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Forschungsstelle
BAG
Projektnummer
05.002308
Projekttitel
Oekonomische Aspekte von Gesundheitskompetenzen

Texte zu diesem Projekt

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Schlüsselwörter
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Erfasste Texte


KategorieText
Schlüsselwörter
(Deutsch)
Gesundheitskompetenz, volkswirtschaftlicher Nutzen, ökonomische Aspekte von Gesundheitskompetenz
Kurzbeschreibung
(Deutsch)

Am 17. und 18. November 2005 findet ein vom BAG organisierter Workshop "Gesundheitskompetenzen" statt. Verschiedene fachliche Seiten thematisieren das Thema. Der Frage des vokswirtschaftlichen Nutzens muss speziell nachgegangen werden.

Projektziele
(Deutsch)
Teilnahme am Workshop, Verfassung eines Konzeptpapiers zum Thema „Ökonomische Aspekte von Gesundheitskompetenz“.
Abstract
(Deutsch)

Ökonomische Aspekte der Gesundheitskompetenzen

Ausgangslage: Im angelsächsischen Raum wird seit einigen Jahren das Konzept der «Health Literacy» diskutiert. Im Deutschen wurde der Begriff jüngst mit«Gesundheitskompetenzen» umschrieben. Gemeint sind damit Fähigkeiten des oder der Einzelnen, im täglichen Leben Entscheidungen zutreffen, die sich positiv auf die Gesundheit auswirken– zu Hause, in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem, im Markt und auf politischer Ebene. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat das Thema aufgenommen und im vergangenen Herbst in Bern einen Workshop durchgeführt. Es partizipierten Expert/innen aus verschiedensten Disziplinen. Nichtvertreten war die Sichtweise der Ökonomie. Das BAG beauftragte daher das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS), in einem Konzeptpapier die ökonomischen Aspekte der Gesundheitskompetenzen zu untersuchen.

Fragestellungen und methodisches Vorgehen: Aufgeworfen wurden vom BAG eine Reihe von grundsätzlichen Fragen, aber auch detailliertere Fragen zu zwei inhaltlichen Vertiefungsbeispielen. Auf der grundsätzlichen Ebene stellt sich die Frage, welche ökonomischen Aspekte beim Thema der Gesundheitskompetenzen überhaupt zu unterscheiden sind. In den Vertiefungsbereichen des Gesundheitswesens bzw. des Bildungswesens soll insbesondere untersucht werden, welche volkswirtschaftliche Bedeutung fehlenden Gesundheitskompetenzen zukommen und welche Investitionen vorgenommen werden müssen, um die Gesundheitskompetenzen zu erhöhen. Schliesslich wurde auch die Frage nach dem Forschungsbedarf aufgeworfen. Die vorliegende Studie entspricht einer Konzeptarbeit. Es wurden keine ausführlichen Analysen der vorhandenen Literatur vorgenommen, weil diese zu diesem neuen Thema noch relativ spärlich und kaum auf die Schweiz bezogen ist. Vielmehr wurden vorhandene ökonomische Konzepte auf das Thema der Gesundheitskompetenzen angewandt.

Ökonomische Auswirkungen der Gesundheitskompetenzen: Volkswirtschaftlich interessante Aspekte entstehen sowohl beim Entstehungsprozess der Gesundheitskompetenzen, wie aber auch im Bereich der Auswirkungen. Der Entstehungsprozess ist stark mitbedingt durch interne Voraussetzungen (Ressourcen) der Individuen (Alter, Geschlecht, sozioökonomischer Status etc.), aber auch durch gesellschaftliche Bedingungen, insbesondere durch die Investitionen in Bildung, Kultur, Erziehung, Prävention, Gesundheitsbildung und -förderung. Die individuell vorhandenen Gesundheitskompetenzen haben direkte und über einen verbesserten Gesundheitszustand indirekte Auswirkungen im Gesundheitswesen, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Im Gesundheitsweisen sind bspw. bessere Ergebnisse von Therapien zu erwarten, wenn die Versicherten ausreichend Gesundheitskompetenzen aufweisen. In der Wirtschaft kommt es zu weniger Krankheitsabwesenheiten, weil die Menschen kompetenter mit ihrer Gesundheit umgehen können. Gleichzeitig stellt das zur Verfügung stellen von Informationen zur Ausbildung der Gesundheitskompetenzen einen eigenen Markt dar. Erhöhte Gesundheitskompetenzen führen zu reduzierten Ausgaben für Gesundheit und eröffnen dadurch alternative Konsummöglichkeiten. Im Bereich der Gesellschaft sind bei der unbezahlten Haushaltsund Freiwilligenarbeit weniger Absenzen zu beklagen, wenn die Menschen gesundheitskompetenter und in der Folge gesünder sind. Besonders wichtig sind die Gesundheitskompetenzen bei Personen, die Kinder und Jugendliche bzw. ältere Menschen betreuen und für diese (teilweise) stellvertretend gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen. Weder die Gesundheitskompetenzen selbst noch ihre Auswirkungen im Gesundheitssystem, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft sind für die Schweiz empirisch untersucht. Es stellen sich in diesem Zusammenhang daher viele Forschungsfragen.

