Die landwirtschaftliche Forschung ist regelmässig Gegenstand politischer Auseinandersetzungen; dabei geht es entweder um die Begrenzung oder die Erhöhung ihrer Ressourcen. Das aus drei Instituten bestehende und vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) geleitete Agroscope wurde seit Ende der Neunzigerjahre mehreren Reformen unterzogen. 1996 wurde ein landwirtschaftlicher Forschungsrat eingesetzt, der dem BLW beratend zur Seite steht. Ebenso sind weitere öffentliche Forschungsanstalten auf diesem Gebiet tätig, so die Eidgenössischen Technischen Hochschulen, Universitäten und Fachhochschulen.
Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) unterzog die Steuerung der vom Bund finanzierten landwirtschaftlichen Forschung einer qualitativen Analyse. Sie wollte wissen, ob das BLW und der landwirtschaftliche Forschungsrat im Besitz der Informationen sind, die sie brauchen, um die Steuerung der vom Bund finanzierten Forschung strategisch und operationell effizient betreiben zu können.
Verbesserte Steuerung von Agroscope
Das BLW leitete Massnahmen ein und unternahm zahlreiche Anstrengungen zur Verbesserung der Organisation und Steuerung von Agroscope. Die strategische Ausrichtung gewann dadurch an vermehrter Kohärenz. Nach der Zusammenlegung der verschiedenen Eidgenössischen Forschungsanstalten unter dem Namen Agroscope befinden sich die seit Ende der Neunzigerjahre eingeleiteten Reformen in der Konsolidierungsphase. Das BLW entwickelte für seine Institute eine Strategie und gab sich zur Verbesserung seiner Steuerung neue Führungsinstrumente wie FLAG-Struktur (Führen mit Leistungsauftrag und Globalbudget), Forschungskonzept, Festlegung von Prioritäten und Schaffung eines Landwirtschaftlichen Forschungsrates als Beratungsorgan. Das BLW erhielt ferner ein kohärentes Informationssystem, das für die Steuerung von Agroscope von grossem Nutzen ist. Es wurde entwickelt, um über das im Rahmen des FLAG-Prozesses geforderte Reporting, die Zufriedenheitsumfragen bei der Kundschaft von Agroscope, die Evaluationen und Peer Reviews sowie die vom Finanzinspektorat des Bundesamtes durchgeführten Prüfungen zu verfügen. Das BLW besitzt damit eine Struktur, die ihm im Hinblick auf die Erreichung seiner Ziele sowie für die Qualität seiner Forschungstätigkeit nützliche Informationen liefert. Das BLW ist bestrebt, den Ergebnissen Rechnung zu tragen und den Empfehlungen Folge zu leisten. Ausserdem verfügt das Bundesamt dadurch über Informationen, anhand derer es die Prioritäten und die wichtigsten Forschungszweige festlegen kann. Das ermöglicht dem BLW, einerseits das Schwergewicht auf wesentliche Bereiche mit dem Ziel des Erhalts und der Förderung bestehender Kompetenzen zu legen und anderseits auf weniger aussichtsreiche Forschungsprojekte zu verzichten.
Teilüberblick über die landwirtschaftliche Forschung in der Schweiz und ihre Finanzierung
Als viel schwieriger erweist es sich hingegen, sich über die landwirtschaftliche Forschung, die vom öffentlichen Sektor finanziert wird, einen Gesamtüberblick zu verschaffen, sobald man über das BLW und Agroscope hinausgeht. Das BLW ist in erster Linie an der Steuerung der Ressourcen interessiert, für die es die rechtliche Verantwortung trägt. Kein anderes Gremium stellt strategische Überlegungen zur landwirtschaftlichen Forschung in der Schweiz an. Das erklärt das Fehlen eines Gesamtüberblicks über alle Mittel, die von der öffentlichen Hand für die landwirtschaftliche Forschung eingesetzt werden. In Ermangelung einer strategischen Vision für die gesamte, vom Bund finanzierten Forschung ist es schwierig, deren Stärken und Schwächen zu benennen; es ist auch nahezu unmöglich, diejenigen Bereiche herauszuschälen, in denen die Schweizer Forschung wettbewerbsfähig ist, oder aber diejenigen Bereiche, die zukunftsträchtig sind und die bevorzugt entwickelt oder verstärkt werden müssten. Es besteht demnach das Risiko einer suboptimalen Ressourcenallokation. Aufgrund des aktuellen Organisationsmodells könnte diese Rolle dem landwirtschaftlichen Forschungsrat übertragen werden. Dieser wurde jedoch in erster Linie als Unterstützungs- und Beratungsorgan im Dienste des BLW konzipiert. Er bemüht sich in geringem Masse um Unabhängigkeit vom Bundesamt, sondern folgt vor allem dessen Gesuchen und Vorschlägen.
