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Im Rahmen einer Ersatzanschaffung haben die öffentliche Verkehrsbetriebe der Stadt Bern (BERNMOBIL) zwischen Juni 2006 und Juni 2007 ausgediente Dieselbusse durch neue Gasbusse ersetzt. Aus ökologischen Gründen sollten mindestens 30 Gasbusse mit Biogas aus der Kläranlage Bern betrieben werden. Der vorliegende Bericht beschreibt die Erfahrungen, die während der Umstellung von herkömmlichem Dieseltreibstoff auf Gastreibstoff gemacht wurden. Zu diesem Zweck wurden 6 Aspekte des Betriebs der Gasbusse untersucht und mit herkömmlichen Dieselbussen verglichen:
1) Erfahrungen mit der Gas-Technologie: Die Anpassungen der Infrastruktur wurden erfasst und technische Probleme, die zum Ausfall von Gasbussen führten, wurden analysiert.
2) Treibstoff und Energieverbrauch: Der Treibstoffverbrauch von Gas- und Dieselbussen wurde, unter Berücksichtigung des Energieverbrauchs für die Produktion der Treibstoffe, verglichen.
3) Emissionen und Lufthygiene: Die Emissionen von Gas- und Dieselbussen wurden auf Testfahrten in der Stadt und auf einem Rollenprüfstand gemessen und mit anderen Bustypen verglichen. Zudem wurde anhand einer Life-Cycle Analyse die Umweltbelastung durch den Gasbus-Betrieb mit dem Dieselbus-Betrieb verglichen.
4) Betriebliche Umstellungen: Die betrieblichen Umstellungen und der damit verbundene Mehraufwand wurden während der gesamten Einführung der Busse aufgezeichnet und analysiert.
5) Finanzielle Aspekte: Es werden die in diesem Zusammenhang involvierten Partner aufgeführt und die getroffenen Vereinbarungen und Finanzflüsse dargestellt.
6) Akzeptanz der Gasbusse: Die innerbetriebliche und die öffentliche Akzeptanz der Gasbusse wurden anhand von Umfragen in der Bevölkerung und bei Mitarbeitern von BERNMOBIL analysiert.
Die Einführung der Gas-Technologie bei BERNMOBIL bedingte eine Anpassung der Infrastruktur innerhalb des Busdepots von BERNMOBIL. Insbesondere wurde eine Gasbetankungsanlage im Busdepot gebaut, um die Busse an ihren Abstellplätzen über Nacht betanken zu können. Sechs Monate nach der Inbetriebnahme kam es bei Unterhaltsarbeiten an der Tankanlage zu einer fatalen Entzündung von Gas, dadurch wurde die Kompressoranlage zerstört. Die gesamte Anlage musste während fast einem Jahr stillgelegt und vollständig saniert werden. Aufgrund dieses Zwischenfalls mussten u.a. aus Sicherheitsgründen zusätzliche Belüftungsfenster in das Busdepot eingebaut werden. Der Ausfall der Tankanlage führte zu einem beachtlichen Mehraufwand, da alle Busse während der Sanierung an Ausweichtankstellen betankt werden mussten. Technische Störfälle bei den Gasbussen waren mehrheitlich nicht auf die Gas-Technologie zurückzuführen. Vielmehr waren Störungen der automatischen Türen die häufigsten Ursache für Betriebsausfälle der Busse. Nur etwa 15% aller registrierten Störfälle waren direkt auf die Gas-Antriebstechnologie zurückzuführen.
Der Treibstoffverbrauch der Gasbusse lag im ersten Jahr der Einführung rund 20% über dem erwarteten Verbrauch. Zudem wurden die Busse anfangs nicht optimal aufgetankt, weshalb die Tanks der Busse nicht immer vollständig gefüllt wurden. Dies führte anfangs zu betrieblichen Schwierigkeiten, da der Gasvorrat der Busse nicht immer für einen gesamten Tageseinsatz reichte und die Busse zusätzlich betankt werden mussten. Durch Feineinstellungen des Motors der Gasbusse konnte der Verbrauch nachträglich um rund 8% verringert werden. Dennoch liegt der Energieverbrauch der Gasbusse mit 68 kg pro 100km etwa 35% über dem Energieverbrauch der Dieselbusse. Durch den niedrigeren Treibstoffverbrauch und angepasstes Betanken können heute alle Gasbusse einen Tageseinsatz ohne zusätzliches Tanken erfüllen.
