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Forschungsstelle
SECO
Projektnummer
RFA 2008-03
Projekttitel
Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision des Epidemiengesetzes

Texte zu diesem Projekt

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Schlüsselwörter
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Untersuchte staatliche Massnahme
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Gesetzliche Grundlage der Wirksamkeitsüberprüfung
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Bezug zu den politischen Schwerpunkten des Bundesrates
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Executive summary/ Handlungsempfehlung
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Politische Schlussfolgerungen des Bundesrates
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Publikationen / Ergebnisse
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Erfasste Texte


KategorieText
Schlüsselwörter
(Deutsch)
Krankheitsbekämpfung, Übertragbare Krankheiten des Menschen, Epidemien, Volkswirtschaftliche Auswirkungen, Regulierungsfolgenabschätzung (RFA)
Untersuchte staatliche Massnahme
(Deutsch)
Revision des Epidemiengesetzes
Gesetzliche Grundlage der Wirksamkeitsüberprüfung
(Deutsch)
Parlamentsgesetz (Art. 141, Abs. 2), Bundesratsbeschluss vom 18. Januar 2006 (Vereinfachung des unternehmerischen Alltags)
Bezug zu den politischen Schwerpunkten des Bundesrates
(Deutsch)
Ziel 2007-11 Die Sozialwerke zukunftsfähig ausgestalten und die Gesundheitsprävention konsolidieren
Executive summary/ Handlungsempfehlung
(Deutsch)
Einleitung

Das geltende Epidemiengesetz stammt aus dem Jahr 1970. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes haben sich die Bedingungen, unter welchen die öffentliche Gesundheit gegen übertragbare Krankheiten geschützt werden muss, stark verändert. Folgende Entwicklungen sind in diesem Zusammenhang relevant:

  • Ausmass und Geschwindigkeit der Ausbreitung von übertragbaren Krankheiten haben mit steigender Mobilität und Globalisierung stark zugenommen: Epidemien werden vermehrt zu supranationalen Problemlagen bzw. Pandemien, die nur über ein international koordiniertes Vorgehen erfolgreich bekämpft werden können.
  • Neue Krankheiten sind aufgetreten. Zu nennen sind insbesondere Aids, SARS, die Vogelgrippe und neue Varianten der Creutzfeldt-Jakob Krankheit.
  • Neue Eigenschaften bekannter Krankheitserreger sind aufgetreten, unter anderem durch Mutationen (Beispiel: Medikamentenresistenzen).
  • Es gibt neue Varianten der Verbreitung von Krankheitserregern. Dabei ist insbesondere der Bioterrorismus zu nennen.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erachten Expertinnen und Experten die bestehenden Bestimmungen zur Bewältigung einer gesundheitlichen Notlage in der Schweiz als zu lückenhaft und zu unspezifisch. Zudem wird darauf verwiesen, dass das Gesetzmässigkeitsprinzip unter der geltenden Rechtsordnung immer wieder strapaziert werde, so dass letztlich die Rechtssicherheit im Sinne der Voraussehbarkeit staatlichen Handelns nicht mehr in genügender Art und Weise gewährleistet ist.


Fragestellungen

Die Regulierungsfolgenabschätzung (RFA) soll grundsätzlich Resultate zu den folgenden fünf RFA-Prüfpunkten liefern:

  • Erstens: Notwendigkeit und Möglichkeiten staatlichen Handelns
  • Zweitens: Auswirkungen auf die einzelnen gesellschaftlichen Gruppen
  • Drittens: Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft
  • Viertens: Alternative Regelungen
  • Fünftens: Zweckmässigkeit im Vollzug

Im Zentrum der vorliegenden Regulierungsfolgenabschätzung steht die Quantifizierung der Kosten und der Nutzen, die als kausale Folgen der Verhütungs- und Bekämpfungsmassnahmen, die im neuen Gesetzestext vorgesehen sind, beim Staat, in der Wirtschaft, im Gesundheitswesen und bei der Bevölkerung anfallen dürften.


Vorgehen

Die vorliegende RFA basiert auf dem Vorentwurf des EpG vom 21.12.2007 für die Vernehmlassung sowie die Neuformulierungen der Bestimmungen zu Impfungen und Finanzierung vom 11.06.2008.

Im Rahmen der Untersuchung wurde ein Wirkungsmodell entwickelt, welches auf den Erkenntnissen einer ersten Regulierungsfolgenabschätzung (Infras 2007) sowie Vorarbeiten des BAG und des SECO beruht. Dabei wird unterschieden zwischen einem Kosten- und einem Nutzenmodell.

Die Kosten der Revision des Epidemiengesetzes wurden einerseits mittels einer Online-Befragung bei Institutionen des Gesundheitswesens sowie bei betroffenen Betrieben der Wirtschaft erhoben. Zur Teilnahme an der Befragung wurden insgesamt 5'000 Unternehmen eingeladen. Andererseits wurden mittels Expertengesprächen sowie Zusatzerhebungen die Kosten des Bundes und der Kantone erhoben. Die Kosten der Gemeinden waren nicht Gegen-stand der Untersuchung.

Grundsätzlich wurden die Kosten im Zusammenhang mit Massnahmen aufgrund des geltenden Epidemiengesetzes für das Jahr 2008 erhoben (mit gewissen Einschränkungen) sowie die zusätzliche Kosten, die von den betroffenen Unternehmen und Körperschaften aufgrund des revidierten Gesetzesentwurfs vom Oktober 2008 erwartet werden.

Die Nutzen der Revision des Epidemiengesetzes wurden anhand von vier Fallbeispielen von Epidemien ermittelt, welche durch das BAG aufgrund von Kriterien der Repräsentativität ausgewählt worden sind: Masern, HIV/Aids, Vogelgrippe und SARS. Dabei wurden Expertengespräche und Literaturanalysen durchgeführt. Die Ermittlung des Nutzens beschränkte sich auf die zusätzlichen Nutzen, welche aufgrund der Revision erwartet werden.

Als Basisjahr für die erstellte Kosten-Nutzen-Analyse gilt das Jahr 2008, die Untersuchung beschränkt sich auf das Gebiet der Schweiz.


