Abstract
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Ausgangslage und Aufgabenstellung
Die Verbreitung der Rinderseuche BSE (Bovine Spongiforme En-zephalopathie), auch Rinderwahnsinn genannt, ist nach heutigem Wissensstand primär auf die Verwendung von infektiösen tieri-schen Mehlen in Futtermittelgemischen zurückzuführen. Aus die-sem Grund hat die Schweiz bereits im Dezember 1990 u.a. die Ver-fütterung von Tiermehl an Wiederkäuer gesetzlich verboten sowie die Entfernung von BSE-Risikomaterial des Rindes während dem Schlachtprozess angeordnet. Auf Grund der nationalen und inter-nationalen Entwicklung der BSE-Seuche sowie des Auftretens der aller Wahrscheinlichkeit nach mit BSE in Zusammenhang stehen-den Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) 1996 in Eng-land, wurden diese ersten Massnahmen kontinuierlich verschärft. Seit Januar 2001 gilt in der Schweiz ein totales Verfütterungsverbot von Tiermehlen an Nutztiere . Die Einhaltung wird im Rahmen der amtlichen Futtermittelkontrolle der Eidgenössischen Forschungsan-stalt für Nutztiere in Posieux (RAP) kontrolliert.
Im Herbst 2001 durchgeführte Kontrollen von Müllereiprodukten auf tierische Verunreinigungen in Mühlen lösten erhebliche Verun-sicherungen mit einem entsprechenden Medienecho aus. Bei den Kontrollen wurden neben tierischen Verunreinigungen in Kleie, welche für die Verfütterung an Tiere bestimmt war, auch Kno-chenpartikel in Speisemehl gefunden. Der mikroskopische Nachweis von Knochenfragmenten und Mus-kelfasern in Getreide ist ein allgemeiner Hinweis auf tierische Ver-unreinigungen und kann als mögliche Verunreinigung durch Tier-mehl interpretiert werden - aus diesem Grund wird diese Untersu-chungsmethode zur Kontrolle des Tiermehlverfütterungsverbotes verwendet . Bis heute keine Grenz- oder Toleranzwerte Nahrungsmittel, die Verunreinigungen durch BSE-Risikomaterial enthalten, stellen einen möglichen Übertragungsweg der BSE-Erreger auf den Menschen dar und gelten als wahrscheinlichste Ursache von vCJD. Demzufolge stellt sich die Frage nach der möglichen Gefährdung des Menschen durch den Verzehr von Getreidemehlen, welche Spuren tierischer Verunreinigungen ent-halten. Bei den Lebensmitteln bestehen bezüglich tierischer Verun-reinigungen für Getreide(produkte) zur menschlichen Ernährung bis heute keine spezifischen Bestimmungen wie Grenz- oder Tole-ranzwerte - die Basis dazu ist aber im Lebensmittelgesetz (LMG) vorhanden. Zielsetzung Mit dem vorliegenden Projekt sollen die Risiken für die Menschen in der Schweiz infolge Verzehr von mit BSE-Erregern verunreinigten Getreideprodukten abgeschätzt und Grundlagen für den Vollzug aufgearbeitet werden. Situationsanalyse Prozesse und Warenflüsse / Systemgrenze In einem ersten Schritt werden die Prozesse und Warenflüsse - ge-trennt für Lebensmittel, Futtermittel und die "Behandlung tierischer Abfälle" -analysiert und dargestellt (Bezugsjahr 2001). Die Betrach-tung beschränkte sich auf die Schweiz, unter Berücksichtigung der Importe und Exporte. Getreideproduktion und Konsum Schweiz In der Schweiz werden pro Jahr ca. 520'000 Tonnen Getreide für Lebensmittel und 560'000 Tonnen Getreide für Futtermittel produ-ziert. Die Menge der von den Menschen konsumierten Getreide-produkte beträgt rund 520'000 Tonnen pro Jahr. Für die tierische Ernährung werden ca. 1.4 Mio. Tonnen Mischfutter pro Jahr herge-stellt. Behandlung tierischer Abfälle