Short description
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Eine äusserst umfangreiche wissenschaftliche Literatur beschreibt zahlreiche Faktoren, die das Fliessgleichgewicht zwischen Trainingsreiz und Erholung beeinflussen und damit zu Überbelastung führen können. Je nach systemischem Ansatz werden dabei physiologische, hämatologische, immunologische, biochemische, endokrine oder psychologische Ansätze verfolgt. In der aus sportpraktischer Sicht wünschbaren Früherkennung eines allfälligen Übertrainings hat sich bis jetzt kein Ansatz als eindeutig überlegen erwiesen.
Es ist denkbar, dass eine Kombination von zwei Ansätzen, beispielsweise eines leistungsphysiologischen sowie psychologischen Approaches, in der Lage ist, Frühzeichen eines drohenden Übertrainings besser zu erkennen. Entsprechend hat das Sportwissenschaftliche Institut des BASPO in Zusammenarbeit mit dem Anatomischen Institut der Universität Bern im Frühling 1999 eine interdisziplinäre, leistungsphysiologisch-psychologische Prospektivstudie mit hochtrainierten Ausdauerspezialisten, die sich am SWI Tests und verschiedenen Messungen unterzogen, begonnen. Während der Saison 1999 dokumentierten die 10 Athletinnen und Athleten ihr Training präzise, unterzogen sich periodischen Laktat-Stufen-Tests auf Laufband oder Veloergometer, registrierten standardisiert ihr Herzfrequenzverhalten morgens nach dem Aufstehen (Orthostase-Test) und beurteilten periodisch ihre psychologische Disposition mittels standardisierter Erhebungsinstrumente (Profile of moodstates, Erholungs-Belastungs-Fragebogen). Die erhobenen Daten müssen nun definitiv aufbereitet werden (elektronische Form), interdisziplinär analysiert, interpretiert und beschrieben werden. Diese wissenschaftlich anforderungsreiche Arbeit kann nur von einer sich substantiell engagierenden, sich auf diese Aufgabe konzentrierenden und kompetenten Person gelöst werden.
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Abstract
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Roger Vogel Sportwissenschaftliches Institut (SWI), Bundesamt für Sport (BASPO), Magglingen
"Übertraining": Begriffsklärungen, aetiologische Hypothesen, aktuelle Trends und methodische Limiten
ZUSAMMENFASSUNG
Hochleistungsathleten bewegen sich auf dem schmalen Grat zwischen zu geringem Training, um Spitzenleistungen zu erbringen und Overreaching, mit entsprechend gravierenden Konsequenzen für Training und Wettkampf. Overreaching (OR, Überbelastung) bezeichnet einen Zustand, der durch einen ungeplanten und primär unerwarteten Leistungseinbruch gekennzeichnet ist. Diese Überbelastung ist das Resultat eines länger dauernden Ungleichgewichts zwischen Belastungs- und Erholungsfaktoren des Sportlers. Eine unbehandeltes Overreaching kann zu einem Übertrainings-Syndrom führen. Mit Übertrainings-Syndrom (Overtraining Syndrome, OTS oder Staleness) wird ein Symptomkomplex mit Krankheitswert bezeichnet, der auf eine systemische Erschöpfung des Athleten zurückzuführen ist. OR und OTS induzieren eine Vielfalt an strukturellen, neuroendokrinologischen, immunologischen, physiologischen und psychologischen Veränderungen. Aus diesem Grund kann kein einzelner, allgemeingültiger Parameter diese Veränderungen alleinig charakterisieren. Entsprechend vielfältig sind auch die Hypothesen, die der Pathophysiologie von OR und OTS zu Grunde gelegt werden. Ein Überblick über die gängigen Modellvorstellungen bezüglich Genese von OR und OTS wird in der vorliegenden Arbeit gegeben.
Die Erforschung von Overreaching und Übertrainings-Syndrom ist schwierig. Ein Konsens bezüglich Nomenklatur und operationalisierter Kriterien fehlt bis heute. Die Erkenntnisse, die mittels experimentellem Ansatz und unter standardisierten Bedingungen gewonnen wurden, konnten bisher nicht vorbehaltlos auf ein einzelnes Individuum, insbesondere nicht auf Spitzenathleten übertragen werden. Ein individueller Studienansatz erscheint hier wünschbar. Vielversprechend erscheinen Studien, welche die aktuellen Testresultate eines Athleten mit seiner mehrfach dokumentierten "Referenz-Leistungsfähigkeit ohne formaufbauendes Training" (Baseline) vergleichen. Jede Beobachtungsstudie muss zugunsten der langfristigen Durchführbarkeit und der klinischen Relevanz einen Verlust an standardisierten Bedingungen hinnehmen.
Der vielversprechendste Weg im Hinblick auf Trainingsmonitoring und Früherkennung von OR und OTS dürfte eine noch systematischere Suche nach dem individuellen Verhalten von Parametern und Parameterkombinationen sein.