Ziele der Revision EpG

Die Revision des Epidemiengesetzes (EpG) verfolgt die folgenden Hauptzielsetzungen:

  • Verbesserung der Bewältigung besonderer und ausserordentlicher Lagen.
  • Verbesserte Arbeitsteilung zwischen Bund und Kantonen, Entflechtung der Aufgaben.
  • Verankerung des Doppelzwecks «Sicherheit und Gesundheit» in einem Zweckartikel.
  • Schaffung der gesetzlichen Grundlage für eine verbesserte internationale Zusammenarbeit.
  • Ausgestaltung der Massnahmen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen.
  • Verankerung von Datenschutzbestimmungen.
  • Formeller Revisionsbedarf.

Notwendigkeit und Möglichkeiten staatlichen Handelns

Aus den in der Einleitung erwähnten Gründen ist eine Revision des EpG notwendig: Erstens sind neue Krankheiten und zweitens neue Eigenschaften bekannter Krankheitserreger aufgetreten, drittens gibt es neue Varianten der Verbreitung von Krankheitserregern. Viertens – und am wichtigsten – hat sich die öffentliche Gesundheit zunehmend zu einem globalen öffentlichen Gut gewandelt. Diese gravierende Veränderung ist darauf zurückzuführen, dass die Globalisierung der Produkt- und Dienstleistungsmärkte mit einer erhöhten transnationalen, sogar transkontinentalen Mobilität von Menschen und Gütern einherging. Ein Vorgehen gegen übertragbare Krankheiten mit international abgestimmten Verhütungs- und Bekämpfungsmassnahmen bedingt aber international bindende Rechtsregeln, auf welche die nationalen Gesetzgebungen abzustimmen sind.


Neuerungen

Die Voraussetzungen zur Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten ändern sich mit der Revision des Epidemiengesetzes nicht fundamental. Insbesondere wird das verfügbare Instrumentarium von Massnahmen gegenüber einzelnen Personen und der Bevölkerung, die verfassungsmässig geschützte Grundrechte tangieren können, nicht erweitert. Die wichtigste Änderung, die aufgrund der Revision im Vollzug zu erwarten ist, betrifft die Organisation der Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten:

  • Erstens wird ein neues dreistufiges Eskalationssystem eingeführt, das auf die internationale Organisation der Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten abgestimmt ist: der Dualismus «Normale Lage – Ausserordentliche Lage» im geltenden EpG soll zugunsten der Triade «Normale Lage – Besondere Lage - Ausserordentliche Lage» aufgegeben werden.
  • Zweitens wird die Führungs- und Koordinationsrolle des Bundes in besonderen Lagen, d.h. in epidemiologischen Situationen, in denen die Kantone mit der Eindämmung und Kontrolle überfordert sind, gestärkt.
  • Drittens wird die strategische Führungsrolle des Bundes auch in epidemiologischen Situationen, die im Rahmen einer normalen Lage bekämpft werden können, gestärkt. Dies gilt insbesondere im Bereich der Impfungen.

Bezüglich der Palette der gesetzlich vorgesehenen Massnahmen zur Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten sind insbesondere die folgenden drei Neuerungen zu nennen, die in der Rechtspraxis bzw. im Vollzug gemäss den Erwartungen zu merkbaren Auswirkungen führen werden:

  • Verhütung von nosokomialen Infektionen und von medikamentenresistenten Erregern (Art. 42 und 43): Mit Art. 42 im revidierten EpG werden Spitäler und Institutionen für ambulante operative Eingriffe neu verpflichtet, eine landesweit einheitliche Regelung für die Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen und von medikamentenresistenten Krankheitserregern zu erarbeiten und zu befolgen. Darüber hinaus sollen die betroffenen Institutionen des Gesundheitswesens mit Art. 43 verpflichtet werden, das Auftreten von nosokomialen Infektionen und von medikamentenresistenten Krankheitserregern fortlaufend aufzuzeichnen und periodisch dem BAG zu melden.
  • Massnahmen im Waren- und Güterverkehr (Art. 45): Mit dem neuen, von den Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) aus dem Jahr 2005 inspirierten Art. 45 im revidierten EpG kann der Bundesrat neu Vorschriften über den Transport sowie die Ein-, Aus- und Durchfuhr von Waren und Gütern erlassen, die Träger von Krankheitserregern sein können. Vorgesehen sind insbesondere Untersuchungen von Waren, Schutzmassnahmen und Einschränkungen bzw. Verbote für den Transport sowie die Ein- und Ausfuhr.
  • Mitwirkung im internationalen Reiseverkehr: Bereits unter dem geltenden EpG waren Unternehmen der Luftfahrt zur Mitwirkung der Bekämpfung von Epidemien bei der Einreise von Personen des internationalen Personenverkehrs verpflichtet. Mit Art. 41 im revidierten EpG wird die Mitwirkungspflicht auf alle Unternehmen ausgedehnt, die im Bereich Verkehr, Transport und Reisen tätig sind.
Kosten Bund

Die jährlichen (Voll-)Kosten, die der Bund im Jahr 2008 aufgrund des geltenden EpG zu tragen hatte, und die zusätzlichen Kosten, die der Bund aufgrund der Revision des EpG erwartet, wurden mittels Experteninterviews und Analysen von internen Finanz- bzw. Kostendaten des BAG ermittelt.

Unter dem geltenden EpG hat der Bund jährlich rund 34.3 Millionen Franken für die Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten ausgegeben. Die grössten Kostenpositionen waren dabei auf Massnahmen im Bereich «Information und Aufklärung» (11 Millionen Franken), «Laboratorien» (5.1 Millionen Franken), «Heilmittel» (4.7 Millionen Franken) und «Meldesysteme» (3.4 Millionen Franken) zurückzuführen.

Aufgrund der Revision des EpG ist beim Bund mit zusätzlichen jährlichen Kosten in der Höhe von 3.6 Millionen Franken zu rechnen, was gegenüber den Kosten unter dem geltenden EpG einer Kostensteigerung von 10.6% entspricht. Rund 46% der zusätzlichen Kosten, nämlich 1.6 Millionen Franken pro Jahr werden im Bereich «Impfungen» erwartet, im Bereich «Laboratorien» zusätzliche 0.5 Millionen Franken. Zusätzliche 450'000 Franken löst die Revision im Bereich der Meldesysteme aus und 400'000 zusätzliche Franken werden vom Bund für die internationale Vernetzung und Koordination der Verhütung und Bekämpfung von Epidemien benötigt.

