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Forschungsstelle
ASTRA SBT
Projektnummer
SVI2007/007
Projekttitel
Unfallursache 'Unaufmerksamkeit und Ablenkung': Was macht der Mensch am Steuer?
Projekttitel Englisch
Driver Inattention and Distraction’ as Cause of Accident: How Do Drivers Behave in Cars?

Texte zu diesem Projekt

 DeutschFranzösischItalienischEnglisch
Schlüsselwörter
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Kurzbeschreibung
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Projektbeschreibung
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Erwartete Erkenntnisse/ Nutzen, Nutzniesser
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Methoden
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Spezielle Geräte und Installationen
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Allgemeiner Stand der Forschung
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Projektziele
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Forschungsplan
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Umsetzung und Anwendungen
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Literatur
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Erfasste Texte


KategorieText
Schlüsselwörter
(Deutsch)

Verkehrssicherheit, Unfallursachen, Unfallstatistik, Unfallrisiken

Schlüsselwörter
(Englisch)
Traffic safety, accident causes, accident statistics, accident risks
Kurzbeschreibung
(Deutsch)

Im Hinblick auf die Prävention von Unfällen, welche aufgrund der in der Schweiz häufigsten Unfallursache 'Unaufmerksamkeit & Ablenkung' zustande kommen, untersucht dieses Projekt, welche Kategorien von Unaufmerksamkeit & Ablenkung' unterschieden werden müssen und wie häufig diese Kategorien im Schweizer Strassenverkehr vorkommen. Dadurch entsteht erstmalig eine flächendeckende Bestandesaufnahme der Ursachen von Unaufmerksamkeit & Ablenkung am Steuer im realen Strassenverkehr. Durch die Verbindung dieser Daten mit in- und ausländischen Unfallstatistiken und mit experimentellen Studien lassen sich Rückschlüsse auf das mit den einzelnen Kategorien von Unaufmerksamkeit & Ablenkung verbundene Unfallrisiko ziehen.

Die Daten werden mittels Mini-Videokameras in Autos erhoben und mit einem auf der Basis nationaler und internationaler Unfallstatistiken und Studien zu entwickelnden Kategoriensystems codiert. Bei jeder Fahrt werden Zusatzdaten wie z.B. Strassenkategorie erhoben. Ergänzt werden diese Daten durch eine Befragung, welche audio-visuell nicht erfassbare Kategorie von U&A, sowie fahrtübergreifende Merkmale (z.B. Geschlecht, Autotyp) abdecken.

Kurzbeschreibung
(Englisch)

With an eye to the prevention of accidents that are attributable to the most frequent cause of accidents in Switzerland, ‘Driver Inattention and Distraction,’ this research project seeks to determine what categories of ‘Driver Inattention & Distraction’ should be distinguished, and how frequently these categories occur in Swiss road traffic. This would create the first nation-wide survey of causes of Driver Inattention & Distraction in actual road traffic. By examining these data in connection with national and international accident statistics and with experimental studies, conclusions can be drawn about the accident risk associated with the individual categories of Driver Inattention & Distraction.

The data will be collected using mini video cameras in cars and coded using a category system that will be developed based on national and international accident statistics and studies. For each trip, additional data will be gathered, such as type of road. The data will be complemented by a survey that will capture categories of I&D that cannot be tapped audio-visually and also general characteristics not dependent on the particular trip, such as gender and type of automobile.

Projektbeschreibung
(Deutsch)

Im Hinblick auf ein Verkehrsgeschehen mit möglichst wenig Personenschäden und entsprechenden Präventionsmassnahmen ist es unabdingbar, die häufigste Ursache für Unfälle mit Personenschäden in der Schweiz – Unaufmerksamkeit und Ablenkung (U&A) – näher zu untersuchen. Die Studie beantwortet die im Abschnitt Ziele formulierten Fragen.

Das Projekt setzt bei einer Analyse und Zusammenführung national und international bestehender Kategoriensystemen zu U&A an. Aufgrund dessen wird ein Kategoriensystem entwickelt, mittels welchem die Häufigkeit verschiedener Arten U&A im Schweizer Strassenverkehr erhoben wird.