Gesundheitskompetenzen im Gesundheitswesen: Die Gesundheitskompetenzen sind im Gesundheitswesen von hervorragender Bedeutung. Die Versicherten müssen fähig sein, Informationen zu sammeln, kritisch auszuwerten und zu vergleichen, mit anderen Versicherten, Leistungserbringer/innen und Versicherern kompetent zu kommunizieren sowie die Vor- und Nachteile verschiedener diagnostischer und therapeutischer Massnahmen bzw. verschiedener Angebote von Versicherern abzuwägen. Fehlende Gesundheitskompetenzen wirken sich auf alle Zielbereiche der Krankenversicherung aus. Die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken wird aufgeweicht, weil nichtkompetente Personen häufiger krank sind. Dies betrifft wiederum häufiger Menschen aus sozial tieferen Schichten, wodurch es aufgrund der Kopfprämienfinanzierung und der Kostenbeteiligungen auch zu einer Entsolidarisierung zwischen Reich und Arm kommt.

Fehlende Gesundheitskompetenzen erhöhen die Kosten des Gesundheitswesens, weil die Menschen kränker sind und die Behandlungen weniger zielgerichtet durchgeführt werden können. Geht man von Schätzungen aus den USA aus und passt sie auf die Schweiz an, so dürften rund 3 Prozent der Gesundheitskosten auf zu geringe Gesundheitskompetenzen zurückzuführen sein. Dies entspricht in der obligatorischen Krankenversicherung einem Betrag von 694 Millionen Franken, im gesamten Gesundheitswesen einem solchen von 1.5 Milliarden Franken.

Selbstverständlich wirken sich die fehlenden Gesundheitskompetenzen auch im dritten Zielbereich, der qualitativ guten Versorgung, aus. Weniger kompetente Menschen dürften eine schlechtere Versorgung bekommen, weil sie sich weniger gut mit den Ärzt/innen verständigen können und die Compliance tiefer ist.

Die Auswirkungen fehlender Gesundheitskompetenzen können mit verschiedenen Massnahmen reduziert werden. Zu Beginn steht sicher die Sensibilisierung aller beteiligten Akteur/innen für das Problem der fehlenden Gesundheitskompetenzen. Dazu gehört auch die Entwicklung entsprechender Messinstrumente. Weiter müssen mehr Informationen, aber in geeigneter Art, zur Verfügung gestellt werden. Ganz wichtig ist die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Ärzt/innen bzw. den Spitälern und den Patient/innen. Dazu braucht es eine Reihe von Massnahmen, bei den Migrant/innen nicht zuletzt im Bereich der interkulturellen (Sprach-) Vermittlung. Zu denken ist auch an eine Anpassung der Abgeltungssysteme, um den Leistungserbringer/innen Anreize zu geben, vermehrt in die Aufdeckung von fehlenden Gesundheitskompetenzen zu investieren. Neben der genannten Aufdeckung geht es aber auch um den Aufbau bzw. den Erhalt von Gesundheitskompetenzen. Besondere Bedeutung bekommen hier Disease-Programme, die mit Patient/innen und ihren Angehörigen an der optimalen Versorgung arbeiten. Im Rahmen von Managed-Care-Organisationen wird dies heute bereits (teilweise) gemacht.

Investitionen in die Gesundheitskompetenzen kosten und können weitere Folgekosten nach sich ziehen. Studien belegen, dass im heutigen institutionellen Rahmen Patient/innen oft Leistungen nachfragen, die die Ärzt/innen gar nicht verschrieben hätten. Es kann vermutet werden, dass erhöhte Gesundheitskompetenzen diese Tendenz noch verstärken. Um dies zu verhindern, müsste das System der Einzelleistungsvergütung der Ärzt/innen angepasst werden.