Die erwarteten zusätzlichen Kosten werden unabhängig von epidemiologischen Ereignissen in einer normalen Lage anfallen. In einer besonderen Lage sind keine Mehrkosten zu erwarten, die ursächlich auf die Revision zurückgeführt werden können. Aufgrund der klareren Krisenorganisation, insbesondere aufgrund der transparenteren Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen in Krisensituationen, ist im Gegenteil eher damit zu rechnen, dass die Kosten, die im Rahmen einer besonderen Lage beim Bund anfallen, sinken werden.


Kosten Kantone

Die jährlichen (Voll-)Kosten, welche die Kantone im Jahr 2008 aufgrund des geltenden EpG zu tragen hatten und die zusätzlichen Kosten, die die Kantone aufgrund der Revision des EpG erwarten, wurden mittels Experteninterviews bei einer Stichprobe von 5 Kantonen ermittelt.

Die Kantone benötigen unter dem geltenden EpG jährlich rund 38 Millionen Franken für die Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten. Die grossen Kostenpositionen sind die gleichen wie beim Bund: Pandemievorbereitung (knapp 10 Millionen Franken), Information und Aufklärung (9.3 Millionen Franken) und Impfungen (8.1 Millionen Franken). Allerdings variieren die monetären Ressourcen, welche die Kantone in die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten investieren, unter den Kantonen sehr stark. Dies zeigen die EpG-induzierten Kosten pro Kopf der Bevölkerung, die unter den im Rahmen der RFA befragten Kantonen zwischen 1.74 und 7.22 Franken variieren. Durchschnittlich geben die Kantone in der Schweiz pro Kopf der Bevölkerung jährlich knapp 5 Franken aus.

Da die Revision des EpG u.a. das Ziel verfolgt, den Vollzug der Kantone zu vereinheitlichen, ist vor dem Hintergrund der ausgeprägten Heterogenität der Kantone bezüglich der Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten a priori davon auszugehen, dass die Revision bei den verschiedenen Kantonen auch unter-schiedliche Kostenfolgen haben wird. Konkret ist davon auszugehen, dass die Revision bei denjenigen Kantonen, die zurzeit weniger stark in der Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten engagiert sind, höhere (relative) Kosten auslösen wird als bei stärker engagierten Kantonen.

Die zusätzlichen Kosten, die bei den Kantonen aufgrund der Revision ausgelöst werden, hängen stark von den zukünftigen konkreten Verordnungen und Zielvorgaben des Bundesrates ab, so dass eine Abschätzung der Kostenfolge bei den Kantonen einer hohen Unsicherheit unterworfen ist. Wir gehen davon aus, dass die Kantone mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von rund 4 Millionen Franken rechnen müssen, was einer Kostensteigerung von rund 10% entspricht.

Wie auch beim Bund werden die zusätzlichen Kosten der Kantone unabhängig von epidemiologischen Ereignissen anfallen. Bezüglich epidemiologischen Krisensituationen (besondere Lage) ist mit keinen Mehrkosten zu rechnen. Die transparentere und optimierte Krisenorganisation unter dem Regime des revidierten EpG dürfte tendenziell eher kostendämpfend wirken.



Kosten Gesundheitswesen/Pharmaindustrie

Im Rahmen der RFA wurden die Institutionen des Gesundheitswesen und die Unternehmen der Pharmaindustrie mittels einer Online-Befragung dazu befragt, welche zusätzlichen Kosten sie aufgrund der Revision des EpG erwarten. Die Befragung hat gezeigt, dass im Gesundheitswesen aufgrund der Revision mit substanziellen Mehrkosten in der Höhe von rund 258 Millionen Franken zu rechnen ist.

Der grösste Teil dieser zusätzlichen Kosten, rund 171 Millionen Franken, werden dabei bei den Krankenhäusern und Kliniken anfallen. Dieser Betrag muss als substantiell bezeichnet werden, da er 0.6% des Umsatzes derselben ausmacht. Die sozialmedizinischen Institution erwarten zusätzliche Kosten in der Höhe von 42 Millionen Franken (0.3% des Branchenumsatzes), die Arztpraxen und ambulanten Dienste zusätzliche 40 Millionen Franken (0.24% des Branchenumsatzes), die Laboratorien zusätzliche 4.6 Millionen Franken (0.6% des Brancheumsatzes) und die Pharmaindustrie zusätzliche 0.2 Millionen Franken. Gemäss diesen Schätzungen löst die Revision des EpG im Gesundheitswesen (exkl. Pharma) eine Kostensteigerung in der Höhe von 0.4 Prozent des Branchenumsatzes aus.

Die zusätzlichen Kosten sind zum grössten Teil, konkret zu 98.8% auf die mit Art. 42 im revidierten EpG vorgesehenen Massnahmen zur Verhütung nosokomialer Infektionen und medikamentenresistenter Krankheitserreger zurückzuführen. Aufgrund dieser gesetzlichen Neuerung erwarten die Institutionen des Gesundheitswesens zusätzliche jährliche Kosten in der Höhe von 255 Millionen Franken, wobei dieselben bereits unter dem geltenden EpG 190 Millionen in die Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen investiert haben. Die Krankenhäuser und Kliniken haben mit 168 Millionen erwartungsgemäss den grössten Teil dieser zusätzlichen Kosten zu tragen, wobei davon 150 Millionen auf die 5 grossen Universitätsspitäler entfallen. Dieses Ergebnis unterliegt einer hohen Unsicherheit, da bei der Befragung nur 2 der 5 grossen Universitätsspitäler teilgenommen haben.


Kosten der Wirtschaft

Ausserhalb des Gesundheitswesens ist infolge der Revision mit keinen zusätzlichen Kosten zu rechnen, welche die Wirtschaft substanziell belasten können. Die Transport-, Verkehrs- und Reiseunternehmen haben im Rahmen der Online-Befragung zwar angegeben, dass sie aufgrund der Mitwirkungspflicht im internationalen Reiseverkehr gemäss Art. 41 und aufgrund von Massnahmen im Güter- und Warenverkehr gemäss Art. 45 mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von 31 Millionen Franken (Art. 41) und 183 Millionen Franken (Art. 45) rechnen. Wir interpretieren diese Angaben jedoch als Kosten, die nur anfallen, wenn im Rahmen einer besonderen Lage Eingriffe in den Personen- und Güterverkehr vorgenommen werden. In einer besonderen Lage hätten analoge Eingriffe jedoch bereits unter dem geltenden EpG basierend auf Art. 10 vorgenommen werden können, so dass diese zusätzlichen Kosten nicht als Kosten der Revision interpretiert werden können. Trotzdem zeigen die Grössenordnungen, dass Eingriffe in den Personen- und Güterverkehr delikat sein können und entsprechend verhältnismässig ausgestaltet werden sollten.


