Projektbeschreibung
(Deutsch)
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Zusammenfassung
Mit der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, der Umsetzung der ersten und zweiten Etap-pe der Bahn 2000, den Anschlüssen ans europäische Hochgeschwindigkeitsnetz und der mögli-chen Einführung neuer innovativer Technologien sind wesentliche Erweiterungen bzw. Ergän-zungen des schweizerischen Verkehrssystems in Diskussion. Ausserdem steht die Abstimmung über die sogenannte Avanti-Initiative an. Vor diesem Hintergrund will das vorliegende Projekt dazu beitragen, die Entscheidungsgrundlagen für das zukünftige Städte- und Verkehrsnetz zu verbessern. Im Zentrum des Forschungsprojektes steht die Frage, wie sich Strukturen, Funktionalitäten und das zukünftige Veränderungspotential in den fünf grossen Agglomerationen der Schweiz (Bern, Basel, Zürich, Genf, Lausanne) mit dem Verkehrsangebot, den Verkehrsflüssen und dem ent-sprechenden Veränderungspotential in Beziehung setzen lassen. Einerseits bestehen Wechsel-beziehungen zwischen den Städtefunktionen und dem Verkehrsangebot. Andererseits beein-flussen die Städtefunktionen und das Verkehrsangebot je die Verkehrsflüsse. Für die Abschät-zung der zukünftigen Verkehrsflüsse sind die Veränderungspotentiale der Städtefunktionen und des Verkehrsangebots relevant. Hinzu kommen - als Rahmenbedingungen - Konjunktur- und Werthaltungs-Zyklen über die Zeit hinweg, welche die Ausprägungen der Parameter des Kau-salmodells mitbestimmen. Die Forschungsarbeit umfasst sechs Arbeitspakete (AP): · AP1: Erstens werden die Städtefunktionen, die Veränderungspotentiale und ihre funktionale Bedeutung im Städtenetz Schweiz untersucht. Studien über Agglomerationen, das Städtenetz Schweiz, Statistiken und politische/wirtschaftliche Leitbilder liefern die wichtigsten Datengrundlagen. · AP2: Es wird das Verkehrsangebot mit Schwerpunkt Städtenetz untersucht. Bis ins Jahr 2020 werden die in Realisierung stehenden und beschlossenen Infrasstrukturprojekte mitbe-rücksichtigt. Für die Jahre danach werden Technologieanalysen und Zukunftsvisionen aus-gewertet. · AP3: Es werden die Verkehrsflüsse mit Schwerpunkt Verkehrskorridore zwischen den Ag-glomerationen analysiert. Hier geht es um eine klare Unterscheidung zwischen vorhandenen Statistiken und bestehenden Verkehrsmodellen und Prognosen einerseits und gesamt-schweizerischen und regionalisierten Daten andererseits. · AP4: Mit der Entwicklung des Kausalmodells (AP1 - AP3) geht es um die Verknüpfung der Strukturdaten und Entwicklungen der Agglomerationen mit den Verkehrsdaten und -ent-wicklungen zwischen den Agglomerationen. Bestehende Modellierungen, Szenarien und Delphi-Analysen werden unter Anwendung einer Faktoren- und Ereignisanalyse validiert. · AP5: Bestehende und zukünftige Verkehrsangebote sowie deren Wirkungszusammenhang mit den Verkehrsflüssen werden am Kriterienkatalog (des NFP 41) einer nachhaltigen Ver-kehrspolitik gemessen. Der fachtechnische Nutzen des Projektes besteht darin, dass auf der Basis des Kausalmodells (Wirkungszusammenhänge Städtefunktionen, Verkehrsangebot, Verkehrsflüsse) Empfehlungen (AP6) zu Anpassungen von Inputgrössen bestehender Verkehrsnachfragemodellen abgeleitet werden können. Damit ist die Voraussetzung geschaffen, um politische Empfehlungen für die Ausgestaltung des zukünftigen Verkehrsangebots begründen zu können. [siehe Abb. 1 und 2, in Anhang 2]