Aufgrund einer sorgfältigen Analyse der verschiedenen Vor- und Nachteile wird vorgeschlagen, die Erhebungen von U&A in diesem Projekt mittels Videoaufnahmen durch in Autos installierte Minikameras durchzuführen. Die vorläufige Evaluation solcher Geräte inkl. praktischer Kameratests hat ergeben, dass dies grundsätzlich machbar ist. Die Codierung der Aufnahmen erfolgt auf der Basis des entwickelten Kategoriensystems. Ergänzt werden die Videoaufnahmen durch einen Fragebogen, mittels welchem fahrtenunabhängige Daten (z.B. Geschlecht, Autotyp) und audio-visuell nicht erfassbare Daten (z.B. kognitiv bedingte Unaufmerksamkeit) erhoben werden.

Die Endkonfiguration der Videoaufnahmegarnitur und dessen Installation in verschiedenen Autotypen wird in einer Testphase intensiv getestet. In dieser Testphase werden auch das Kategoriensystem und der Fragebogen überprüft. Aufgrund dessen, dass die endültige Machbarkeit sowie die Richtigkeit des geschätzten (De-)Installations- und Codierungsaufwand erst aufgrund dieser Testphase ersichtlich wird, wird am Schluss der Testphase ein Go/NoGo-Entscheid gefällt, der beiden Vertragspartnern eine Entscheidungsmöglichkeit gibt, das Projekt abzubrechen. Das Restrisiko wird für beide Parteien auf ein Minimum reduziert.

Erhoben werden anschliessend gesamthaft 750 Fahrstunden von 150 Personen in der Deutschschweiz und der Romandie. Das Hauptresultat der Auswertungen besteht im Vergleich der Auftretenshäufigkeit der verschiedenen U&A-Kategorien pro Zeiteinheit sowie der durchschnittlichen Dauer der Ablenkung pro Kategorie, differenziert nach verschiedenen Kriterien (z.B. Autotyp, Geschlecht, Strassenkategorie).

Rückschlüsse auf das Unfallrisiko sind bei Kategorien, welche in den Unfallstatistiken verwendet werden (z.B. Telefonieren am Steuer), mittels Vergleich zwischen Unfallursachen- und Auftretenshäufigkeit möglich.

Bei U&A-Kategorien, welche nicht in den Unfallstatistiken ausgewiesen sind, werden Rückschlüsse auf das Unfallrisiko interpretativ auf der Basis folgender Kriterien vollzogen:

• Unfallursachenhäufigkeiten einzelner U&A-Kategorien in Studien (z.B. Stutts et al., 2001) .

• Unfallursachenhäufigkeiten einzelner U&A-Kategorien von ausländischen Unfallstatistiken.

• Experimentelle Studien zu Einschätzung der Ablenkungsstärke einzelner U&A-Quellen.

• Auftretenshäufigkeiten kombinierter U&A-Quellen. Z.B. wird evtl. weniger telefoniert, wenn noch andere Ablenkungsquellen (z.B. Musik, Kinder usw.) präsent sind.

• Dauer der Ablenkung pro Auftreten.

Ergebnisse dieser Studie sind

• ein theoretisch fundiertes und praxistaugliches Kategoriensystem von U&A.

• eine Erhebungsmethodik, mit welcher die Auftretenshäufigkeit und Dauer von U&A in den einzelnen Kategorien in der Schweiz präzis und differenziert erhoben werden kann. Die Häufigkeiten können nach verschiedenen Kriterien (z.B. Alter, Autotyp, Strassenkategorie usw.) ausgewertet werden.

• eine Schätzung des Unfallrisikos der U&A-Kategorien.

• eine Basis für a) zielgruppenorientierte, b) datenbasiert geplante und umgesetzte sowie c) auf ausgewählte U&A-Kategorien zugeschnitte Präventionsarbeit.

• eine Methodik, welche Nachfolgeuntersuchungen ermöglicht (Monitoring, Evaluationen).

• eine Basis zur gezielten Optimierung und Ergänzung von Unfallprotokollen.

Erwartete Erkenntnisse/ Nutzen, Nutzniesser
(Deutsch)

U&A am Steuer ist die häufigste Ursache für Unfälle in der Schweiz. Das Phänomen ist jedoch sehr unspezifisch und es ist nicht klar, was darunter fällt und was nicht.

• Die Studie erarbeitet deshalb ein theoretisch fundiertes und praxistaugliches Kategoriensystem von U&A.