Mehrkosten IGV

Ein Teil der zusätzlichen Kosten, die aufgrund der Revision des EpG entstehen werden, können auf die Internationalen Gesundheitsvorschriften (IGV) zurückgeführt werden, die in der Schweiz im Jahr 2007 in Kraft gesetzt wurden. Gemäss unseren Schätzungen werden aufgrund der Umsetzung der IGV 2005 im Rahmen der Revision des EpG zusätzliche jährliche Kosten in der Höhe von 1 Millionen Franken ausgelöst, wobei diese Kosten fast vollständig beim Bund im Zusammenhang mit der internationalen Zusammenarbeit anfallen werden.

Der tiefe Betrag ist darauf zurückzuführen, dass die IGV 2005 zu einem grossen Teil unter dem geltenden EpG umgesetzt wurden. Insofern muss festgehalten werden, dass der Grossteil der Kosten, die von den IGV 2005 in der Schweiz ausgelöst werden, bereits unter dem geltenden EpG angefallen sind.


Kosten: Zusammenfassung

In Tabelle 1 sind die jährlichen Kosten zusammengestellt, die auf das geltende EpG zurückgeführt werden können und die zusätzlichen Kosten, die aufgrund der Revision zu erwarten sind, dargestellt. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass aufgrund der Revision mit zusätzlichen Kosten in der Höhe von 265 Millionen Franken gerechnet werden muss, wovon 255 Millionen auf die neuen Vorschriften im Bereich der Verhütung von nosokomialen Infektionen und von medikamentenresistenten Krankheitserregern zurückgeführt werden können.


Tabelle 1: Kosten des EpG und der Revision
(in Mio. CHF)

Anm.: D EpG = zusätzliche Kosten aufgrund der Revision
Quelle: eigene Darstellung

Nutzen für Gesamtgesellschaft

Beim Nutzen der Revision ist eine Aufstellung nach Akteursgruppen nicht möglich, da potenziell alle Bevölkerungsgruppen und damit auch alle Branchen von der Reduktion der Folgen von Epidemien betroffen sein können.

Der Nutzen fällt grundsätzlich für die gesamte Gesellschaft an, indem eine höhere Risikoabdeckung bezüglich übertragbarer Krankheiten erreicht wird und indem Krankheits- und Todesfälle vermieden werden können. Dadurch können einerseits Einsparungen von Kosten im Gesundheitswesen erzielt werden (direkter Nutzen), andererseits können Produktivitätsausfälle vermieden werden, welche aus den Krankheits- und Todesfällen resultieren würden (indirekter Nutzen).

In Tabelle 2 werden der Nutzen für die normale Lage (Fallbeispiele Masern und HIV/Aids) und der Nutzen für die besondere Lage (Fallbeispiel SARS) aggregiert. Dabei wird davon ausgegangen, dass pro Jahr 10 Epidemien in der normalen Lage bekämpft werden müssen sowie alle 10 Jahre 1.5 Epidemien in der besonderen Lage in der Art von SARS (vgl. Tabelle 3). Für das Fallbeispiel Vogelgrippe konnte kein Nutzen ermittelt werden, da bezüglich der damals getroffenen Massnahmen durch die Revision keine Änderungen eintreten würden.

Die Nutzenwerte für die Verhütung und Bekämpfung von Epidemien in der normalen und in der besonderen Lage addieren sich zum Gesamtnutzen der Revision des EpG.

Beim Nutzen kann unterschieden werden zwischen folgenden Nutzenarten:

  • direkter Nutzen: Einsparung von Gesundheitskosten.
  • indirekter Nutzen: Durch die bessere Verhütung und Bekämpfung von Epidemien kann ein Produktionsausfall verhindert werden, welcher in Form von Krankheits- und Todesfällen sowie in Form der Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit anfällt.
  • intangibler Nutzen: Erhöhte Sicherheit in der Bevölkerung, Vermeidung von Schmerz etc. Dieser konnte im Rahmen der Untersuchung nicht quantifiziert werden.

Zur Berechnung der Produktivitätsausfälle wurde von einem in Sommer et al. (2007) angewendeten und dargelegten Konzept der Bruttoproduktivität ausgegangen. Der Ausfall an Bruttoproduktivität, welcher durch einen Krankheitstag anfällt, wird für alle Personen ab dem Erwerbsalter (17 Jahre und mehr) einheitlich bestimmt und beträgt für das Jahr 2008 139 Franken pro Tag. Dabei wird der Produktivitätsausfall einer Erwerbsperson gleich bewertet wie der Produktivitätsausfall einer Nichterwerbsperson, dies mit dem Argument, dass die volkswirtschaftliche Gesamtleistung grundsätzlich von allen Personen ab dem Erwerbsalter zusammen erbracht wird. So ist beispielsweise die Arbeitsteilung in der Familie zwischen Erwerbs- und Nichterwerbsarbeit notwendig zur Erzielung des gemeinsamen Erwerbseinkommens.

Die volkswirtschaftliche Gesamtleistung wird gemessen als verfügbares Bruttoeinkommen, plus Zunahme der betrieblichen Vorsorgeansprüche, bewertet zu Faktorpreisen (Korrektur um indirekte Besteuerung von 7.7%).

Angegeben sind in Tabelle 2 jeweils die Werte für das Minimal- und das Maximalszenario. Die entsprechenden Annahmen werden weiter unten beschrieben. Der Gesamtnutzen der Revision des EpG liegt – abhängig von Szenarien bzw. Annahmen – in einer Bandbreite zwischen 355 bis 1'643 Millionen Franken jährlich, wobei ein Fünftel davon direkte Einsparungen von Kosten im Gesundheitswesen darstellen.

Die grosse Bandbreite bei der Höhe des Nutzens kommt sowohl bei der Bewertung in der normalen wie in der besonderen Lage durch die grosse Variabilität der Expertenannahmen zustande.