1. Problembeschreibung
Mit der Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, der Umsetzung der ersten und zweiten Etap-pe der Bahn 2000, den Anschlüssen ans europäische Hochgeschwindigkeitsnetz und der mögli-chen Einführung neuer innovativer Technologien sind wesentliche Erweiterungen bzw. Ergän-zungen des schweizerischen Verkehrssystems in Diskussion. Ausserdem steht die Abstimmung über die sogenannte Avanti-Initiative an. Vor diesem Hintergrund will das vorliegende Projekt dazu beitragen, die Entscheidungsgrundlagen für das zukünftige Städtenetz zu verbessern. Wir verstehen Städtenetze als interdependente Gebilde mit den unterschiedlichsten Personen-, Waren-, Kommunikations- und Dienstleistungsströmen. Im Zentrum steht deshalb die Frage, wie sich Strukturen, Funktionalitäten und das zukünftige Veränderungspotential in den fünf grossen Agglomerationen der Schweiz (Bern, Basel, Zürich, Genf, Lausanne) mit dem Verkehrsangebot, den Verkehrsflüssen und dem entsprechenden Veränderungspotential in Beziehung setzen lassen. Einerseits bestehen Wechselbeziehungen zwischen den Städtefunktionen und dem Verkehrs-angebot. Andererseits beeinflussen die Städtefunktionen und das Verkehrsangebot je die Ver-kehrsflüsse. Für die Abschätzung der zukünftigen Verkehrsflüsse sind die Veränderungspoten-tiale der Städtefunktionen und des Verkehrsangebots relevant. Hinzu kommen - als Rahmenbe-dingungen - Konjunktur- und Werthaltungs-Zyklen über die Zeit hinweg, welche die Ausprägun-gen der Parameter des Kausalmodells mitbestimmen (vgl. Abbildung 1). [siehe Abb. 1, Zusammenhänge "Kausalmodell, in Anhang 2] Im Rahmen dieses Projektes gehen wir davon aus, dass die Qualität des Verkehrssystems zwi-schen den Agglomerationen ein bedeutsamer Standortfaktor und eine wichtige Voraussetzung für die Konkurrenzfähigkeit des Wirtschafts- und Lebensraumes Schweiz ist. Umgekehrt ist die Verflechtung der Wirtschaft mit dem Verkehr ein wichtiger Faktor zur Steuerung von Angebot und Nachfrage im Verkehrsbereich. Diese beiden Annahmen müssen aber zunehmend unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit beurteilt werden, d.h. das Ziel müsste es sein, die gene-relle Verkehrsentwicklung vom Wirtschaftswachstum abkoppeln zu können. Nachhaltigkeit ist definitionsgemäss ein politisches Konzept. Deshalb braucht es zur Umsetzung nachhaltiger Massnahmen im Verkehrsbereich eine intensive vertikale und horizontale Zusammenarbeit zwi-schen Bund, Kantonen, Städten und nicht-staatlichen Organisationen.
2. Stand der Forschung
Der Forschungsstand wird hier analysiert und nach den vorgeschlagenen Arbeitsschritten strukturiert (siehe Kapitel 5).