• Die Studie entwickelt eine Erhebungsmethodik, mit welcher die Auftretenshäufigkeit und Dauer von U&A in den einzelnen Kategorien bei Privatpersonen in der Schweiz präzis und differenziert erhoben wird. Die Häufigkeiten können nach verschiedenen Kriterien (z.B. Alter, Autotyp, Strassenkategorie usw.) ausgewertet werden.

• Die Studie schätzt das Unfallrisiko der U&A-Kategorien mittels der Dauer der Ablenkung, des Ver-gleichs von Unfallursachenhäufigkeiten und Auftretenshäufigkeiten der U&A-Kategorien, sowie durch Beizug von Studien zur Abklärung der Ablenkungsstärke einzelner U&A-Kategorien.

Methoden
(Deutsch)

1. Literatur-, Internet- und Statistikanalyse

Die Literatur- und Internet-Analysen, ergänzt mit Analysen von Unfallstatistiken und direkten Anfragen bei Amtstellen, werden folgende Ergebnisse bringen:

• Überblick über Definitionen und Konkretisierungen von U&A.

• Überblick, Vergleich existierender Kategoriensysteme von U&A national und international.

• Synthese der Kategoriensysteme zu einem vorläufigen, einsetzbaren Kategoriensystem, welches in der Testphase geprüft und gegebenenfalls modifiziert wird.

• Hinweise auf die Unfallrisiken aufgrund der Ablenkungsstärke verschiedener U&A-Kategorien.

• Überblick über und Vergleich der verfügbaren Statistiken zur Häufigkeit der einzelnen U&A-Kategorien als Ursache von Unfällen in der Schweiz, drei ausgewählten Ländern Europas und den USA .

Die Erkenntnisse aus der Literatur- Internet- und Statistikanalyse bilden die Grundlage für die Entwick-lung des zu verwendenden Kategoriensystems, die Detailausarbeitung des Erhebungsinstruments sowie die Analyse der mit den einzelnen U&A-Kategorien verbundenen Unfallrisiken.

Seitens der bfu ist zurzeit ein sehr umfangreiches Sicherheitsdossier zum Thema 'Fahrfähigkeit' in Ar-beit. Darin ist U&A Bestandteil. Im Rahmen dieses ersten Arbeitsschritts soll deshalb auch festgelegt werden, wie die hier vorgeschlagene Forschungsarbeit mit diesen Arbeiten abgestimmt werden kann.

2. Erhebungsinstrumente

A: Auswahl des Beobachtungsinstruments: Ziel ist eine möglichst vollständige, zuverlässige und genaue Datenerhebung, welche mit bestimmten Randbedingungen (Personendaten, Fahrzeugdaten, Fahrtdaten) zum Zweck der differenzierten Auswertung verknüpft werden kann. Aufgrund eines detaillierten Vergleichs der drei Erhebungsmethoden Befragung, Zeitpunktbeobachtung (vom Strassenrand aus oder Fotografien) und Dauerbeobachtung mittels Video (vgl. Beilage, S. 5) wird die Beobachtung der Fahrenden durch in den Autos installierte Minivideokameras gewählt. Der Hauptnachteil dieser Erhebungsmethode, die erhöhte Reaktivität, wird im Wesentlichen durch drei Massnahmen so weit wie möglich entschärft:

• Kamerainstallation: Möglichst unauffällige Platzierung möglichst kleiner Kameras.

• Gewöhnungsphase: Die Kameras werden zwei Wochen in den Autos platziert, wovon nur in der zweiten Woche Aufnahmen gemacht werden.

• Befragung: Kombination der Videoaufnahmen mit einer Befragung der teilnehmenden Personen, um nicht beobachtbare kognitive Ablenkungen sowie Ablenkungen, welche aufgrund der Kamera-präsenz unterdrückt werden (verbotene Handlungsweisen), näherungsweise erheben zu können.

