Navigationssysteme in Strassenfahrzeugen erleben gegenwärtig einen richtiggehenden Boom. Schon heute haben sie in Zentraleuropa eine Durchdringungsrate von ca. 20%. Die jährlichen Zuwachsraten liegen deutlich im zweistelligen Prozentbereich. Waren bis vor ein paar Jahren die Geräte noch weitgehend statisch, so ist davon auszugehen, dass die neu eingerichteten Geräte mit grosser Mehrheit dynamisch sind, also bei der Berechnung der Route die aktuelle Verkehrslage einbeziehen. Das Problem bei der Verwendung dynamischer Navigation ist, dass sie sich dem Verkehrsmanagement entzieht. Wohl können Sperrungen berücksichtigt werden, sofern diese rechtzeitig in die verbreitete Verkehrslage aufgenommen werden, aber damit verbundene Routenempfehlungen sind in der Navigation bisher nicht abbildbar. Noch wesentlich gravierender ist, dass bei Staus auf dem Hochleistungsstrassennetz nicht nur die Fahrerinnen und Fahrer mit Ortskenntnis auf das sekundäre Strassennetz ausweichen, sondern auch die Navigationssysteme lokale Umfahrungsrouten bestimmen und damit das sekundäre Netz noch wesentlich stärker belastet wird als in der Vergangenheit. Das führt zu einer „Übersteuerung“ des Verkehrssystems, denn da das sekundäre Netz in der Regel eine wesentlich geringere Kapazität hat, entsteht dort rasch ein Verkehrszusammenbruch, welcher in seinen Auswirkungen gravierender ist als der verursachende Stau auf der Hochleistungsstrasse.
Was fehlt ist eine Möglichkeit der direkten Einwirkung des Verkehrsmanagements auf die Fahrzeugnavigation. Ein erfolgsversprechender Ansatz für eine solche Einwirkung mit Hilfe eines Strategielayers wurde in Deutschland entwickelt. Es kann nicht darum gehen, in Deutschland bereits durchgeführte Untersuchungen zu wiederholen. Auch angesichts der drängenden Zeit darf nicht weiter Grundlagenforschung betrieben werden, sondern die vorhandene Lösung ist möglichst direkt umzusetzen. Durch die Beteiligung der PTV AG, welche an der Erarbeitung der Lösung in Deutschland massgeblichen Anteil hatte, kann dies sichergestellt werden und es ergeben sich ausgezeichnete Synergieeffekte. Im Projekt sollen insbesondere folgende Fragen geklärt werden:
· Wie kann die Anwendbarkeit auf die verschiedenen Typen von Fahrzeugnavigationssystemen sichergestellt werden? Nur wenn alle gängigen dynamischen Navigationssysteme berücksichtigt werden, ist die Wirksamkeit und Akzeptanz der Lösung gegeben. Es geht insbesondere darum, die Erreichbarkeit der verschiedenen On-Board-Systeme zu gewährleisten.
· Wie lassen sich die effektive Netzbelastung und weitere verkehrsrelevante Daten (Baustellen, Sperrungen etc.) auch auf dem Sekundärnetz erfassen und mit Daten aus anderen Zuständigkeitsbereichen zusammenführen?
· Welches ist die optimale Strategie bei der Festlegung der Strategielayer? Wie können die verschiedenen politischen Ebenen von Bund, Kantonen und Gemeinden angemessen berücksichtigt und zum Beispiel die bestehenden oder noch zu entwickelnden Verkehrsmanagementpläne einbezogen werden? Welche Anforderungen ergeben sich aus der Sicht der Verkehrsteilnehmer und der von den negativen Wirkungen des Verkehrs Betroffenen?
· Wie lässt sich die Wirkung der eingeführten Strategielayer für die Routensegmente überprüfen? Dabei könnte zum Beispiel der punktuelle Einbezug von Floating Car Data vorgesehen werden. Wesentlich für die Wirkung ist der Befolgungsgrad der vorgeschlagenen Routen.
· Wie kann zur Umsetzung die notwendige Vernetzung der beteiligten Akteure erreicht werden? Wer ist an welchen Arbeitsschritten zu beteiligen und wie kann die Beteiligung erwirkt werden?
· Welches ist das beste Vorgehen zur Umsetzung? Zu klären ist, auf welche Art die notwendigen Festlegungen verbindlich erklärt werden können und ob in diesem Zusammenhang ein Normierungsbedarf besteht.
Wichtig ist, dass im Projekt auch eine Überprüfung der gefundenen Lösungen anhand einiger typischer Situationen mit Verkehrsstörungen durch eine Wirkungsmodellierung unter Verwendung gängiger Verkehrsplanungssoftware ausgeführt wird. Die Überprüfung erlaubt eine Optimierung der Lenkstrategie. Nach Abschluss der Optimierung wird eine kleine Demonstration der gefundenen Lösung im Bereich eines geographisch kleinräumigen Demonstrationsraumes für ein interessiertes Fachpublikum durchgeführt.
Hauptnutzniesser des Projekts sind die für das Verkehrsmanagement in der Schweiz zuständigen Institutionen. Auch wenn die Fahrerinnen und Fahrer, welche Navigationssysteme verwenden, in Einzelfällen nicht über die für sie im Moment beste Route geführt werden, profitieren sie im Durchschnitt von der insgesamt höheren Netzeffizienz. Weiter haben die Hersteller von Navigationssystemen den Nutzen, dass ihre Systeme glaubwürdiger sind