Städtefunktionen Zu den Funktionen von Städten und Agglomerationen gibt es eine Vielzahl von Forschungsar-beiten, so z.B. im Rahmen des NFP 25 "Stadt und Verkehr". Unter den Experten ist man sich einig, dass regionale Entwicklungen mehr und mehr von den Entwicklungen der städtischen Regionen bestimmt werden. Anders als im Ausland ist in der Schweiz aber das Städtenetz in seiner Gesamtheit noch wenig zum Thema gemacht worden. Ausnahmen sind: · Racine et al. (1995) untersuchten den Einfluss der Produktionsstruktur auf die Entwicklung der Wirtschaftsstruktur in den Schweizer Städten und Agglomerationen. Sie arbeiteten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus und beurteilten die Stärken und Schwächen des gesamten Städtenetzes in der Schweiz. Gemessen an der schweizerischen Wirtschafts-struktur besitzen die fünf grossen Agglomerationen eine hervorragende Stellung im Städ-tenetz der Schweiz. · Muggli et al. (1992) untersuchten die Funktion der Grossstädte und deren Entwicklungsten-denzen. Sie stellten eine starke funktionale Hierarchie zwischen den grösseren Zentren fest. Die grossen Agglomerationen bieten eine Reihe sehr guter Standortfaktoren. Eine erste Hierarchisierung ergibt sich anhand der Einwohnerzahl. Diese wird aber durch eine Zweite überblendet: Die wertschöpfungsintensiven Funktionen und Arbeitsplätze befinden sich überwiegend in den grossen Agglomerationen und besonders in Zürich. Es wird erwartet, dass auch in Zukunft dieser Trend weitergeht, zumal die Flächenangebote in den grossen Agglomerationen in der Lage sind, zusätzliche Funktionen aufzunehmen. Sollte es politi-scher Wille sein, der funktionalen Zentralisierung entgegenzuwirken, dann spielt die Infra-strukturpolitik gerade im Verkehrsbereich eine Schlüsselrolle. · Rumley et al. (2000) geben einen Überblick über strategische Städtenetze in Deutschland, Frankreich und Niederlande. Auf der Basis von neuem Datenmaterial aus den Betriebszäh-lungen 1991 und 1998 analysieren sie die städtischen Strukturen und Funktionen der schweizerischen Agglomerationen und leiten daraus politische Empfehlungen ab. Die Ver-kehrsflüsse zwischen den Agglomerationen werden nur am Rande erwähnt, und zwar bei der Darstellung der Pendlerströme. Sie berücksichtigen, inwieweit kantonale Raumord-nungskonzepte von grenzüberschreitenden Städteverbindungen ausgehen. Definitionen und Datenerhebung lehnen sich an die in Frankreich und der EU unternommenen Forschungen über Städtenetze an (DATAR 1991). · Verschiedene Studien widmen sich dem Verhältnis zwischen Kernstädten und Regional-zentren (DISP 142, 3/2000; Muggli et al. 1992). Im Vergleich mit ausländischen Beispielen beschreiben die Beiträge in Leresche et al. (1995) die wirtschaftlichen, sozialen und politi-schen Zusammenhänge zwischen Kernstadt und Regionalzentren in der Romandie. · Im Kernstadtbericht und im Bericht über die Grundzüge der Raumordnung Schweiz des Bundesrates (1996) werden Agglomerationsprobleme und -vorteile auf einzelne Politik-bereiche hin dargestellt. Im Zentrum steht das Verhältnis zwischen Kernstadt, Agglomeratio-nen und ländlichen Räumen. Die Stärkung des schweizerischen Städtenetzes als Ganzes wird v.a. als Strategie im Rahmen des Netzes europäischer Grossstädte verstanden. · Frankreich, Deutschland und die Niederlande haben sich schon relativ intensiv mit Städ-tenetzen auseinandergesetzt. Dabei geht es weniger um die funktionalen Beziehungen, sondern um den Aufbau von Zusammenarbeitsgremien und eigentlichen Steuerungsorgani-sationen. Gerade für den Verkehrsbereich bieten diese Studien aber gute Ansätze, welche Indikatoren eine Rolle spielen und wie konkrete politische Programme und Massnahmen umgesetzt werden könnten (Danielzyk/Priebs 1996; siehe auch niederländische Policypläne VINEX, NMP und Randstad-Dokumente; Leclerc et al. 1996; Damette 1994; div. Dokumente der Delegation a l'amenagement du territoire et a l'action regionale, DATAR 1991).