B: Beschreibung Videoset: Weil nur Aufzeichungsgeräte mit AV-Videosignaleingängen (AV=Audio/Video) standardmässig die Fähigkeit haben, mehrere Videosignalen gleichzeitig zu verarbeiten, sind Kleinkameras vorgesehen, welche die entsprechenden AV-Ausgänge haben. Verwendet werden drei Kameras, wovon eine die Sicht des Fahrers widerspiegelt, eine den Innenraum des Autos mit Geräten und eine das Gesicht des Fahrers aufnimmt. Der Strom für die Kameras wird vom Aufnahmegerät bezogen. Die im Praxistest verwendete Kamera ist mit Mikrofon, Infrarotstrahlern und auswechselbarem Objektiv ausgerüstet und hat eine Grösse von ca. 2x3x2 cm. Die Testbilder sind in der Beilage, S. 7 abgebildet. Die getestete Kamera befriedigt bzgl. Nachtaufnahmen mit Infrarot noch nicht vollständig. Die drei Anschlüsse je Kamera werden an einen Mehr-Kanal Video Recorder (DVR) angeschlossen, welche die Bilder in einem handelsüblichen Format abspeichert und die Signale der drei Kameras selbständig synchronisiert und in einer Datei abspeichert. Der Strom wird über den Zigarettenanzünder des Autos bezogen. Danach wird die Datei auf einen Computer transferiert, wo sie mit einer gängigen Videosoftware (z.B. VLS, iMovie, Quickti-me) abgespielt werden kann. Die Datei enthält einen Film, dessen Bild in vier Teilbilder mit Zeitein-blendung geteilt ist (vgl. Abb. Beilage, S. 7).

C: Befragung: Die Videoaufnahmen werden pro Person von einem schriftlichen Fragebogen (ca. 4 A4-Seiten) begleitet, mittels welchem folgende Daten erhoben werden:

• Zusatzdaten zur Person (Alter, Geschlecht usw.)

• Zusatzdaten zum Auto (Typ, Ausstattung etc.)

• kognitive U&A

• reaktivitäts-kritische U&A (z.B. verbotene Handlungsweisen wie die Benutzung von Mobilfunktele-fonen ohne Freisprecheinrichtung)

3. Testphase

In der Testphase werden Kategoriensystem, Fragebogen und insbesondere die technischen Geräte und Installation Tests unterzogen, welche genau wie die geplante Datenerhebung durchgeführt werden. Für die Codierung des Videomaterials nach dem Kategoriensystem werden Leitlinien entwickelt. Obwohl die ersten technischen Abklärungen und Praxistests erfolgreich verlaufen sind, besteht die notwendige Sicherheit bzgl. der Funktionstüchtigkeit der Geräte erst, wenn das Gesamtpaket in seiner vollen Anwendung (Zusammenstellung der Geräte, Installation, Datentransfer, Verarbeitung) getestet werden konnte.

Das Projekt wird deshalb in zwei Phasen geteilt. Die erste Phase umfasst die Literatur- Internet- und Sta-tistik-Analyse sowie die Evaluation und das Testen der technischen Apparatur und der Auswertungs-praktikabilität. Wenn diese Testphase erfolgreich abgeschlossen ist, wird die zweite Phase nur mit Einverständnis sowohl des Auftraggebers (vertreten durch die Begleitkommission) als auch des Auftragnehmers freigegeben.

4. Datenerhebung

Die Datenerhebung basiert auf den Videoaufnahmen und der Befragung der beobachteten Personen und erfolgt von den Zentren Zürich und Neuchâtel aus. Die Stichprobe umfasst rund 750 Fahrstunden, welche auf gesamthaft 150 Privat-Personen verteilt sind. Die beobachteten Personen werden mittels Schneeballverfahren rekrutiert. Berufsverkehr wird aus Budgetgründen nicht erfasst. Um ein repräsentatives Abbild der privaten AutofahrerInnen zu erreichen, wird die Auswahl der Personen anhand von Quoten der wichtigsten Auswertungskriterien (z.B. Landesteil, Alter, Fahrzeugtyp) vorgenommen. Die Untersuchungszeit beträgt zwei Wochen, wovon zur Reaktivitäts-Reduktion in der ersten Woche keine Aufnahmen gemacht werden (Gewöhnungseffekt). In einer spezifischen Umgebung werden neue Objekte stärker wahrgenommen, weil die Wahrnehmung von der Kontexterwartung mitgesteuert wird. Gewöhnungseffekte entstehen im vorliegenden Fall deshalb, weil die installierte und sichtbare Kamera während der ersten Woche in die Kontexterwartung integriert werden (siehe dazu Zimbardo & Gerrig, 2004). Eine Gewöhnungsphase wurde in keiner der konsultierten Studien verwendet, welche mit Videokameras im Fahrzeug arbeiteten (z.B. Stutts et al. 2005). Der Fragebogen wird zu Beginn der Beobachtungszeit abgegeben und muss innerhalb der ersten Woche zurückgeschickt werden.