Zur Ermittlung der Emissionen wurden einerseits auf dem städtischen Verkehrsnetz in Bern Onboard-Messungen eines Gas- wie auch eines Diesel-Gelenkbusses (zu Vergleichszwecken) durchgeführt. Zudem wurde ein Gas-Solobus auf dem Rollenprüfstand der TU Graz ausgemessen. Onboard- Messungen wie auch die Rollenprüfstandsmessungen zeigen, dass die neuen Gasbusse weniger Stickoxide und weniger Russ ausstossen als die Dieselbusse. Die Emissionen der Gasbusse liegen in allen gemessenen Fahrzyklen unter der neuen EU-Abgasnorm EEV. Wird der gesamte Life-Cycle (inklusive Luftemissionen während der Produktion des Treibstoffes) betrachtet, so wird der ökologische Vorteil der Gasbusse noch deutlicher. Da BERNMOBIL die Gas-Gelenkbusse mit Biogas aus der örtlichen Kläranlage betreibt, sind die CO2-Emissionen der Gelenkbusse aus einer Life-Cycle-Sicht gleich Null zu setzen. Durch den Busbetrieb mit Biogas reduziert sich der jährliche CO2-Ausstoss von BERNMOBIL um rund 2300 Tonnen CO2. Werden sämtliche Luftemissionen der Gas- und Dieselbusse mit Hilfe der ‚Methode der ökologischen Knappheit’ in Umweltbelastungspunkte umgerechnet, so ist der Busbetrieb mit Biogas klar ökologischer als der Betrieb mit Erdgas oder Diesel und ist etwa vergleichbar mit Trolleybussen.
Die grössten betrieblichen Umstellungen durch die Einführung der Gasbusse sind auf die Probleme mit der Gastankstelle zurückzuführen. Falls die Gastankstelle im Busdepot jedoch wie vorgesehen – und wie inzwischen auch umgesetzt – betrieben werden kann, besteht kaum ein Mehraufwand durch den Betrieb der Gasbusse.
Die finanziellen Rahmenbedingungen sind nicht unerheblich für einen Entscheid wie die Einführung einer alternativen Traktionsart. Grundsätzlich ging BERNMOBIL von der Maxime aus, die Einführung von Gasbussen habe für BERNMOBIL kostenneutral – im Vergleich zu einer Ersatzbeschaffung von konventionellen Dieselbussen – auszufallen. Durch den Einbezug mehrerer Akteure konnten die Mehraufwendungen auf verschiedene Partner aufgeteilt werden. So finanzierten der GVM Mittelland und ewb die Mehrkosten der Fahrzeuge, ewb übernahm die Erstellung und Betrieb der Gasbetankungsanlage, wobei hier der Ökofonds der Stadt Bern einen namhaften Beitrag leistete. Kostenneutral für BERNMOBIL sind auch die Energiekosten, wobei positiv ins Gewicht fällt, dass Biogas seit dem 1. Juli 2008 von der Mineralölsteuer befreit ist. Mengenmässig hat sich ewb zur Lieferung von jährlich 1 Mio. kg Biogas verpflichtet. Aus diesem Anlass hat sich ewb an der Finanzierung der neuen Biogas-Anlage bei der ARA Bern beteiligt.
Umfragen bei der Bevölkerung und bei den Mitarbeitern von BERNMOBIL zeigen, dass die Gasbusse eine grosse Akzeptanz geniessen. Insbesondere wird der ökologische Vorteil der Gasbusse von den Befragten geschätzt. Anhand dieser Untersuchungen konnten die wichtigsten Vor- und Nachteile von Gasbussen gegenüber Dieselbussen identifiziert werden. In Anbetracht sämtlicher untersuchter Aspekte überwiegen die positiven Auswirkungen und die Einführung der Gasbusse kann – trotz der Schwierigkeiten, die in erster Linie auf die Probleme mit der Gastankstelle zurückzuführen waren – als Erfolg gewertet werden.
Auftragnehmer/Contractant/Contraente/Contractor: Infras
Autorschaft/Auteurs/Autori/Authors: Keller,Mario Kljun,Natascha Finger,David
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