In der Schweiz fallen jährlich rund 200'000 Tonnen Schlacht- und Zerlegereiabfälle an. Bei der Behandlung entstehen daraus ca. 60'000 Tonnen Tiermehl und 30'000 Tonnen Extraktionsfett. Die Pro-dukte aus der Behandlung tierischer Schlacht- und Zerlegereiab-fälle werden heute praktisch ausschliesslich zur Energiegewinnung verwendet. Potentielle Schnittstellen Aus der Analyse der Warenflüsse ergeben sich folgende potentiel-len Schnittstellen von tierischen Produkten - aus der Behandlung tierischer Abfälle - und Getreide für die Lebensmittelproduktion: " Annahme, betriebsinterne Förderung und Lagerung von Ge-treide für Lebensmittel und Futtermittel am gleichen Standort: ab 2002 kann angenommen werden, dass in den Sammelstel-len kein Tiermehl mehr vorhanden ist. " Verarbeitung von Getreide zur Herstellung von Mischfutter und Getreideprodukten für die menschliche Ernährung am glei-chen Standort: Seit Anfang 2002 kann angenommen werden, dass in den Herstellungsbetrieben kaum mehr Tiermehl vor-handen ist. " Transport: In der gesamten Prozesskette vom Getreideanbau bis zum Konsumenten ergeben sich zahlreiche Transportvor-gänge. Dabei kommen Schiffe (Import), Bahn- und Lastwagen sowie landwirtschaftliche Fahrzeuge zum Einsatz. Seit 2002 wird Tiermehl ausschliesslich in Privatcontainern der Bahn oder auf der Strasse transportiert. Diese Behältnisse werden nach Anga-ben der Transporteure ausschliesslich für Tiermehl verwendet. Analysemethode Zur Analyse von Futtermitteln bezüglich tierischer Verunreinigun-gen wird in der Schweiz und der EU die Mikroskopie verwendet. Die mikroskopische Analyse im Lebensmittelbereich (Getreideab-rieb, Müllerei- oder Mühlenachprodukte) wird erst seit Oktober 2001 angewandt. Mit ihr können Knochenbruchstücke und Mus-kelfasern von Tieren erkannt werden. Aussagekraft der Analysemethode Im Zusammenhang mit der Festlegung eines Grenz- bzw. Tole-ranzwertes für Mehl zur menschlichen Ernährung stellt sich die Fra-ge, wie zuverlässig die Analyseergebnisse gemäss den heutigen Verfahren sind bzw. mit welcher Wahrscheinlichkeit eine verunrei-nigte Analyseprobe als solche erkannt werden kann. Bei der Un-tersuchung von Getreideabrieb ist man in einem Bereich, wo mit einer relativ kleinen Zahl zu untersuchender Präparate und damit einem verhältnismässigen Untersuchungsaufwand eine zuverlässi-ge Aussage möglich ist. Bei der Analyse von Getreideprodukten wie Mehl sind entsprechende zuverlässige Aussagen mit vertretba-rem Aufwand nicht möglich. Risikoanalyse und -bewertung Gängige Methode kaum anwendbar Im vorliegenden Fall ist die gängige Methode zur Abschätzung von Gesundheitsrisiken als Grundlage für die Festlegung von Grenz- und Toleranzwerten, nämlich die Modellierung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen, kaum anwendbar. Der Hauptgrund liegt darin, dass mit den Analysemethoden, die heute zur Verfügung stehen, infektiöses Material nicht direkt detektierbar ist. Die Kon-tamination mikroskopisch nachgewiesener Knochenfragmente in Getreide können als Hinweis auf eine mögliche Verunreinigung des Getreides durch Mehle tierischer Herkunft gedeutet werden. Die Mikroskopie ermöglicht keine Unterscheidung zwischen Rind und anderen Säugetieren. Quantitative Risikoanalyse mit Top down-Ansatz In der Risikoanalyse wurde deshalb in einem Top down-Ansatz über mehrere Schritte das infektiöse Material im Getreide bzw. in Getreideprodukten