Tabelle 2: Nutzen der Revision des EpG
(in Mio. CHF)

[nicht wiedergegeben]

Quelle: Darstellung BASS

Nutzen bei einzelnen Epidemien

Die Revision des EpG wirkt sich unterschiedlich stark aus auf die Verhütung und Bekämpfung der als Fallbeispiele untersuchten Epidemien. Im folgenden werden die Eckwerte für die einzelnen Fallbeispiele angegeben. Zudem werden in Tabelle 3 die Annahmen, welche der Bestimmung des Nutzens zugrunde liegen, angegeben. Die Aggregation der Werte für die einzelnen Fallbeispiele wird in Tabelle 2 dargestellt.

  • Am stärksten scheint die Wirkung bei der Verhütung und Bekämpfung der nosokomialen Infektionen zu sein. Hier können voraussichtlich aufgrund der Revision 40 bis 150 Todesfälle vermieden werden, 28'000 bis 84'000 Spitaltage sowie 56'000 bis 168'000 ausgefallene Arbeitstage. Entsprechend beträgt der berechnete Nutzen 99 bis 336 Millionen Franken jährlich.
  • Auch sehr stark ist die Wirkung bei der Verhütung und Bekämpfung von HIV/Aids. Hier können zwar pro Jahr voraussichtlich «nur» 8 bis 80 Neuinfektionen verhindert werden, deren Langzeitwirkung in Bezug auf die Verhinderung von volkswirtschaftlichen Kosten ist aber gross. Einerseits können pro Fall Medikamentenkosten mit einem Gegenwartswert von rund 500'000 Franken verhindert werden, zudem kann eine Verminderung der Produktivität über die weitere Lebensdauer von durchschnittlich über 30 Jahren verhindert werden, und insgesamt kann der Verlust von rund 96 bis 962 Lebensjahren verhindert werden. Entsprechend beträgt der berechnete Nutzen 9 bis 86 Millionen Franken jährlich. Entsprechend dem Hochrechnungskonzept wird angenommen, dass bei insgesamt 5 Epidemien in der normalen Lage ein ähnliches Potenzial zur Verhinderung von Kosten besteht wie bei HIV/Aids.
  • Etwas weniger stark ist die Wirkung bei der Verhütung und Bekämpfung der Masern. Dies, obwohl wir hier davon ausgehen, dass durch die Steigerung der Durchimpfrate um 5 Prozent die Masern praktisch ausgerottet werden können (Dabei wird nicht berücksichtigt, dass bei einer tatsächlichen Ausrottung zu einem späteren Zeitpunkt evtl. weitere Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden können). Dadurch können im Fall einer Epidemie wie im Jahr 2008 mehr als 2'000 Krankheitsfälle vermieden werden. Wird angenommen, dass die Verhinderung von Kosten bei Masern im gleichen Ausmass stattfindet wie bei der Impfung gegen die saisonale Grippe (vgl. Mapi Values 2003b, ausgenommen Todesfälle), so werden jährlich 117 Hospitalisationen verhindert (1'177 Bettage) sowie 4'652 Arztbesuche. Dazu kommen verhinderte Produktivitätsausfälle, weil entweder die betroffene Person selber oder deren Eltern (Medianwert Alter Betroffene: 10 Jahre) nicht arbeiten können. Aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr können grössere Personenkreise betroffen sein. Entsprechend beträgt der berechnete Nutzen 7 Millionen Franken jährlich, wovon rund zwei Drittel verhinderte Produktivitätsverluste sind. Entsprechend dem Hochrechnungskonzept wird angenommen, dass bei insgesamt 5 Epidemien in der normalen Lage ein ähnliches Potenzial zur Verhinderung von Kosten besteht wie bei den Masern.
  • Für Epidemien in der besonderen Lage können zwei Typen unterschieden werden. Der eine entspricht der Vogelgrippe, bei welcher weder Krankheits- noch Verdachtsfälle in der Schweiz aufgetaucht sind. Entsprechend betragen die möglichen verhinderten Kosten aufgrund der Revision Null. Der andere Typ entspricht einer internationalen Bedrohungslage wie SARS oder einer Grippepandemie. Für die Berechnungen wurde angenommen, dass die beiden Typen je gleich häufig vorkommen, und dass besondere Lagen innert 10 Jahren rund 3 mal vorkommen. Die berechneten Nutzen ergeben sich nur aus dem zweiten Typ, welcher also alle 6 bis 7 Jahre auftritt. Für die Berechnung des Nutzens wurde ein Durchschnittswert zwischen einer Modellrechnung für eine Grippepandemie (Mapi Values 2003a) und der realen Situation des SARS-Ausbruchs in Toronto angenommen. Das Potenzial der Schadensverhinderung durch die Revision des EpG ist hier sehr gross, nimmt man an, dass eine zusätzliche Risikoabdeckung von 4 bis 19 Prozent resultiert. Dadurch können in einer konkreten Bedrohungslage potenzielle 840 bis 3'993 Todesfälle verhindert werden sowie Umsatzeinbussen der Wirtschaft in der Höhe von 57 bis 270 Millionen Franken. Zudem werden geschätzte 26 bis 124 Millionen Franken an Kosten im Gesundheitswesen eingespart. Aufgrund des hohen vermiedenen Produktionsausfalls durch vermiedene Todesfälle überwiegt bei der Berechnung des Nutzens in der besonderen Lage (Sars/Grippepandemie) der indirekte Nutzen aufgrund von vermiedenen Produktivitätsausfällen, welcher 1.2 bis 5.5 Milliarden Franken beträgt. Daneben fällt der direkte Nutzen der Verhinderung von Kosten im Gesundheitswesen kaum mehr ins Gewicht.

Tabelle 3: Annahmen zur Nutzenbestimmung

Quelle: Darstellung BASS


Kosten-Nutzen-Vergleich

Ein Kosten-Nutzen-Vergleich für einzelne Akteursgruppen ist aufgrund der Grobheit der Nutzenbestimmung nicht möglich. Beim Nutzen der Revision ist eine Aufstellung nach Akteursgruppen nicht möglich, da potenziell alle Bevölkerungsgruppen und damit auch alle Branchen von der Reduktion der Folgen von Epidemien betroffen sein können.