Es werden gesamthaft zehn Videoaufnahme-Pakete angeschafft, was zu einer Gesamterhebungszeit von ca. sieben Monaten führt und somit Sommer, Winter und eine Übergangsjahreszeit abdeckt. Die technischen Geräte werden von MitarbeiterInnen des Forschungsteams installiert und bedürfen keinerlei Manipulationen durch die LenkerInnen. Um die Reaktivität der Personen weiter zu minimieren, wird den Personen eine Geheimhaltungszusicherung ausgehändigt. Ausgenommen werden dabei gesetzliche Auflagen, nach denen die Daten den Behörden ausgehändigt werden müssten (z.B. Offizialdelikte).

5. Auswertung, Empfehlungen

A: Datenerfassung: Für die Datenerfassung werden die Videoaufnahmen in Zeiteinheiten von ca. 10 Minuten unterteilt und die Häufigkeiten der einzelnen U&A-Kategorien sowie die dazugehörenden Zusatzdaten pro 10 Minuten von Hilfskräften notiert. Die Kategorisierung erfolgt entlang der in der Testphase entwickelten Leitlinien. Ein beobachteter Fall umfasst somit eine 10-minütige Fahrt. 10 Minuten wird vorgeschlagen, um Kriterien, welche sich während der Fahrt ändern (Strassenkategorie, Witterung, Verkehrsaufkommen usw.) pro Fall möglichst konstant zu behalten. Dies führt zu einer Auswertungsbasis von rund 4500 Fällen.

B: Datenauswertung: Das Hauptaugenmerk der Auswertung liegt aufgrund der Ausschreibung auf der quantitativen Abbildung des Phänomens U&A in der Schweiz. Mit der beschriebenen Datenerfassung ist es möglich, die Häufigkeiten des Auftretens der einzelnen U&A-Kategorien nach Zeit aber auch nach Personendaten (z.B. Geschlecht) oder Autodaten (z.B. SUV vs. Kleinwagen) oder Fahrtdaten (z.B. Strassenkategorie) auszuwerten. Die Basiseinheit der Zeit ist deshalb wichtig, weil die absolute Häufigkeit nur in Verbindung mit einem Kriterium Sinn macht. In den Unfallstatistiken ist dieses Kriterium ein Unfall. Dadurch, dass die Häufigkeit pro Zeiteinheit angegeben wird, kann via Mikrozensus-Daten (Unterwegs-Zeiten) ein Vergleich mit der Häufigkeit von Unfällen pro Zeiteinheit hergestellt werden. Dies erlaubt eine grobe Beurteilung des Verhältnisses zwischen U&A-Vorfällen und U&A-Unfällen. Voraussetzung dazu ist, dass die Kategoriensysteme in Übereinstimmung gebracht werden können, was durch die Analyse der Kategoriensysteme sichergestellt wird.
Im Hinblick auf die mit den einzelnen Kategorien verbundenen Unfallrisiken sind besonders jene Kate-gorien interessant, welche auch in den Unfalldatenbanken verwendet werden, z.B. Telefon, elektroni-sche Geräte (vgl. ASTRA, 2007b).
Das Hauptresultat in dieser Auswertungsphase besteht im Vergleich der Auftretenshäufigkeit der ver-schiedenen U&A-Kategorien pro Zeiteinheit sowie der durchschnittlichen Dauer der Ablenkung pro Kategorie, differenziert nach verschiedenen Kriterien. Aufgrund der kleinen Personenstichprobe ist es jedoch nicht möglich, mehr als drei bis vier Kriteriumskategorien zu bilden (z.B. drei oder vier Alterskategorien).

C: Rückschlüsse auf das Unfallrisiko: Bei jenen Kategorien, welche in den Unfallstatistiken verwendet werden (z.B. Telefon, elektrische Gerä-te), kann ein direkter Vergleich zwischen Unfallursachen- und Auftretenshäufigkeit und damit ein Schluss auf das Unfallrisiko vorgenommen werden.
Rückschlüsse auf das Unfallrisiko von U&A-Kategorien, welche nicht in den Unfallstatistiken ausge-wiesen sind, müssen interpretativ vollzogen werden. Basis für diese Interpretationen sind:

• Unfallursachenhäufigkeiten einzelner U&A-Kategorien in Studien (z.B. Stutts et al., 2001) .

