Die Besorgnis, dass sich Kinder heute zu wenig bewegen, wird in den Medien breit diskutiert. Trotzdem existieren aus der Schweiz bis jetzt nur wenige Daten zum Aktivitätsverhalten von Kindern und Jugendlichen, für unter 10-Jährige fehlen solche Informationen sogar ganz. Insbesondere die Ursachen, die zu einer zunehmenden Bewegungsarmut führen, sind - auch international - noch sehr wenig erforscht.
In der vorliegenden Studie wurde bei 1'345 Kindern und Jugendlichen aus drei Altersgruppen (6j7-Jährige, 9j10-Jährige und 13j14-Jährige) und drei Gemeinden (Bern, Biel und Payerne) mittels Elternfragebogen das Bewegungsverhalten im Alltag, untersucht. 188 Kinder haben zusätzlich während je einer Woche im Herbst/Winter und im Frühling einen Beschleunigungsmesser getragen und gleichzeitig an vier Tagen ein Bewegungstagebuch geführt. Mittels Fragebogen wurden auch die Adressen der Kinder erfragt. Diese (n= 1'096) dienen als Grundlage für die Zuordnung objektiver Verkehrs- und Umweltdaten zur jeweiligen Wohn- und Schulwegumgebung.
Der verwendete Fragebogen musste neu entwickelt, validiert und die Fragen auf Qualität und Plausibilität geprüft werden. Die wenigen bis anhin existierenden validierten Fragebogen zur körperlichen Aktivität von Kindern waren für unsere Studie ungeeignet. Entweder waren die Fragen aus den USA und nicht auf Schweizer Verhältnisse übertragbar oder das Gewicht lag auf der Erfassung von organisiertem Sport, obwohl Kinder den grössten Teil der Bewegung durch freies Spielen oder durch das Zurücklegen von Wegen aus eigener Kraft erreichen.
Wie aus internationalen Studien hervorgeht, trägt alleine der Schulweg wesentliche Zeit zum täglichen Bewegungsbedarf bei (1-3). Laut den Ergebnissen aus dem EIternfragebogen der vorliegenden Untersuchung werden 9.5% der Kinder täglich oder mehrmals wöchentlich mit dem Auto zur Schule gebracht. Die Art und Weise, wie der Schulweg zurückgelegt wird, unterscheidet sich allerdings nach Ort. Während in Bern über 90% der Kinder den Schulweg zu Fuss oder mit dem Velo zurücklegen, sind es in Biel mit gut 75% und in Payerne mit 60% wesentlich weniger Kinder (p<0.001). Allerdings scheinen Kinder aus Payerne im Durchschnitt auch längere Schulwege zu haben und mehr mittel bis stark befahrene Strassen kreuzen zu müssen. 36.1 % aller Eltern schätzen den Kindergarten-/Schulweg ihrer Kinder als "etwas" bis "sehr unsicher" ein. Bei den Eltern von Kindergartenkindern und Kindern der 1. Klasse sind es sogar 46.3%. 88.7% geben als Grund für die Unsicherheit des Kindergarten-/Schulwegs "Gefahren durch den Strassenverkehr" an. Eltern, die den Kindergarten-/Schulweg ihrer Kinder als "etwas gefährlich" bis "sehr gefährlich" einstufen, begleiten ihre Kinder öfter (p<0.001). Dies hat auch einen Einfluss auf die Fortbewegungsmethode: Kinder, die täglich oder mehrmals pro Woche von einer erwachsenen Person in die Schule begleitet werden, legen ihren Schulweg signifikant häufiger mit dem Auto zurück (p<0.001).
Für das Erfassen der Spiel- und Freizeitaktivitäten mussten die Eltern die Zeitdauer angeben, die ihr Kind mit verschiedenen Beschäftigungen unterschiedlicher Intensität verbringt. Sämtliche Aktivitäten wurden in die Intensitätsstufen "inaktiv", "mässig stark aktiv" und "stark aktiv" eingeteilt und nach den demographischen Einflussgrössen Ort, Geschlecht, Alter, Ausbildung der Mutter und Nationalität verglichen. Das deutlichste Ergebnis war die signifikante Abnahme der körperlichen Aktivität mit dem Alter, was sich auch mit den Accelerometermessungen deckt. Übereinstimmend zwischen Fragebogen und Accelerometermessung konnte auch ein unterschiedliches Bewegungsverhalten zwischen den Geschlechtern beobachtet werden: während Knaben und Mädchen ähnlich viel Zeit in einer Aktivitätsintensität verbringen, die als gesundheitsrelevant erachtet wird ("mässig stark aktiv" und "stark aktiv" zusammengefasst), sind Knaben signifikant längere Zeit stark aktiv.
Ein individueller Vergleich der Fragebogenergebnisse mit den Accelerometermessungen mittels Tertileinteilung ergab eine Übereinstimmung um die 40-50%.