In der normalen Lage wurde ein Gesamt der zusätzlichen Kosten aufgrund der Revision des EpG von 265 Millionen Franken jährlich berechnet. Für die besondere Lage wurden grundsätzlich keine zusätzlichen Kosten bestimmt.

Diese Kosten entsprechen grundsätzlich direkten Kosten, welche durch die Umsetzung von Massnahmen entstehen. Der Wert liegt um 25 Prozent unter dem Wert von 355 Millionen Franken, welche als Gesamtnutzen für die normale und die besondere Lage im Minimalszenario entstehen. Geht man davon aus, dass in der besonderen Lage keine zusätzlichen Kosten entstehen, kann daher (im Minimalszenario) von einem ausgeglichenen Kosten-Nutzen-Verhältnis gesprochen werden. Der maximale Nutzen übersteigt mit 1.64 Milliarden Franken die zusätzlichen Kosten um gut das Sechsfache.

Der Kosten-Nutzen-Vergleich sollte aber noch unter zwei anderen Aspekten angeschaut werden: Einerseits ist die Frage zu beantworten, ob die direkten Kosten und die direkten Nutzen in einem guten Verhältnis stehen. Der direkte Nutzen liegt mit 76 bis 361 Millionen Franken je nach Szenario unter bzw. über den 265 Millionen zusätzlichen direkten Kosten. Bezüglich der Kosten im Gesundheitswesen kann davon gesprochen werden, dass die Revision des EpG im erwarteten Durchschnitt in etwa ein Nullsummenspiel sein könnte, allerdings könnten in einem schlechten Szenario rund 200 Millionen an Mehrkosten resultieren bzw. in einem guten Szenario rund 100 Millionen an Einsparungen resultieren.

Zudem ist die Frage zu stellen, ob die Revision des Epidemiengesetzes bereits in der normalen Lage ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist. Der Gesamtnutzen in der normalen Lage liegt zwischen 178 und 801 Millionen Franken jährlich. Verglichen mit den 265 Millionen Kosten ergibt sich ein Verhältnis der Nutzen zu Kosten, welches zwischen 3 zu 2 (negativ) und 1 zu 3 (positiv) liegen kann. Dies zeigt, dass je nach Szenario, welches aufgrund der Umsetzungspraxis eintreten wird, das Nutzen-Kosten-Verhältnis positiv oder negativ ausfällt. Die Revision kann daher in Bezug auf die normale Lage durchaus ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis aufweisen. Dies hängt allerdings von der Erreichung der Zielvorgaben bzw. der getroffenen Annahmen in Bezug auf einzelne Epidemien ab. Eine minimale Erreichung dieser Vorgaben reicht nicht aus, um ein positives Nutzen-Kosten-Verhältnis zu erhalten.

Ein besonders gutes Nutzen-Kosten-Verhältnis konnte für Impfungen sowie für Verhütungsmassnahmen im Bereich HIV/Aids festgestellt werden.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der grösste Teil der Kosten, nämlich 258 Millionen Franken, im Bereich der Verhütung und Bekämpfung von nosokomialen Infektionen im Gesundheitswesen entsteht (ereignisunabhängige Massnahmen). In diesem Bereich wurde ein Nutzen von 99 bis 336 Millionen Franken berechnet, das Kosten-Nutzen-Verhältnis ist also hier nur dann positiv, wenn Werte im Bereich der Annahmen im Maximalszenario erreicht werden.

Schliesslich ist die Betrachtung auch für die besondere Lage vorzunehmen. Die Annahme, dass hier keine zusätzlichen Kosten entstehen werden, muss aus zwei Gründen etwas revidiert werden:

  • Einerseits wurden zusätzliche Kosten im Zusammenhang mit Artikel 45 (Warenverkehr) und 41 (Personenverkehr) angegeben, die für die Betriebe in einer besonderen Lage entstehen könnten. Diese Kosten in der Höhe von 183 bzw. 31 Millionen Franken sind zwar nicht im strengen Sinn als zusätzliche Kosten anzusehen, da diese Massnahmen in der Vergangenheit ebenfalls möglich gewesen wären. Sie geben aber einen Anhaltspunkt dafür, wie hoch die maximalen direkten Kosten für die Betriebe in einer besonderen Lage sein könnten. Vergleicht man diese mit den (nicht hochgerechneten) Nutzenwerten für die besondere Lage (Tabelle 2), so zeigt sich, dass der direkte Nutzen von 26 bis 124 Millionen Franken um einiges unter den theoretisch möglichen Kosten von über 200 Millionen Franken liegt.
  • Die in der besonderen Lage hauptsächlich anfallenden indirekten Nutzen von 1.2 bis 5.5 Milliarden Franken übersteigen die möglichen direkten Kosten allerdings wiederum um ein Mehrfaches. Diesen zusätzlichen indirekten Nutzen könnten aber durchaus auch zusätzliche indirekte Kosten gegenüberstehen. Laut Expertenaussage wären die Massnahmen in der besonderen Lage einerseits schneller ergriffen worden (ohne Kostenwirkung), andererseits wären aber auch strengere Massnahmen umgesetzt worden. Als Beispiel wurde die Schliessung der Schmuckmesse Basel genannt. Diese weist einen Umsatz von mehreren Milliarden Franken auf. Diese Umsatzeinbusse könnte auch als zusätzliche indirekte Kosten gewertet werden, welche zu vergleichen sind mit der Einbusse von ca. 100 Millionen Franken, welche der Schadenersatzforderung der Aussteller aus Hongkong entspricht. Ohne den Umsatz der Schmuck- und Uhrenmesse genau zu kennen, kann auch bei den indirekten Wirkungen in diesem Beispiel von einem positiven Nutzen-Kosten-Verhältnis gesprochen werden. Es muss aber darauf hingewiesen werden, dass die Einschätzung der Verhältnismässigkeit von Massnahmen in der besonderen Lage weiterhin im Einzelfall vorgenommen werden muss. Das ausgeglichene Kosten-Nutzen-Verhältnis besteht insbesondere in einer langfristigen Perspektive, in welcher die vermiedenen zukünftigen Produktivitätsverluste von vermiedenen Todesfällen mit einbezogen werden. Eine solche Perspektive, welche mehrere Generationen von Menschen umfasst, muss typischerweise von der öffentlichen Hand eingenommen werden.
Zustimmung zur Revision

Aus der durchgeführten Befragung geht hervor, dass die Revision des EpG sowie die einzelnen Inhalte bei den befragten Betrieben mehrheitlich Zustimmung finden (43% Ja gegenüber 14% Nein, 81% der «Stimmen ohne Enthaltungen»). Ein grosser Teil der Befragten kann jedoch die Revision des EpG (noch) nicht klar beurteilen (42% der Antworten). Dies zeigt, dass bei der Umsetzung des revidierten EpG Informationsarbeit geleistet werden muss.