• Unfallursachenhäufigkeiten einzelner U&A-Kategorien von ausländischen Unfallstatistiken.

• Experimentelle Studien zu Einschätzung der Ablenkungsstärke einzelner U&A-Quellen.

• Auftretenshäufigkeiten von kombinierten U&A-Quellen. Z.B. wird evtl. weniger telefoniert, wenn noch andere Ablenkungsquellen (z.B. Musik, Kinder usw.) präsent sind.

• Dauer der Ablenkung pro Auftreten. Das Einstellen der Lüftung kann z.B. mit einem 0.5-Sek.-Blick vorgenommen werden, während es deutlich länger braucht, eine Karte zu konsultieren. Dies dürfte starke Hinweise auf das Unfallrisiko geben.

D Empfehlungen: Den Abschluss der Auswertung bildet die Erarbeitung von Empfehlungen zur Durchführung von Präventionsmassnahmen, zur Ergänzung, Differenzierung und Vereinheitlichung von Unfallprotokollen und -Statistiken im Bereich U&A, sowie zu Forschungslücken in diesem Themenbereich.

Spezielle Geräte und Installationen
(Deutsch)
15 Videoaufnahme-Sets bestehend aus: 3 Minikameras mit Infrarot und Mikrofon, 1 Mehrkanal Video-Recorder (DVR), Adapter für den Strombezug aus dem Zigarettenanzünder des Autos, Verbindungskabel
Allgemeiner Stand der Forschung
(Deutsch)

Grundsätzlich sind in der Literatur zwei Definitionsansätze zu finden: Theoriegeleitete Annäherungen und praktisch orientierte Definitionen.

Definition und Kategoriensysteme

Theoriegeleitete Annäherungen an das Phänomen U&A beruhen entweder auf der Control Theory (She-ridan, 2004) oder werden aus dem Themengebiet der geteilten Aufmerksamkeit oder von der Arousal Theory abgeleitet (Übersichten: Reed, 2007; Pashler, 1999; Otzelberger et al., 1998).

Aufgrund der daraus resultierenden verschiedenen Definitionen sind auch unterschiedliche Kategoriensysteme in Verwendung. Die Einteilung der NHTSA teilt die einzelnen Ursachen in vier mögliche Formen einteilt: visuell bedinge U&A, auditiv bedingte U&A, biomechanisch bedingte U&A (z.B. an Gerät hantieren, Insekten verscheuchen), kognitiv bedingte U&A (z.B. gedankliche Abwesenheit). Young (2003) wiederum unterteilt die Ursachen von U&A wiederum in 'technologie-basiert' und 'nicht technologiebasiert'. In weiteren Studien finden sich Kategoriensysteme, welche konkrete Ursachen als Basis für die Kategorienbildung nehmen. Beispiele dazu finden sich Stutts et al. (2001, 13 Kategorien) und Hanowski et al. (2005, 35 Kategorien).

In der Liste der Unfallursachen des ASTRA (2007a) werden zehn Kategorien unterschieden, wobei im Unfallprotokoll des ASTRA (ASTRA, 2007b) nur deren fünf verwendet werden. In den Unfallstatistiken des Kantons Basel-Stadt (Kantonspolizei Basel-Stadt, 2007) und der Stadt Zürich (Stadt Zürich, 2007) wird U&A jeweils nicht weiter unterteilt.

Im Hinblick auf das Kategoriensystem (FF1), welches für die Bestandesaufnahmen (FF2) verwendet werden soll, kann resp. muss somit auf eine sehr heterogene Basis zugegriffen werden. Die erweiterte Dokumentenanalyse wird ihr Augenmerk insbesondere auf die Vergleichbarkeit und Praxistauglichkeit sowie auf die Beobachtbarkeit der einzelnen Kategorien richten müssen.

Im Hinblick auf die Bestandesaufnahme (FF2) stellt sich die Frage, welche Erhebungsmethodik verwendet werden soll.