Empfehlungen an das BAG: Dem Bundesamt für Gesundheit kommen im Bereich der Gesundheitskompetenzen im Gesundheitswesen verschiedene strategisch wichtige Aufgaben zu:

¦ Ganz zentral ist die Sensibilisierung aller Akteur/innen (Versicherten, Leistungserbringer/innen, Versicherer, Kantone) für das Thema der Gesundheitskompetenzen. Dazu gehört die Information der Akteur/innen, aber auch deren Beratung. Dazu müssen BAG-intern entsprechende Kompetenzen aufgebaut und gebündelt werden.

¦ Dann gilt es im Bereich der BAG-eigenen Tätigkeiten, bspw. im Bereich der Prävention, alle Kommunikationsstrategien daraufhin zu prüfen, ob sie auch von Menschen mit geringen Gesundheitskompetenzen verstanden werden können.

¦ Im Bereich der Massnahmen Im Gesundheitswesen zur Dämpfung der negativen Auswirkungen mangelnder Gesundheitskompetenzen fällt dem BAG in mindestens vier Feldern eine wichtige Aufgabe zu:

1) Es sind die Anreize im Gesundheitswesen derart zu ändern, dass die wichtigsten Akteur/innen von sich aus ein Interesse daran haben, ihre Tätigkeiten auch auf Menschen mit geringen Gesundheitskompetenzen auszurichten. Hierzu müssen zuerst entsprechende Forschungen vorgenommen werden, wie dies am besten gemacht werden kann.

2) Weiter sind Änderungen in den Rahmenbedingungen des Gesundheitswesen anzugehen, die die Navigation der Menschen mit weniger Gesundheitskompetenzen erleichtern. Dazu könnte bspw. ein erleichtertes Wechselverfahren zwischen Versicherern gehören (bspw. Könnten Kassenwechsel in der Grundversicherung ohne direkten Kontakt mit den Versicherern an der Poststelle durchgeführt werden).

3) Das BAG muss eine Führungsrolle bei der Aufbereitung von Benchmark-Informationen übernehmen. Alle anderen Akteur/innen sind interessengebunden und daher wenig glaubwürdig. Da viele dieser Informationen heute nicht verfügbar sind, bedeutet dies ein starkes Engagement des Bundes im Aufbau eines Benchmarksystems.

4) Das BAG sollte darüber hinaus auch die Verantwortung für besonders gefährdete Gruppen übernehmen, für die sich andere Stellen nur am Rande interessieren oder für die andere Stellen zu wenig finanzielle Mittel haben. Dazu gehört bspw. die Gruppe der Migrant/innen.

¦ Auch im Bereich der Massnahmen im Gesundheitswesen, die die Gesundheitskompetenzen erhöhen können, kommt dem BAG eine zentrale Rolle zu:

a) Durch die Veränderung der Rahmenbedingungen im KVG sollte dafür gesorgt werden, dass sich Versorgungsstrukturen entwickeln, die mit Menschen, die geringere Gesundheitskompetenzen aufweisen, besser umgehen können. Dies ist bspw. bei integrierten Versorgungsformen wie Managed-Care der Fall.

b) Die Arbeitgeber/innen und die Gewerkschaften spielen eine zentrale Rolle beim Erhalt und Aufbau der Gesundheitskompetenzen. In diesem Bereich kommt dem BAG und den anderen Partner/innen (SUVA, Bundesamt für Sozialversicherung, seco etc.) zum einen eine Sensibilisierungsaufgabe zu. Zum anderen sind aber auch Massnahmen zu prüfen, die den genannten Akteur/innen mehr Anreize geben, die Gesundheitskompetenzen zu erhalten und aufzubauen. Hierzu braucht es entsprechende Forschungsarbeiten.

c) Es muss geprüft werden, wie das BAG PatientInnen-Organisationen und Selbsthilfegruppen besser unterstützten kann. In derartigen Gruppen können Gesundheitskompetenzen sehr spezifisch aufgebaut werden.

d) Fehlende Gesundheitskompetenzen wirken sich auch auf die Solidarität zwischen Gesund und Krank bzw. zwischen Reich und Arm aus. Menschen aus sozial tieferen Schichten sind über-proportional häufig krank und haben unterdurchschnittlich ausgebildete Gesundheitskompetenzen. Das BAG sollte daher die Massnahmen verstärken, die die soziale Ungleichheit bekämpfen.