abgeschätzt und daraus die Risiken für die Menschen soweit möglich quantitativ bestimmt. Es wurde nach infektiösem Material aus der Schweiz ("Risikoanalyse Inland") und infektiösem Material aus dem Ausland ("Risikoanalyse Ausland") unterschieden. Risikoanalyse Inland Aus der Risikoanalyse Inland ergibt sich ein kollektives Risiko von 2.0 x 10-3 Todesopfer/Jahr. Dies würde einem Todesopfer in einem Zeit-raum von 500 Jahren infolge Verzehr von Getreidemehlen, die mit infektiösem Material von BSE-Tieren verunreinigt sind, bedeuten. Daraus ergibt sich ein individuelles Risiko von 3 x 10 -10 /Jahr ). Die-ser Wert ist deutlich geringer als vergleichbare Risiken beim Ge-treide (z.B. Mutterkorn). Im weiteren ist dieses Risiko um 3 bis 4 Grössenordnungen kleiner als der allgemein akzeptierte Wert, der bei unfreiwillig eingegangenen Risiken im Bereich von 10-6 pro Jahr liegt. Damit stellt das individuelle Risiko eine vernachlässigbare Zusatzbelastung für den Einzelnen dar. Risikoanalyse Ausland Etwa die Hälfte der in der Schweiz konsumierten Getreideprodukte bestehen aus Importgetreide. Ausserhalb der Schweiz kann dieses Getreide im Exportland selber oder beim Transport an die Schwei-zer Grenze verunreinigt werden. Die Risikoanalyse hat ergeben, dass die Verunreinigung mit infektiösem Material im Exportland pro importierte Menge nicht grösser ist als in der Schweiz. Zum heuti-gen Zeitpunkt liegen keine ausreichenden Grundlagen vor, um über das Ausmass einer Verunreinigung beim Transport gesicherte Aussagen machen zu können. Grenz- bzw. Toleranzwerte und Publikation im SLMB Provisorischer Toleranzwert: 1 mg / kg Getreide Aus der Auswertung des "state-of-the-art" der Analytik und den statistischen Überlegungen geht hervor, dass zum heutigen Zeit-punkt die Festlegung eines Toleranzwertes beim Getreide am Ef-fektivsten ist. Es wird ein provisorischer Toleranzwert von 1 mg (tieri-sche Verunreinigungen) pro kg Getreide vorgeschlagen. Die Risi-koabschätzung hat gezeigt, dass nach heutigem Kenntnisstand die kollektiven und individuellen Risiken für die Menschen in der Schweiz infolge Verunreinigungen mit BSE-Risikomaterial in Getrei-de zur menschlichen Ernährung sehr gering sind. Im Sinne des Vor-sorgeprinzips und der Unmöglichkeit, tierische Verunreinigungen (Bestandteile von Vögeln, Mäusen, Insekten usw.) beim Getreide gänzlich auszuschliessen, wird die Einführung des obengenannten Toleranzwertes vorgeschlagen. Dieser Wert soll insbesondere bei der Anlieferung des Getreides in Speisemehlmühlen im Sinne einer Eingangskontrolle gelten. Er soll vorerst im Rahmen einer vorläufi-gen Weisung des BAG eingeführt werden. Mittelfristig wird die Verankerung in der Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe (FIV) geprüft. Regelung bei Müllereiprodukten Da bei der Analyse von Müllereiprodukten (Mehl) quantitative Aussagen mit vertretbarem Aufwand nicht möglich sind, lautet der Vorschlag wie folgt: Werden bei der Analyse von Müllereipro-dukten tierische Verunreinigungen festgestellt, so ist das Aus-gangsprodukt (Getreide) anhand der Rückstellmuster bezüglich Einhaltung des Toleranzwertes zu untersuchen. Wo dies nicht mög-lich ist (Mehlimporte), sind im Rahmen der Selbstkontrolle andere Wege zu prüfen (z.B. Rückverfolgbarkeit). Grundlagen für SLMB Es ist vorgesehen, die vorliegende Thematik in einem Kapitel im Schweizerischen Lebensmittelbuch (SLMB) zu behandeln.