Es existieren sehr viele Studien über U&A am Steuer, welche aber zu einem sehr grossen Teil den Ein-fluss von technologischen Geräten wie Radio, Navigationsgeräten, Mobilfunk usw. (zusammengefasst als IVIS – in-vehicle information systems) auf U&A experimentell untersuchen (Übersichten z.B. in Haigney et al., 2001; Otzelberger, B., 1998). Die Untersuchungen finden in der Regel im Labor (Fahrsimulatoren) oder auf Teststrecken mit einer kleinen Stichprobe statt. U&A als abhängige Variable wird dabei mit raffiniertem Datenaufzeichnungs-Equipment über das Verhalten (z.B. Brems-, Steuerverhalten) und/oder über Pupillenbewegungen gemessen. Die unabhängigen Variablen sind jeweils einzelne U&A-Ursachen, z.B. Telefonieren am Steuer, welche im Experiment jeweils durch eine Aufgabenstellung induziert werden. In Studien, welche Teststrecken verwenden, werden teilweise auch mehrere U&A-Ursachen einbezogen, welche mittels Videokameras in den Autos aufgezeichnet werden.

Methoden zur Erhebung von Unaufmerksamkeit und Ablenkung

In Studien, welche die Häufigkeit von U&A auf der Basis verschiedener Ablenkungsquellen untersuchen, können sechs Erhebungsarten unterschieden werden: Auswertung von Unfallprotokollen (Stutts et al., 2001), Auswertung von Photoaufnahmen (Johnson et al., 2004), Videoaufnahmen durch im Auto in-stallierte Kameras (Stutts et al., 2005; Dingus et al., 2001), Befragungstudien (Hanowski, 2005), Beo-bachtungen vom Strassenrand aus (Horberry et al., 2001) und Beobachtungen durch einen geschulten Mitfahrer (Hutton et al., 2002).

In Bezug auf die Bestandesaufnahme von U&A können die in Frage kommenden Methoden auf drei Ansätze reduziert werden: Zeitpunkt-Beobachtungen (Beobachtungen vom Strassenrand, Auswertung von Photos), Dauer-Beobachtungen (Videokameras im Auto, Beobachter im Auto), sowie Befragungen.

Unfallrisiken

Die Häufigkeit von U&A als Unfallursache ist aufgrund unterschiedlicher Kategoriensysteme und Erhebungsarten schwer zu vergleichen. In den konsultierten Studien und Statistiken schwanken sie zwischen 12% (Wang et al., 1996, zit. in Sheridan, 2004, S. 588) und 49% (Stutts, 2001, S. 32). Die Zahlen in der Schweiz liegen dazwischen (siehe Projektziele).

Aufgrund der teilweise feinen Aufschlüsselungen (z.B. Stutts, 2001) von U&A ergeben sich erste Hinweise auf die Unfallrisiken.

Das Unfallrisiko ist jedoch nicht nur von der Anzahl Unfälle, welche durch eine U&A-Kategorie bedingt sind, abzuleiten, sondern hängt auch damit zusammen, wie stark eine Aktivität oder ein Ereignis jemanden ablenkt und wie häufig dies geschieht (vgl. Young, 2003, S. 19). Diese Vermischung von Stärke und Häufigkeit liesse sich nur auflösen, wenn das Verhältnis zwischen dem Auftreten der Ablen-kungen ohne und mit Unfallfolgen bekannt ist. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass dieses Verhältnis weder in der Literatur noch in Statistiken zu finden ist.

Weitere Hinweise geben jedoch noch experimentelle Studien, welche das Ausmass der U&A durch eine bestimmte Ablenkungsquelle untersuchen. Diese Studien beschränken sich zumeist auf die Untersuchung von IVIS.

In Bezug auf die Frage des Unfallrisikos (FF3) der einzelnen U&A-Kategorien stellt sich deshalb die Aufgabe, aus den verschiedenen genannten Quellen und aufgrund der zu erhebenden Daten interpretativ Rückschlüsse zu ziehen
Projektziele
(Deutsch)

Gemäss Unfallstatistik ist in der Schweiz gut jeder fünfte Unfall mit Personenschaden auf 'Unaufmerksamkeit und Ablenkung am Steuer' zurückzuführen. Was damit genau gemeint ist, ist bis heute unklar. Präventionsmassnahmen können deshalb nicht datenbasiert geplant werden. Das Projekt verfolgt deshalb das Ziel, folgende Fragen zu klären:

- Was ist unter U&A genau zu verstehen und welche Formen müssen unterschieden werden?

- Wie oft kommen die einzelnen Formen von U&A im Strassenverkehr in der Schweiz vor?

- Welche Unfallrisiken sind mit den einzelnen Formen von U&A verbunden?