Verkehrsangebot Umfassende Forschungen zum Verkehrsangebot wurden im Rahmen des NFP 41 unternom-men, allerdings mit dem Schwergewicht Güterverkehr und Swissmetro. Die heutigen Verkehrs-korridore zwischen den grossen Agglomerationen standen nicht im Zentrum des Forschungsin-teresses. · In der Schweiz wurden umfangreiche Studien über grosse Infrastrukturprojekte unter-nommen (Zweckmässigkeitsprüfungen NHT, Bahn 2000 und NEAT). Vieles ist heute reali-siert. Die Verkehrsentwicklungen, von denen damals ausgegangen wurde, und die Handlungsszenarien (von Null bis Vollausbau) können auf die aktuelle Situation übertragen bzw. angepasst werden. Auch für die weiteren Ausbauetappen der Bahn 2000 verfügen die verantwortlichen Stellen über Machbarkeitsstudien und Verkehrsmodelle. · Hinzu kommen aktuelle Studien über die Swissmetro. Mit der Swissmetro, so wurde ge-schätzt, würden unter den fünf grossen Städten Reisezeitgewinne von bis zu 70% erreicht. Allerdings ist das Projekt technisch noch nicht ausgereift, es fehlt die nötige internationale Kompatibilität und es sollte nicht vor der Fertigstellung der 2. Etappe von Bahn 2000 in An-griff genommen werden (BAV, Fachbericht Swissmetro, 1998; Güller 1998; NFP-41-Berichte des Moduls F "Swissmetro"; zur Swissmetro und generell zur Finanzierung von Infrastruktur-grossprojekten: Gentinetta 1997; Katell 2000). Darüber hinaus sind weitergreifendere Ver-kehrsmarkt- und Technologieanalysen nötig (z.B. Dasen/Engel 1998). · Im Rahmen des NFP 25 und NFP 41 wurden Studien über Kosten und Nutzen des Ver-kehrs gemacht. Daraus geht hervor, dass beim Personenverkehr die Schiene v.a. bei den Infrastrukturdefiziten hohe Kosten aufweist, während die Strasse hohe Kosten hat bezüglich Stau, Unfälle und Umwelt. Beim volkswirtschaftlichen Nutzen des Verkehrs muss zwischen Verkehrsbenützern und externer Nutzen unterschieden werden. Beim externen Nutzen be-stehen noch Forschungslücken. Insgesamt werden aber Wettbewerb, Kostenwahrheit und marktwirtschaftliche Instrumente in der zukünftigen Verkehrspolitik eine wichtige Rolle spie-len (zusammenfassend Suter 2000).
Verkehrsfluss Wichtige Grundlagen bilden die Studien und Matrizen des Dienstes für Gesamtverkehrsfragen und der SBB, die hier nicht im einzelnen aufgelistet werden. Hervorzuheben sind: · Über die Nachfrage im europäischen Personenverkehr wurde schon in den achtziger Jahren ein europäisches Forschungsprogramm durchgeführt (COST 305). Unter Berücksichtigung der Prognosemethodik ist eine Typologie der Nachfragedaten entwickelt und auf das euro-päische Städtenetz angewendet worden. Es wurde auf Lücken und Inkompatibilitäten der Daten hingewiesen. · Umfangreiche Forschungen gibt es über die Entwicklungen bei den einzelnen Verkehrsträ-gern. So wird heute kaum mehr bestritten, dass der motorisierte Freizeitverkehr, der Güter-verkehrs auf der Strasse und der Luftverkehr die höchsten Wachstumraten aufweisen und demzufolge - gemessen an den Nachhaltigkeitskriterien - zur wichtigsten Problemgruppe in der Verkehrspolitik gehören. Eine gute Grundlage für die Beurteilung von Zukunftsszenarien der Verkehrsträger bietet die im Auftrag des ASTRA und UVEK durchgeführte Delphi-Umfrage über die Zukunft des Verkehrs in der Schweiz (Büro Widmer/IPSO 2000). · Aus soziologischen Studien (siehe dazu NFP 25, Mikrozensus, Volkszählung 2000) geht hervor, dass die Menschen zunehmend drei Identitäten aufweisen, nämlich Arbeiten, Freizeit und Wohnen. Die Begründung dieser Entwicklung liegt