SUMMARY
"Overtraining": Definitions, hypotheses, recent trends and methodological limitations
Elite athletes are living on the edge between not training enough to achieve peak performance, and a state called overreaching, with its possible deteriorating effects on competition and training. Overreaching (OR) is characterised by an unplanned and unexpected drop in performance despite increased or maintained training load. OR is the result of a long-term imbalance between stressors and factors of recovery. Untreated OR may lead to Overtraining Syndrome (OTS; staleness), a state characterised by a complex of symptoms and signs of exhaustion and persistent fatigue.
OR and OTS both induce a multitude of changes within structural, neuro-endocrinological, immunological and psychological systems. Thus, it is extremely unlikely that only one single valid parameter characterizes all these changes. The multitude of partly conflicting hypotheses about the genesis of OR and OTS are reflecting this problem. The current hypotheses are briefly reviewed in the present paper.
Research in OR and OTS is a challenging task. A consensus about terminology and operationalized criteria is still lacking. Caution must be taken when conclusions drawn from experimental studies under standardized conditions are transferred to one special individual, especially to an elite athlete. Study designs based upon an individualized approach seem to be more suitable. Studies comparing recent results of performance tests and monitoring parameters intraindividually with multiple test results gained during off-season ("baseline values") seem to be promising. However, for the sake of clinical relevance and practicability, reduced standardisation is inherent to every observational study.
We feel that an even more systematic search for individual susceptibilities regarding the predicting parameters of OR and OTS is the most promising road to monitor the training regimen of a given athlete, and to detect early signs of OR.
Roger Vogel1, Bernard Marti1, Daniel Birrer1, Toni Held1, Roland Seiler1, Hans Hoppeler2
1 Sportwissenschaftliches Institut (SWI), Bundesamt für Sport (BASPO), Magglingen 2 Anatomisches Institut der Universität Bern, Bern
Leistungsniveau, Herzfrequenz-Regulation und psychologische Faktoren als potentielle Prädiktoren von "Übertraining" im Ausdauersport: Ergebnisse einer Prospektivstudie mit Spitzenathleten
ZUSAMMENFASSUNG Das Hauptziel der vorliegenden, nicht-experimentellen Prospektivstudie war es, bei Spitzenathleten im Ausdauerbereich mittels Kombination von psychologischen Fragebogen, einem orthostatischen Herzfrequenztest und einigen Trainingscharakteristika möglichst frühzeitig ein drohendes Overreaching (OR) zu erkennen.
Wir begleiteten 11 nicht-professionelle Spitzenathleten (23.6±4.4a) der Sportarten Orientierungslauf (5 ?, 2 ?), Triathlon (3 ?) und Duathlon (1 ?) während 35.9±5.4 Wochen, ohne direkt auf ihre Trainingsgestaltung Einfluss zu nehmen. Erfasst wurden das Trainingsvolumen, der Quotient von effektiv absolviertem Trainingspensum und dem ursprünglich geplanten Pensum (?Tr), die Ruheherzfrequenz am Morgen (RHF), die beim morgendlichen Aufstehen ermittelte Herzfrequenzdifferenz stehend-liegend (Orthostasetest; ?HF), sowie psychologische Parameter mittels Profile of Mood States (POMS) und Erholungs-Belastungs-Fragebogen "Sport" (EBF). Die a priori definierten und quantitativ operationalisierten Studienendpunkte waren: a) Inzidenz von im Laktatstufentest bestätigtem OR und Übertrainings-Syndrom (OTS), und b) Inzidenz einer ungeplanten Trainingsreduktion von wenigstens 20% (?Tr = 0.8). Laktatstufentests auf dem Laufband zur Leistungs- und OR-Diagnose wurden mindestens zweimonatlich durchgeführt, zwischen zwei- und sechsmal pro Athlet.
Während der gesamten Beobachtungszeit von 395 Personen-Wochen fanden wir keinen Athleten mit OTS. Eine Probandin erlitt eine mittels Leistungstest dokumentierte Episode eines OR. Die Trainingszeit vor diesem Ereignis bewegte sich zwar im durchschnittlichen Rahmen, hingegen war die Alltagsbelastung beträchtlich. Die RHF zeigte kein konsistentes Muster. Die ?HF hingegen stieg drei Wochen vor dem OR um 8 Schläge (von 23 auf 31) auf überdurchschnittliche Werte an und fiel in den zwei folgenden Wochen um 17 Schläge (von 31 auf 14) auf unterdurchschnittliche Werte. Drei Wochen nachher erreichte die ?HF wieder Normalwerte. Die EBF- und POMS-Gesamtscores zeigten im Vorfeld des OR keine eindeutigen Verläufe.