Projektziele
(Englisch)

According to accident statistics, at least every fifth accident involving personal injury in Switzerland is caused by ‘Driver Inattention and Distraction.’ But up to now, it is unclear what this exactly is. For this reason, data-based prevention measures cannot be planned. The goal of this research project is therefore to clarify the following questions:

- What exactly is Driver Inattention and Distraction (I&D), and what forms can it assume?

- What is the frequency of the different forms of I&D in road traffic in Switzerland?

- What accident risks are associated with the different forms of I&D?
Forschungsplan
(Deutsch)
Zugehörige Dokumente
Umsetzung und Anwendungen
(Deutsch)

Auf der Basis der in dieser Studie erhobenen Auftretenshäufigkeiten von U&A und der Unfallrisiko-schätzung kann Präventionsarbeit a) zielgruppenorientiert und b) datenbasiert geplant und umgesetzt sowie c) auf ausgewählte U&A-Kategorien zugeschnitten werden.

• Mit der erarbeiteten Methodik sind jederzeit Nachfolgeuntersuchungen möglich (Monitoring, Evalua-tionen).

• Durch die Studie können Unfallprotokolle gezielt mit den wichtigsten U&A-Kategorien ergänzt wer-den, so dass die Unfallstatistiken aussagekräftiger werden.
Literatur
(Deutsch)

ASTRA (2007a). Liste der Unfallursachen. Online: http://www.astra.admin.ch/dokumentation/00117/00206/00400/index.html?lang=de

ASTRA (2007b). Neues Unfallaufnahmeprotokoll. Online: http://www.astra.admin.ch/dokumentation/00117/00206/00400/index.html?lang=de

BFS (2007). Statistik der Strassenverkehrsunfälle. Online: http://superweb-guest.bfs.admin.ch

Dingus, T. A. & Neale, V. L., et al, (2001). Impact of Sleeper Berth Usage on Driver Fatigue, FMCSA Report No. RT-02-050, Nov. 2001. Online: http://www.fmcsa.dot.gov/facts-research/research-technology/tech/Sleeper-Berth-Technical-Briefing.htm. Download: 2.10.2007

Haigney, D. & Westerman, S. J. (2001). Mobile (cellular) phone use and driving: A critical review of research me-thodology. Ergonomics, 44(2). 132-143.

Hanowski, R. J., Perez, M. A. & Dingus, T. A. (2005). Driver distraction in the long-haul truck drivers. Transpor-tation Research Part F, 8, 441-458.

Horberry, T., Bubnich, C., Hartley, L. & Lamble, D. (2001). Drivers’ use of hand-held mobile phones in Western Australia. Transportation Research Part F, 4, 213-218.

Hutton, K. A., Sibley, C. G., Harper, D. N. & Hunt, M. (2002). Modifying driver behaviour with passenger feed-back. Transportation Research Part F, 4, 257-269.

Johnson, M. B., Voas, R. B., Lacey, J. H., Mcknight, A. S., Lange, J. E.(2004). Living dangerously: driver distrac-tion at high speed. Traffic Injury Prevention, 5(1), 1-7.

Kantonspolizei Basel-Stadt (2007). Strassenverkehrsunfälle 2006. Basel Stadt: Kantonspolizei Basel-Stadt.

Otzelberger, B. & Schmotzer, C. (1998). Nebentätigkeiten beim Autofahren unter besonderer Berücksichtigung des Telefonierens. Wien: Kuratorium für Verkehrssicherheit.

Pashler, H.E. (1999) The psychology of attention. MIT, Cambridge.

Pettitt, M.; Burnett, G. & Stevens, A. (2005). Defining Driver Distraction. Paper presented at World Congress on Intelligent Transport Systems. San Francisco, November 2005.

Reed, S. K. (2007). Attention. In S. K. Reed: Cognition, Theory and Application, Kap. 3. Belmont, CA: Thompson – Wadsworth.

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Stutts, J., Feaganes, J., Reinfurt, D., Rodgeman, E., Hamlett, C., Gish, K. & Staplin, L. (2005). Driver’s exposure to distractions in their natural driving environment. Accident Analysis and Prevention, 37, 1093-1101.

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Zimbardo, P. G. & Perrig, R. J. (2004). Psychologie. 16. Aufl. Kapitel 5: Wahrnehmung. S. 157 – 202. München: Pearson Education.