einerseits in der gesellschaftlichen Individualisierung und Urbanisierung, andererseits aber auch in den Möglichkeiten, welche die Mobilität bietet. Rein räumlich findet Wohnen, Freizeit und Arbeiten meist an drei verschiedenen Orten statt. Die Zunahme des Agglomerationsverkehrs, insbesondere des Freizeitverkehrs, wird durch diese gesellschaftliche Entwicklung begründet. Noch kaum un-tersucht wurde die Frage, wie weit davon auch der Verkehr zwischen den grossen Agglome-rationen der Schweiz betroffen ist. · Die Staukosten im Strassenverkehr wurden in einem ASTRA-Bericht von der INFRAS 1998 berechnet. Die Grundlagendaten stammen aus entsprechenden Statistiken, Verkehrsmodellen, Hochrechnungen und Fallbeispielen in einzelnen Agglomerationen. Die Zusammenhänge zwischen Geschwindigkeit, Menge und Dichte des Verkehrsflusses werden anhand des sog. Fundamentaldiagrammes erklärt. Empfohlen wird die Internalisierung der Staukosten. Auf den Zusammenhang zwischen Verkehrsangebot und -nachfrage konnten keine Schlüsse gezogen werden, weil nur einzelne Engpässe mit Stausituationen untersucht wurden.
Kausalmodell Die Entwicklung des Kausalmodells zur Erklärung der Zusammenhänge zwischen Städtefunk-tionen, Verkehrsangebot und Verkehrsfluss ist eine wesentliche Etappe in unserem For-schungsdesign. Es gibt dazu kaum Forschungsarbeiten, aber immerhin vergleichbare Modelle, welche die durch Verkehrsangebotsausbau, regulative und preisliche Massnahmen bewirkten Änderungen von Erreichbarkeit und Standortgunst simulieren. Die daraus abgeleiteten Pro-gnosen der Bodennutzung beinhalten implizit oder explizit Annahmen über bestimmte wirt-schaftsstrukturelle Einflüsse. Meist handelt es sich um regional beschränkte Fallstudien. Es fehlt die Systematik beim Vergleich zwischen Agglomerationen und/oder verschiedenen europäi-schen Staaten. Gerade die niederländische Verkehrs- und Raumordnungspolitik bietet hier aber eine Vielzahl von Ansatzpunkten, die sich mit den schweizerischen Problemen und Strategien vergleichen lassen. Die Projektgruppe Incodelta z.B. befasst sich interdepartemental mit der integralen Planung von Transportkorridoren zwischen den Zentren bzw. Verkehrsknotenpunk-ten. Ganz bewusst wählten sie einen bottom-up Ansatz, um die thematischen, räumlichen und organisatorischen Visionen zu entwickeln. Die dazu nötigen Arbeitsgruppen mit nationalen und regionalen Vertretern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik wurden in den Bereichen multimo-daler Transport, Unternehmensstandorte, Innovationen, Infrastruktur und räumliche Qualität ge-bildet. Aus anderen Studien über die Zusammenhänge zwischen der Raumordnungs- und der Ver-kehrspolitik können mehr oder weniger zwei zentrale Schlüsse gezogen werden (z.B. Metron 2000; Gruber et al. 2000): a) Zur Abschätzung der räumlichen Effekte von Verkehrsinfrastrukturen gibt es verschiedene methodische Ansätze (öffentliche Investitionen/Wirtschaftswachstum, Transport-/ Produkti-onskosten, Erreichbarkeit, Input/Output-Modell gemäss Angebot-/Nachfragekriterien). b) Auf den Raum bezogen beansprucht eine nachhaltige Verkehrspolitik sehr wenig Fläche, hat nur geringe negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, bündelt die Verkehrsbedürfnis-se und trägt dazu bei, dass möglichst geringe Distanzen zurückgelegt werden müssen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Entwicklung eines schweizerischen Städtenetzes mit möglichen Aufgabenteilungen damit im Widerspruch steht oder nicht.