Zehn Athleten mussten insgesamt 49 Mal (zwischen 1 und 10 Mal pro Athlet) ihr Training ungeplant um 20% oder mehr reduzieren. Ursachen dafür waren Infekte (43%), Verletzungen (20%), sowie Müdigkeit (18%). Der ungeplanten, müdigkeitsbedingten Trainingsreduktion folgten durchschnittlich drei weitere Wochen mit reduziertem Training. Weder EBF- noch POMS-Gesamtscores waren für diese ungeplante Massnahme in eindeutig interpretierbarer Weise prädiktiv, hingegen verbesserten sich beide Werte in den Folgewochen unter reduziertem Training. Weder RHF noch ?HF zeigten einen konsistenten Zusammenhang mit der müdigkeitsbedingten Trainingsreduktion. Im "Einzelfall-Ansatz" war es hingegen oft möglich, einen oder mehrere "individuell richtige" Zusammenhänge zwischen einem oder mehreren Parametern und einem definierten Endpunkt herauszufiltern.
Die vorliegend erfassten hypothetischen Prädiktoren von Overreaching zeigten somit einen gewissen Zusammenhang mit dem Einzelfall des OR, gingen aber diesem nicht eindeutig voraus. Die gemessenen Parameter waren eher generelle Indikatoren eines Ungleichgewichtes zwischen Belastung und Erholung, ohne allerdings Frühwarnsymptome für die Endpunkte zu sein.
Unserer Resultate deuten darauf hin, dass es selbst mit einer Kombination von präsumtiven "Vorboten" eines drohenden Übertrainings nicht möglich ist, in allgemein gültiger Weise OR in seinem Frühstadium zu erkennen. Dagegen scheint es, dass auf einer strikt individuellen Ebene praktisch jeder der untersuchten Parameter dann als Prädiktor der Ermüdung dienen kann, wenn er in Relation zu einem individuellen Referenzwert, einer persönlichen Baseline gesetzt werden kann. Eine noch gründlichere Suche nach dem individuellen Verhalten von Parametern, die mit der Übertrainingsgenese in einem systematischen Zusammenhang stehen, ist unseres Erachtens der vielversprechendste Weg im Hinblick auf Trainingsmonitoring und Früherkennung des OR.
SUMMARY
Performance level, regulation of the heart rate and mood scores as presumed predictors of "overtraining" in endurance athletes: A prospective study with elite athletes
The main objective of this non-experimental prospective study was to evaluate the joint use of mood scores, an orthostatic heart rate test, and the description of training characteristics for an early detection of overreaching (OR) in elite endurance athletes.
We followed up 11 high performance, non-professional endurance athletes (23.6±4.4a) - orienteers (5 ?, 2 ?), triathletes (3 ?) and a duathlete (?) - during 35.9±5.4 weeks without interfering with their training schedule. A broad assessment was used, including training volume, the relation of planned to completed training (?T), resting heart rate (RHR), difference between resting heart rate supine and standing (orthostatic test; ?HR), the Profile of Mood States (POMS) and the Recovery-Stress-Questionnaire for Athletes (RESTQ-Sport). Main outcome measures were: a) incidence of OR and OTS and b) incidence of an unplanned reduction in training volume of at least 20% (?T£0.8). Treadmill tests were performed at least bimonthly, two to six times per athlete for performance assessment and diagnosis of OR.
During 395 person-weeks of follow-up, we found no athlete with symptoms and signs of OTS. One athlete suffered from one episode of OR, documented by impaired results in the performance test. In this case, training volume before OR was average, but out of training time was full of duties. RHR was within the personal range. A rise in ?HR of about eight bpm (from 23 to 31) three weeks before OR was followed by a steep drop of about 17 bpm (from 31 to 14 bpm) the following two weeks. Values of ?HR returned to normal variation three weeks thereafter. EBF and POMS-scores showed no consistent pattern before the episode of OR.
Ten athletes progressed to 49 unplanned reductions of their training volume for 20% or more (between 1 and 10 times per athlete), mainly because of infectious diseases (43%), injuries (20%), and fatigue (18%). On average, three more weeks of reduced training followed the reduction because of fatigue. In search of predictors of fatigue, neither EBF nor POMS were generally predictive, but both scores increased in the following weeks with reduced training. RHR and ?HR showed no consistent correlation with fatigue induced training reduction. Using an individual approach, it was nevertheless possible to identify "individually correct" associations between one or more specific predictors and a defined outcome.
In summary, in the one case of OR, our predictors were related to the condition, but did not precede it in an unequivocal way. The parameters under study were rather general signs of an unbalanced state of stress and recovery than real warning sings of the outcomes.
Our results suggest that even by a combination of presumed "predictors of overtraining" it is not possible to detect impending overreaching in a general way. However, using a strictly individualized approach, every single parameter under study might be a predictor of fatigue, when compared to an individual reference value, a so-called "personal baseline". The most promising road to monitor the training regimen of a given athlete, and to detect early signs of OR, might be an even more systematic search for individual patterns of behaviour and variations regarding the presumed predictive parameters of OR and OTS.
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