Bildung und Gesundheitskompetenzen: Verschiedene Studien zeigen für die Schweiz, dass die Schul- und Berufsbildung das Gesundheitsverhalten und den Gesundheitszustand beeinflussen. Beide Elemente sind zentral für die Inanspruchnahme von medizinischen Dienstleistungen. Menschen mit geringer Schulbildung nehmen überproportional häufig den Notfalldienst und die Allgemeinärzt/innen in Anspruch. Gleichzeitig unternehmen sie sehr viel weniger Massnahmen zur Prävention bzw. zur Früherkennung von Krankheiten. Auf allen Stufen der Bildung – Sekundarstufe 1, Sekundarstufe 2, Tertiärausbildungen, Weiterund Fortbildungen – können und werden heute bereits Gesundheitskompetenzen gebildet bzw. erhalten. Die vorhandenen Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass dies aber noch zu wenig erfolgreich geschieht. Es ist daher zu prüfen, ob auf den verschiedenen Stufen des Bildungswesens dem Thema der Gesundheitskompetenzen nicht eine grössere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Dabei stehen drei Gruppen im Vordergrund:

Erstens die jungen Menschen, die sich die Kompetenzen für das vor ihnen liegende Leben aneignen.

Zweitens aber auch diejenigen Menschen zwischen 56 und 85 Jahren, die heute den Grossteil der Gesundheitskosten verursachen. Bei den Erwerbstätigen dieser Gruppe könnte über die berufliche Fort- und Weiterbildung zugegriffen werden. Es ist zu prüfen, ob in diesem Bereich den Arbeitgeber/innen (finanzielle) Anreize gesetzt werden sollen, damit sie entsprechende Angebote bereitstellen bzw. (teil-)finanzieren. Bei den Nichterwerbstätigen ist die Aufgabe ungleich schwieriger, weil sie nicht über die Arbeitgeber/innen angegangen werden können. Drittens steht die Gruppe der jungen und mittelalterlichen Erwachsenen, die andere junge bzw. alte Menschen betreuen und für sie gesundheitsrelevante Entscheidungen treffen, im Zentrum.

Forschungsbedarf: Gesundheitskompetenzen stellen im wissenschaftlichen Kontext sowie in der politischen Diskussion ein neueres Konzept dar. Ihre grosse Bedeutung für das zielgerichtete Funktionieren des Gesundheitswesens wird zurzeit nach und nach erkannt. Da man in der Schweiz, aber auch international, noch am Beginn steht, ergeben sich viele und grundlegende Forschungsfragen. Der Forschungsbedarf ist somit ausgewiesen und aufgrund der (geschätzten) volks-wirtschaftlichen Bedeutung der Gesundheitskompetenzen dringend. Im Bereich der ökonomischen Bedeutung der Gesundheitskompetenzen stehen folgende Fragenkomplexe im Vordergrund:

¦ Die volkswirtschaftlichen Folgen mangelnder Gesundheitskompetenzen müssen in drei Bereichen quantifiziert werden: Im Gesundheitswesen, in der Wirtschaft und in der Gesellschaft. Umgekehrt muss aufgezeigt werden können, welche Kosteneinsparungen erhöhte Gesundheitskompetenzen mit sich bringen würden.

¦ Es müssen Kosten-Nutzen-Analysen von Massnahmen zur Erhöhung bzw. zum Erhalt der Gesundheitskompetenzen durchgeführt werden.

¦ Es muss untersucht werden, wie die Anreize im Gesundheitswesen verändert werden können, damit Versicherer, Leistungserbringer/innen und Versicherte sich aktiver für die Aufdeckung und die Beseitigung der Defizite im Bereich der Gesundheitskompetenzen einsetzen.

Fazit: Obschon wir in der Schweiz über das Ausmass der fehlenden Gesundheitskompetenzen noch recht wenig wissen, zeigt die vorliegenden Überlegungen, dass die dadurch ausgelösten ökonomischen Probleme von grosser Tragweite sein können. Es besteht daher mehrfach Handlungsbedarf: Zum einen sollten die Gesundheitskompetenzen gemessen werden. Zum anderen sollte im umfassenden Sinne über Massnahmen nachgedacht werden, wie die Defizite behoben werden können.

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