Nachhaltigkeit Um Verkehrsflüsse und Entwicklungsszenarien am Begriff der "Nachhaltigen Mobilität" würdigen und messen zu können, greifen wir auf die von Ernst Basler + Partner entwickelten Nachhaltig-keitskriterien zurück (Bericht C5 des NFP 41): · Wirtschaftliche Indikatoren wie Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, Effizienz, Standort-gunst, Kostenwahrheit, Wachstum und Beschäftigung. · Gesellschaftliche Indikatoren wie Grundversorgung, Wohlbefinden, Gemeinwohl, Partizi-pation, Sicherheit und Mobilität. · Umweltindikatoren wie Erhaltung der Lebensgrundlagen, Ressourcenschonung, Luftrein-haltung und Klimaschutz sowie Boden- und Energiesparen. Neben diesen mehrheitlich quantifizierbaren Indikatoren beinhaltet der Begriff der Nachhaltigkeit auch qualitative Bewertungen. Eine nachhaltige Verkehrsentwicklung ist also nicht nur eine Fra-ge von technischen Innovationen und Kosten/Nutzen-Analysen, sondern auch vom Verhalten und Entscheiden in Politik und Wirtschaft. Die Qualität und Gestaltung von wirtschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen ist ein wesentlicher Einflussfaktor auf den Grad der Nachhaltigkeit der Verkehrssysteme in den nächsten 10 bis 50 Jahren. Wichtig ist hier das Aufzeigen von Wegen zur besseren Akezeptanzsicherung für nachhaltige politische Steuerungsinstrumente (siehe dazu auch Widmer et al. 2000 und Güller et al. 2000).
3. Methode, Lösungsansatz
Die komplexe Forschungsfrage erfordert ein differenziertes, schrittweises Vorgehen unter An-wendung verschiedener methodischer Ansätze (siehe dazu auch das Arbeitsprogramm in Kapi-tel 5). Abbildung 2 zeigt, wie das in Kapitel 1 dargestellte Kausalmodell im Rahmen der Arbeiten operationalisiert wird. Wichtig dabei ist, dass die zukünftigen Entwicklungen der Städtefunktionen, des Verkehrsangebots und der Verkehrsflüsse auf der Basis der Entwicklungen der letzten fünfzig Jahren analysiert werden. Mit der Analyse statistischer Daten (bzw. deren Fortschrei-bung und Modellierung), vorhandener Delphi-Analysen und Entwicklungszenarien sind wir in der Lage, eine sinnvolle Würdigung der Verkehrsflüsse unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit durch-zuführen. [siehe Abb. 2, Dynamisierung der Arbeiten im Rahmen des Kausalmodells, in Anhang 2] · Arbeitspaket 1, Städtefunktionen: Wir analysieren zunächst die sozio-ökonomische Struktur, Funktionen und Veränderungspotentiale der einzelnen Grossagglomerationen sowie ihre funktionale Bedeutung im Städtenetz der Schweiz. Die nötigen Daten können über bestehende Forschungsresultate, kantonale und kommunale Statistiken sowie kantonale und kommunale Leitbilder und Entwicklungsszenarien erschlossen werden. Sehr langfristige Aussagen lassen sich hauptsächlich über Expertenmeinungen erschliessen. Methode: Statistische Analysen; qualitative Auswertung relevanter Dokumente; Experten-gespräche.
