Das Projekt «Frühlesen und Frührechnen als soziale Tatsachen»
(«FLRProjekt») hat eine Laufzeit von 1995 bis 2008. Es handelt sich um eine Längsschnittstudie, in deren Mittelpunkt die Fragen stehen, (a) inwiefern frühes Lesen- und Rechnenlernen mit Hochbegabung verbunden ist und (b) welche Schulkarrieren, Berufslaufbahnen und Entwicklungsverläufe junge Menschen zu verzeichnen haben, die bei Schuleintritt bereits lesen und rechnen können, d.h. welche langfristigen Wirkungen ein früher Kompetenzerwerb, d.h. vorschulisches Lesen- und Rechnenlernen, hat.
Das Projekt wird teilfinanziert von den Kantonen Aargau, Appenzell AR, Basel-Landschaft, Glarus, Graubünden, Schwyz, St. Gallen und Wallis (deutschsprachiger Teil) sowie dem Fürstentum Liechtenstein.
Gestartet wurde es im Herbst 1995 mit 200 Schulklassen und 2711 Kindern, die soeben in die Schule eingetreten waren. Sechs Wochen nach Schuleintritt wurden alle Kinder mit einem umfassenden Instrumentarium zur Erfassung der Lernausgangslagen im Lesen und in Mathematik getestet. Diejenigen Kinder, welche den Test absolut fehlerfrei bearbeiteten, wurden in die Stichprobe entweder als Frühleser/in (FL), als FrührechnerIn (FR) oder – wenn in beiden Kompetenzbereichen fehlerfrei gearbeitet wurde – als FrühleserIn und FrührechnerIn (FLR) aufgenommen. Diesen insgesamt 200 Kindern wurde eine gleich grosse Kontrollgruppe mit Kindern, die über keine entsprechenden Vorkenntnisse verfügten, gegenübergestellt. Bislang sind fünf Teilprojekte durchgeführt worden: 1995 (Schuleintritt); 1996 (Mitte erste Klasse); 1998 (dritte Klasse); 2000 (fünfte Klasse); 2003 (achte Klasse). Geplant sind noch deren zwei: 2006 und 2008.
Markantestes Ergebnis der Studie ist, dass vorschulisches Lesen- und Rechnenlernen in der Kombination mit eigenmotivierter Aneignung zwei zentrale Indikatoren für eine überdurchschnittliche intellektuelle Begabung und für die Garantie eines nachhaltigen Schulerfolgs darstellen. Andererseits gilt jedoch auch, dass keine überdurchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten nötig sind um vor der Schule lesen und rechnen zu lernen. In diesem Fall kann eine Instruktion durch die Eltern ebenfalls Schulerfolg bringen, allerdings nur kurzfristiger Art. Als zweites bedeutsames Ergebnis hat sich der teils erwartete, aber doch überraschende Fakt herausgestellt, wonach überdurchschnittliche Intelligenz und eigenmotivierter vorschulischer Kompetenzerwerb nicht vor schulischem Misserfolg schützt: 42 Jugendliche (13 %) sind als so genannte Minderleister zu bezeichnen. Sie alle hatten zwischen der dritten und sechsten Klasse teilweise dramatische Leistungsabfälle zu verzeichnen, so dass sie überzufällig häufig in Realschulen, den anforderungsniedrigsten Schultypen, anzutreffen waren. Die berufliche/akademische Entwicklung und die Einmündung ins Erwerbsleben dieser erfolg- und misserfolgreichen Jugendlichen werden deshalb von zentralem Interesse sein. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil (a) ca. 70% der leistungsstarken Jugendlichen auf dem Weg in die Berufsbildung sind (und nicht in der gymnasialen Ausbildung) und (b) weil 20% unserer überdurchschnittlich intelligenten ProbandInnen aus eher bildungsfernen Milieus stammen.