemast (Amtsberg 1985, Mapother 1993, Mhoma et al. 1992, Pohlenz 1991).
Der Erreger wird meist durch Zukauf inapparent infizierter Tiere in freie Bestände eingeschleppt; die Infektion erfolgt oral über Aufnahme fäkaler Residuen. Die Schweinedysenterie ist eine seuchenhafte, mukofibrinöse bis hämorrhagisch-nekrotisierende Colitis und am Einzeltier durch einen meist akuten Verlauf mit schleimig-blutigem bis fibrinös-blutigem Durchfall und Abmagerung gekennzeichnet. Schweine aller Altersklassen können erkranken, wobei meistens Tiere in der Ferkelaufzucht und Schweinemast mit einem Gewicht von 15-70 kg betroffen sind. Zuchttiere erkranken seltener (Waldmann & Plonait 1997, Waldmann 2000). Die Morbidität beträgt ca. 90%, die Mortalität wird mit 9-30% angegeben. Die Manifestation der Erkrankung wird durch stresserzeugende Faktoren in der Haltung und Fütterung beeinflusst. Befallene Tiere zeichnen sich durch ungenügende Lebendmassenzunahmen aufgrund schlechter Futterverwertung aus, so dass sich hierdurch die Mastdauer verlängert. In erkrankten Beständen ist eine antibakterielle Chemotherapie (Futtermedikation des Bestandes über drei Wochen, parenterale Antibiotikatherapie erkrankter und krankheitsverdächtiger Tiere) zwingend erforderlich. Die wirtschaftlichen Verluste resultieren im Wesentlichen aus den erhöhten Kosten für die antibakterielle Therapie und den Masteinbussen. Hinzu kommen direkte Verluste durch verendete Tiere.
Zur erfolgreichen Sanierung sind gezielte Verbesserungen der Haltung und Fütterung und ein komplexes Hygieneregime unter strikter Einhaltung eines reinfektionsprophylaktischen Konzeptes unabdingbar. Eine wirksame Impfung steht bisher nicht zur Verfügung.
In Deutschland wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Veränderungen des Dysenteriegeschehen beobachtet, das sich im Wesentlichen seit dem Verbot antibakterieller Leistungsförderer von der Mittel- und Endmast in die Vormast bis hin zu den Absetzferkeln verlagert. Ebenso wird die Erkrankung zunehmend bei Sauen beobachtet.