· Arbeitspaket 2, Verkehrsangebot: In einem zweiten Schritt geht es darum, das Verkehr-sangebot mit Schwerpunkt Städtenetz zu analysieren. Die Daten betreffend die Verkehrsträ-ger Bahn, Strasse und Luft können über bestehende Forschungsprojekte, Zweckmässigkeitsstudien und Verkehrsmodelle erschlossen werden. Bis ins Jahr 2020 müssen die in Realisierung stehenden oder beschlossenen Infrastrukturprojekte mitberücksichtigt werden. Für die Jahre danach werden die vorhandenen Zukunftsvisionen analysiert. Methode: Statistische Analysen, Verkehrsmarkt-, Technologieanalyse; qualitative Auswer-tung relevanter Dokumente.
· Arbeitspaket 3, Verkehrsfluss: Hier werden die vergangenen und gegenwärtigen Ver-kehrsflüsse mit Schwerpunkt auf den Verkehrskorridoren zwischen den fünf Grosszentren analysiert. Die Grundlagen bilden die Matrizen zur Verkehrsnachfrage des Dienstes für Ge-samtverkehrsfragen GVF für den MIV und der SBB für den ÖV. Die Basis für die SBB-Daten bilden die KEP-Befragungen und FQ-Befragungen der SBB. Die zukünftigen Entwicklungs-szenarien lassen sich vor allem über bestehende Studien zur Swissmetro beschreiben und kategorisieren. Methode: Statistische Analysen, Sekundäranalyse bestehender Fortschreibungen und Ver-kehrsmodellierungen, Analyse existierender Szenarien.
· Arbeitspaket 4, Kausalmodell (AP1 - AP3): Hier geht es um die Verknüpfung der Struk-turdaten und Entwicklungen der Agglomerationen mit den Verkehrsdaten und -entwicklungen zwischen den Agglomerationen. Mit Faktoren- und Ereignisanalyse auf der Basis bestehender Daten können bestehende Modellierungen, Szenarien und Delphi-Analysen validiert werden. Methode: Faktoren- und Ereignisanalyse; Analyse politischer Ereignisse und Entschei-dungsprozesse, Expertenbefragung über Entwicklungsszenarien und Marketingindikatoren, qualitative Überprüfung und Ergänzung von Verkehrsmodellen.
· Arbeitspaket 5, Nachhaltigkeit: Bestehende und zukünftige Verkehrsangebote sowie de-ren Wirkungszusammenhang mit den Verkehrsflüssen werden am Kriterienkatalog des NFP 41 gemessen. Methode: Szenarienvergleich, Vergleichswertanalyse; qualitative Auswertung relevanter Dokumente und Studien.
Mit diesem Vorgehen lassen sich letztlich Empfehlungen (Arbeitspaket 6) zur zukünftigen Aus-gestaltung des Verkehrsangebots ableiten.
4. Datenlage, Verfügbarkeit und Verarbeitung der Daten
Städtefunktionen Die Daten zur Analyse der Städtefunktionen und deren mögliche Entwicklungen sind weitgehend vorhanden. Dabei handelt es sich im Prinzip um standortrelevante Angebots- und Nachfrage-faktoren. Beispiele von zu berücksichtigenden Daten sind: · Bevölkerungsstatistiken: Zahl, Struktur, Steuerverhältnisse, Haushalte. · Wirtschaft-/Arbeitsplatzstatistiken: Zahl, Struktur, Internationalität, schweizerische und regionale Konjunktur- und Prognosedaten (BAK, KOF), Wirtschaftsbranchen. · Gesellschaft, Politik: (kultur-)politische und wirtschaftliche Strategien/Leitbilder/Konzepte. · Entwicklungsszenarien: politische und wirtschaftliche Leitbilder, sozio-ökonomische Pro-gnosen, Flächenverfügbarkeit gemäss Bau- und Zonenordnungen, Preisentwicklung, inter-nationale Ranganalysen. · Simulationsdaten betreffend räumlicher Entwicklung der Schweiz mit den Zeithorizonten 2010 bis 2050 auf der Basis des integrierten Verkehrs- und Raumnutzungsmodells (TRA-NUS vom ORL-Institut der ETH Zürich).