Nach Branchen betrachtet haben die Krankenhäuser und Kliniken gegenüber der Revision die grössten Vorbehalte: 60% der Krankenhäuser und Kliniken begrüssen die Revision, 40% tendieren zu einer Ablehnung der Revision. Dieses Ergebnis ist mit der Tatsache konsistent, dass die Krankenhäuser und Kliniken aufgrund der Revision substanzielle Mehrkosten zu tragen haben werden. Wie bereits erwähnt, stehen diesen Mehrkosten allerdings auch erwartete Einsparungen in ähnlicher Grössenordnung gegenüber.

Des weiteren sind die befragten Betriebe der Wirtschaft und des Gesundheitswesens der Meinung, dass das revidierte EpG nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt. Zudem sind die befragten Betriebe mehrheitlich überzeugt von der Wirksamkeit der Revision in Bezug auf die Verstärkung der Prävention und Kontrolle von übertragbaren Krankheiten, und sie teilen die Einschätzung, dass das revidierte EpG tendenziell eine schnellere Reaktion auf eine Bedrohungslage ermöglicht.


Gemeinwohlprinzipien

Sowohl die erwarteten zusätzlichen Kosten als auch die erwarteten zusätzlichen Nutzen der Revision unterliegen einer gewissen Unsicherheit. Diese Unsicherheit ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass in einer freien Marktwirtschaft wie der Schweiz das für die Abschätzung relevante Wissen nicht bei einzelnen Personen zentralisiert vorliegt, sondern atomistisch über die Wirtschaftssubjekte verteilt ist. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die staatliche Regulierung auch hinsichtlich der entscheidenden Gemeinwohlprinzipien zu bewerten. Denn von diesen weiss man aus Erfahrung und aus der ökonomischen Theorie, dass deren Einhaltung mit den Mechanismen der freien Marktwirtschaft harmonieren und dem Gemeinwohl förderlich sind. Unsere ordnungspolitische Analyse hat folgende Ergebnisse geliefert:

  • Gesetzmässigkeitsprinzip: Das Gesetzmässigkeitsprinzip und damit die Rechtssicherheit und die Voraussehbarkeit staatlichen Handelns wird mit der Revision substanziell gestärkt. Unter dem geltenden EpG mussten staatliche Eingriffe in Zusammenhang mit übertragbaren Krankheiten immer wieder auf den Notrechtsartikel 10 gestützt werden, was Juristinnen und Juristen als Strapazierung des Gesetzmässigkeitsprinzips bewerteten.
  • Subsidiaritätsprinzip: Insbesondere der Wechsel zu dem dreistufigen Eskalationssystem «Normale Lage – Besondere Lage – Ausserordentliche Lage» stärkt das Subsidiaritätsprinzip. Gemäss Art. 5 im revidierten EpG werden die Führungs- und Entscheidungskompetenzen erst in einer Krisensituation, in denen die Kantone mit der Eindämmung von Epidemien überfordert wären, auf die Ebene Bund verlagert.
  • Verhältnismässigkeitsprinzip: Das Verhältnismässigkeitsprinzip ist im revidierten Gesetzestext sichtbar stärker präsent als im EpG von 1970. Insbesondere setzt das revidierte EpG das Verhältnismässigkeitsprinzip bezüglich Bekämpfungsmassnahmen, die verfassungsmässig geschützte Grundrechte tangieren, konsequent um.
  • Wirtschaftlichkeitsprinzip: Auch das Wirtschaftlichkeitsprinzip wird sichtlich gestärkt. Zum einen wird das Ziel der Wirtschaftlichkeit im Zweckartikel (Art. 2 Abs. 2 Bst. f) verankert. Zum anderen wird der Bundesrat mit Art. 75 im revidierten EpG verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der Massnahmen nach dem revidierten Gesetz zu überprüfen.
  • Vorsorgeprinzip: Das Vorsorgeprinzip wird in Art. 7 im revidierten EpG neu verankert.

Alternative Regelungen und Empfehlungen

Im Rahmen der Regulierungsfolgenabschätzung wurden alternative Regelungen bezüglich der Finanzierung des Vollzugs in einer besonderen Lage und von Entschädigungen aufgrund von Impfschäden einem Vergleich unterzogen.

Bezüglich der Finanzierung des Vollzugs in einer besonderen Lage hat die ökonomische Analyse ergeben, dass eine Beteiligung sowohl von Bund als auch der Kantone wünschenswert ist. Das Gegenteil trifft bezüglich der Finanzierung von Entschädigungen aufgrund von Impfschäden zu. Wir erachten es aus anreizökonomischen Gründen für sinnvoll, die Kosten aufgrund von Entschädigungen für Impfschäden vollumfänglich dem Bund zuzuweisen. Denn der Bund steuert im Rahmen des nationalen Impfplans die Durchimpfraten und damit das Risiko von Impfschäden. Um zu gewährleisten, dass der Bund bei der Gestaltung der Impfpolitik und bei der Festlegung der Impfziele potentielle Kosten allfälliger Impfschäden mitberücksichtigt, müssen die Kosten aufgrund von Impfschäden auf Bundesebene internalisiert werden. Die in der Vernehmlassungsversion des revidierten EpG vorgesehene je hälftige Beteiligung von Bund und Kantonen beurteilen wir entsprechend als suboptimal.