Schwierige Positionierung von Agroscope in der Forschungslandschaft
Mangels einer strategischen Vision für den ganzen Forschungsbereich befindet sich Agroscope in der schweizerischen Forschungslandschaft in einer schwierigen Position. Theoretisch wird zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung unterschieden; Erstere ist den Technischen Hochschulen und Universitäten vorbehalten, während sich Agroscope der Letzteren widmen sollte. In der Praxis erweist sich diese Trennung jedoch als unrealistisch, weil zum einen die landwirtschaftliche Forschung traditionell sowieso eher auf die Praxis ausgerichtet ist, und zum andern, weil sich die Technischen Hochschulen und die Universitäten ebenfalls im Segment der angewandten Forschung betätigen. Zur Illustration sei der nationale Forschungsschwerpunkt zum Überleben der Pflanzen erwähnt, der von der Universität Neuenburg geleitet und vom Schweizerischen Nationalfonds finanziert wird; seine Zielsetzungen sind denjenigen von Agroscope sehr ähnlich, obwohl er sich an die Akteure der akademischen Forschung richtet. Die Programme des Schweizerischen Nationalfonds werden auf Antrag des Eidgenössischen Departements des Innern vom Bundesrat verabschiedet und fallen demnach nicht in den Zuständigkeitsbereich des BLW. Generell kann man sagen, dass Agroscope sich im Spannungsfeld zwischen den Ansprüchen der akademischen Forschung und der Neuausrichtung der Fachhochschulen befindet. Hinzu kommt, dass die Indikatoren gemäss Philosophie des FLAG-Modells, die den Einsatz von kommerziellen Leistungen bevorzugen, nicht mit den Indikatoren verglichen werden können, die im Milieu der akademischen Forschung zur Verbesserung der Forschungsqualität entwickelt werden. Es ist bisher nicht gelungen, Anreize zu schaffen, damit Agroscope vermehrt Forschungsgelder bei in- und ausländischen institutionellen Finanzierungsinstanzen beantragt. Solche Indikatoren bezwecken die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Agroscope und letztendlich die qualitative Verbesserung ihrer Forschungstätigkeit.
Weiterbestehende Mängel auf institutioneller Ebene
Alle diese Faktoren sind nur bedingt geeignet, die strategische Steuerung der landwirtschaftlichen Forschung oder diejenige von Agroscope zu erleichtern. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe „Strategische Weiterentwicklung des landwirtschaftlichen Wissenssystems“, die 2008 diskutiert wurden (Zukunftsbild Kooperation oder Integration), wurden abgelehnt oder erhielten zumindest von politischer Seite keine Unterstützung. Die Fragen, die sie thematisierte, haben jedoch nichts von ihrer Aktualität eingebüsst; die Ergebnisse der verschiedenen Berichte verweisen letztendlich alle auf dieselben Schwierigkeiten im institutionellen Bereich: Fragmentierung der Akteure; zu geringe Sichtbarkeit; zu grosse Komplexität des Systems; heterogene Finanzierungsquellen. Zugleich machen die Ergebnisse deutlich, dass Agroscope in ihrer Forschungstätigkeit vermehrt auf die Ansprüche ihrer Kundschaft Rücksicht nehmen sollte und auf europäischer Ebene wettbewerbsfähiger werden muss.
Verbesserungspotenzial und Empfehlungen
Nach Auffassung der EFK braucht es unbedingt eine Gesamtvision der landwirtschaftlichen Forschung; ansonsten lassen sich kaum Verbesserungen erzielen. Der landwirtschaftliche Forschungsrat muss in seiner Funktion gestärkt werden und für die gesamte Forschung ein umfassendes Konzept ausarbeiten. Ferner braucht es einen verlässlichen Gesamtüberblick über alle Mittel der öffentlichen Hand, die für die landwirtschaftliche Forschung bereit stehen. Auf dieser Grundlage könnte der landwirtschaftliche Forschungsrat finanzielle Empfehlungen abgeben.
Was die Steuerung von Agroscope anbelangt, müssen sich die Indikatoren zur Messung der Forschungsqualität stärker nach den Kriterien richten, die für die akademische Forschung gelten. Es braucht eine Strategie, die Agroscope dazu ermutigt, mehr Mittel von Dritten – insbesondere von Finanzierungsinstanzen wie dem Schweizerischen Nationalfonds, der Kommission für Technologie und Innovation oder den Rahmenprogrammen der Europäischen Union - zu beantragen. Die EFK gibt dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement, dem landwirtschaftlichen Forschungsrat und dem Bundesamt für Landwirtschaft sechs Empfehlungen ab.
Die Schlussfolgerungen zum Bericht sowie die Empfehlungen wurden mit dem BLW und mit dem landwirtschaftlichen Forschungsrat diskutiert. Das BLW hat die diversen Sichtweisen der betroffenen Gremien einbezogen um eine gemeinsame Stellungnahme für jede der sechs Empfehlungen vorzulegen. Das BLW sowie der landwirtschaftliche Forschungsrat sind generell mit den Empfehlungen einverstanden. Sie leiten Massnahmen ein, damit die meisten bis Ende 2012 umgesetzt werden können. Das BLW weist darauf hin, dass es die Umsetzung der Empfehlungen nur in seinem Kompetenzbereich beeinflussen kann. Die EFK verfolgt mit Interesse die Umsetzung der Empfehlungen, die zum Ziel haben, der schweizerischen landwirtschaftlichen Forschung mehr Gewicht zu geben und die Transparenz bei der Verwendung der Subventionen zu erhöhen. Die Stellungnahme befindet sich in der Beilage 4 des Berichts.
Originaltext in Französisch