Verkehrsangebot Die Daten über Verkehrsangebote sind weitgehend vorhanden (Dienst für Gesamtverkehrsfra-gen, SBB, ASTRA). Daten werden benötigt zu: · Infrastruktur: Streckenführungen, Kapazitäten, Angebotsdichte, Fahrzeiten, Preise. · Entwicklungsszenarien: Planungsschritte, -konzepte, Zukunftsvisionen, bestehende Emp-fehlungen.
Verkehrsfluss Daten zum Verkehrsfluss bzw. zur Verkehrsnachfrage sind auf verschiedenen Ebenen vorhan-den. Bei der Systematisierung gilt es zunächst zwischen Globaldaten (für die ganze Schweiz) und regionalisiert aufbereiteten Daten zu unterscheiden. Eine zweite Gliederungsebene ist die Differenzierung zwischen Grundlagendaten und deren Verarbeitung in Modellen bzw. Progno-sen. In Tabelle 1 sind wichtige bzw. zu berücksichtigende Datenquellen in einem Organisationsschema zugeordnet. Es handelt sich dabei um eine exemplarische Auflistung. Weitere Datenquellen werden im Rahmen der Arbeiten in AP3 erschlossen. [siehe Tab. 1, Organisationsschema, in Anhang 2] Die Gliederung bei den regionalisierten Daten ist von Gentinetta (1997) entwickelt und für Swissmetro angewendet worden.
5. Arbeitsprogramm
[siehe Tab. 2, in Anhang 2]
6. Erwartete Resultate, Nutzen der Forschungsarbeit, Umsetzbarkeit in der Praxis
Mit der vorgeschlagenen Arbeitsdisposition erwarten wir Resultate bzw. den Nutzen der For-schungsarbeiten auf verschiedenen Ebenen: · Ein erstes Ergebnis ist die Entwicklung und Bereitstellung eines Kausalmodells, das die Wirkungszusammenhänge zwischen Verkehrsangebotsveränderungen und der Veränderung der funktionalen Stellung der Grosszentren im Städtesystem Schweiz sowie die daraus fol-genden Veränderungen bei den Verkehrsfüssen zwischen den Grosszentren darstellt. · Ein zweites Ergebnis, das mit Hilfe des Kausalmodells gewonnen werden kann, ist die Dar-legung der massgebenden Faktoren, die für die zukünftigen Verkehrsflüsse (zu verschiedenen Zeitpunkten) zwischen den Grosszentren entscheidend sein werden. · Ein drittes Ergebnis sind Empfehlungen zu Adaptionen von Inputgrössen bestehender Verkehrsnachfragemodelle. · Schlussendlich werden aus den vorhergehend aufgelisteten Ergebnissen Empfehlungen zur Ausgestaltung des Verkehrsangebotes nach Verkehrsträgern und Ziel-Quell-Relationen zwischen den 5 Grosstädten unter den Gesichtspunkten der Nachhaltigkeit abgegeben. Mit Umsetzung in die Praxis verstehen wir vielmehr den Nutzen, den die Ergebnisse für die Praxis darstellen. Diesbezüglich sehen wir zwei generelle Schwerpunkte: · Fachtechnische Ebene: Die Validierung bestehender Verkehrsmodelle und die diesbezüglichen Empfehlungen zur Adaption von Inputgrössen, sind ausserdem dienlich bei der Entwicklung von zukünftigen Modellen. · Politische Ebene: Die Empfehlungen zu der Ausgestaltung des Verkehrsangebotes nach geographischen Räumen sind massgebende Grundlagen für die Erstellung zukünftiger Realisierungsprogramme und der Zuordnung von Finanzmitteln. Dabei geht es nicht allein um die Entscheidungsprozesse auf Bundesebene, sondern zunehmend auch um die Koordination und Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und Städten.
7. Kosten, Verteilung auf Arbeitsschritte
[siehe Tab. 3, in Anhang 2]
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Literatur
(Deutsch)
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