Zweckmässigkeit im Vollzug und Empfehlungen

Die Voraussetzungen im Vollzug des Epidemiengesetzes verändern sich mit der Revision nicht fundamental. Die Kantone werden weiterhin für den operativen Vollzug der beschlossenen Massnahmen verantwortlich sein. Die wichtigste Veränderung aufgrund der Revision, die den Vollzug tangiert, ist die Aufgabe des Dualismus «Normale Lage – Ausserordentliche Lage» im geltenden Gesetz zugunsten der Triade «Normale Lage – Besondere Lage – Ausserordentliche Lage» im revidierten Gesetzestext. Das neue dreistufige Eskalationssystem ist aus epidemiologischer und juristischer Sicht zu begrüssen. Zum einen verlangt das Phänomen der Pandemien bzw. Bedrohung der globalen öffentlichen Gesundheit eine internationale Harmonisierung der Bekämpfungsorganisation. Mit der Revision wird die Krisenorganisation der Schweiz im Bereich der übertragbaren Krankheiten mit der WHO abgestimmt, was sich positiv auf den Vollzug und die internationale Zusammenarbeit auswirken wird. Zum anderen ist die Einführung einer mittleren Stufe («Besondere Lage») aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und Voraussehbarkeit staatlichen Handelns wünschenswert.

Aus epidemiologischer Sicht ist die Tendenz der Revision zu einer Zentralisierung der Verhütung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten gerechtfertigt und deshalb mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. Trotzdem birgt sie – wie jede Zentralisierung – die Gefahr, dass in Unkenntnis der regionalen Vollzugsbedingungen bzw. aufgrund von kantonalen Unterschieden derselben, suboptimale Entscheide gefällt werden, die in den Kantonen unnötige Kosten auslösen können. Aus diesem Grund sieht das revidierte EpG mit Art. 54 ein Koordinationsorgan vor, das sich aus Vertretern der Kantone und des Bundes zusammensetzt. Aufgrund ähnlicher Überlegungen erachten wir auch den geplanten Krisenausschuss, der gemäss Art. 55 im revidierten EpG während einer besonderen Lage eingesetzt werden soll, für zweckmässig. Insbesondere ist dabei zu begrüssen, dass dem Krisenausschuss auch Vertreter/-innen der Wirtschaft und des Gesundheitswesens beiwohnen sollen.

Die Revision des EpG löst gemäss den erfolgten Abschätzungen nur im Bereich der Verhütung von nosokomialen Infektionen substantielle Mehrkosten aus. Bei der Definition der konkreten Verhütungsmassnahmen in diesem Bereich sollten deshalb das von diesen Massnahmen implizierte Kosten-Nutzen-Verhältnis und die Kosteneffektivität der definierten Massnahmen nicht ausser Acht gelassen werden.


Offene Fragen

Die durchgeführte Analyse hat viele Resultate zur Kosten-Wirksamkeit von einzelnen Massnahmen sowie zum globalen Kosten-Nutzen-Vergleich der Revision des EpG zutage gefördert. Allerdings bleiben einige offene Fragen bestehen, welche wir hier ansprechen:

  • Die Häufigkeit von Epidemien in der normalen Lage kann sich über die Zeit verändern. Diese kann nicht durch Massnahmen beeinflusst werden. In Bezug auf die Nutzen-Schätzung stellt sich die Frage nach der Gewichtung der beiden verwendeten Fallbeispiele. Eventuell verhalten sich Epidemien in ihrer Kostenrelevanz häufiger analog zur Masernepidemie als zu HIV/Aids.
  • Die gleiche Frage muss bezüglich Häufigkeit und Art der Epidemien in der besonderen Lage gestellt werden: Eventuell kommen besondere Lagen in der Art der Vogelgrippe häufiger vor als solche in der Art von SARS.
  • Im Rahmen einer Ex-post-Evaluation sollte eine Überprüfung der Entwicklung der einzelnen verwendeten Epidemien-Parameter vorgenommen werden. Zudem sollte auch der Zielerreichungsgrad der getroffenen Annahmen über die Wirksamkeit der Revision des EpG laufend überprüft werden (vgl. Tabelle 3). Dadurch kann ermittelt werden, ob sich das Kosten-Nutzen-Verhältnis in der Richtung des Minimal- oder des Maximalszenarios entwickelt.
  • Einzelne Kostenbereiche konnten bei der Untersuchung nicht einbezogen werden. Wir gehen davon aus, dass in diesen Bereichen durch die Revision nichts ändert: Biologische Sicherheit, Dekontamination/Desinfektion und Sterilisation von Medizinprodukten, Transport und Beisetzung von Leichen. Die Kostenentwicklung sollte auch in diesen Bereichen im Auge behalten werden.
  • Es gab bei der Kostenerhebung kritische Bereiche, bei welchen die Angaben der Betriebe unrealistisch hoch waren. Wir gehen davon aus, dass hier Missverständnisse beim Ausfüllen der Online-Befragung vorlagen (nosokomiale Infektionen, Bewilligungen Labors). Trotzdem sollte bei diesen potenziell kostenintensiven Bereichen in Zukunft die Entwicklung genau betrachtet werden.
  • Zudem wurden für die Massnahmen im Zusammenhang mit Artikel 45 (Warenverkehr) und 41 (Personenverkehr) hohe Kosten angegeben, die für die Betriebe in einer besonderen Lage entstehen könnten. Daher ist es wichtig, dass Vertreter der Wirtschaft und des Gesundheitswesens in Zukunft im Krisenausschuss vertreten sind.
  • Schliesslich muss darauf hingewiesen werden, dass eine adäquate Umsetzung des revidierten EpG nur mit einer guten Koordination zwischen Bund und Kantonen möglich sein wird, welche auch eine einheitlichere Umsetzung des Epidemiengesetzes zwischen den Kantonen bedingt.
Politische Schlussfolgerungen des Bundesrates
(Deutsch)
Botschaft zur Revision des Bundesgesetzes über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten des Menschen (Epidemiengesetz)
Publikationssprachen
(Deutsch)
deutsch
Publikationen / Ergebnisse
(Deutsch)

Matthias Gehrig, Tobias Fritschi, Kilian Künzi, Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision des Epidemiengesetzes, Büro für Arbeits- und Sozialrechtliche Studien (BASS), im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), Bern, 30.06.2009.

Elektronische Publikation durch das Bundesamt für Gesundheit:

http://www.bag.admin.ch/themen/medizin/03030/03209/03210/index.html?lang=de

Elektronische Publikation durch das Staatssekretariat für Wirtschaft (in Vorbereitung):

www.seco.admin.ch > Themen > Wirtschaftspolitik > Regulierungsfolgenabschätzung

Tobias Fritschi, Matthias Gehrig, Alkuin Kölliker, Franz Reigel, Regulierungsfolgenabschätzung zur Revision des Epidemiengesetzes, Die Volkswirtschaft, 10-2008, S. 46-50.