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Umsetzung und Anwendungen
(Deutsch)
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Die Verbreitung der Rinderseuche Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE) ist nach heutigem Wissensstand primär auf die Verwendung von Mehlen tierischer Herkunft in Futtermittelgemischen zurückzuführen. Aus diesem Grund hat die Schweiz bereits im Dezember 1990 u.a. die Verfütterung von Säugetierprotein (Tiermehl) an Wiederkäuer gesetzlich verboten, sowie die Entfernung von Risikomaterial des Rindes während dem Schlachtprozess eingeführt. Auf Grund der nationalen und internationalen Entwicklung der BSE-Seuche, sowie des Auftretens der aller Wahrscheinlichkeit nach mit BSE in Zusammenhang stehenden Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJD) 1996 in England, wurden diese ersten Massnahmen kontinuierlich weiter verschärft. Seit Januar 2001 gilt in der Schweiz ein totales Verfütterungsverbot von Tiermehlen an Nutztiere. Davon ausgenommen bleibt die Verfütterung von Fischmehl an Nichtwiederkäuer. Im Herbst 2001 durchgeführte Kontrollen von Müllereiprodukten auf tierische Verunreinigungen in Mühlen lösten erhebliche Verunsicherungen mit einem entsprechenden Medienecho aus. Bei den Kontrollen wurden neben tierischen Bestandteilen in Kleie, welche für die Verfütterung an Tiere bestimmt war, auch Knochenbruchstücke in Speisemehl gefunden. Der mikroskopische Nachweis von Knochenfragmenten und Muskelfasern in Getreide ist ein allgemeiner Hinweis auf tierische Verunreinigungen und kann als mögliche Verunreinigung des Getreides durch Tiermehl interpretiert werden. Falls die Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf BSE zurückzuführen ist, so gilt nach dem heutigen Wissensstand die Ernährung als wahrscheinlichster Übertragungsweg der BSE-Erreger auf den Menschen. Demzufolge stellt sich die Frage nach der möglichen Gefährdung des Menschen durch den Verzehr von Getreidemehlen, das Spuren tierischer Verunreinigungen enthält.
Nach Art. 10 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes (LMG, SR 817.0) dürfen Lebensmittel Fremdstoffe nur soweit enthalten, als dadurch die Gesundheit nicht gefährdet werden kann. Um diese allgemeine Bestimmung zu konkretisieren, hat das BAG Ende 2002 unter Beizug einer externen Beratungsfirma ein Projekt "Risikobeurteilung von Getreidemehlen für die menschliche Ernährung" durchgeführt. Als Grundlage für die Risikoanalyse dienten verschiedene Daten und Informationen wie Mengengerüste zu Importen, den Mühlen und ihren Produkten, den Warenflüssen sowie der Verarbeitung und Behandlung von Schlachtabfällen. Aus der Studie geht hervor, dass das individuelle Risiko für den Menschen in der Schweiz infolge Verunreinigung mit infektiösem Material von Getreidemehlen 3 x 10-9 Todesopfer pro Jahr beträgt. Dieser Wert ist um 3 bis 4 Grössenordnungen tiefer als der allgemein akzeptierte Wert, der bei unfreiwillig eingegangenen Risiken im Bereich von 10-6 pro Jahr liegt. Damit stellt das individuelle Risiko eine vernachlässigbare Zusatzbelastung für den Einzelnen dar. Der Bundesrat kann die zulässigen Höchstkonzentrationen tiefer ansetzen, als dies der Schutz der Gesundheit zwingend erfordern würde, sofern deren Einhaltung technisch möglich ist (Art. 10 Abs. 3 Bst. a LMG). Gestützt darauf, auf Art. 2 Abs. 2 der Lebensmittelverordnung (LMV, SR 817.02), wonach Lebensmittel nicht verdorben, verunreinigt oder sonst im Wert vermindert sein dürfen sowie auf Art. 9 Abs. 2 LMV hat das Eidg. Departement des Innern (EDI) festgelegt, dass Fremd- und Inhaltsstoffe in oder auf Lebensmitteln nur in gesundheitlich unbedenklichen und technisch unvermeidbaren Mengen vorhanden sein dürfen (Art. 1 der Fremd- und Inhaltsstoffverordnung, FIV, SR 817.021.23). Da das EDI in der FIV für tierische Verunreinigungen in Getreide bisher noch keine spezifischen Höchstkonzentrationen festgelegt hat, haben gestützt auf die Art. 23 Abs. 1, 47 Abs. 1 Bst. a und 48 Abs. 1 Bst. g LMG die Produzenten und der Handel dafür zu sorgen, dass die Anforderungen von Art. 1 FIV erfüllt sind. Auf Grund der oben erwähnten Risikoanalyse und in Konkretisierung von Art. 1 FIV weist das BAG die für den Vollzug des Lebensmittelgesetzes zuständigen kantonalen Vollzugsbehörden gestützt auf Art. 36 Abs. 3 Bst. b LMG an, ab einer Höchstkonzentration von 1 mg (tierische Verunreinigungen, bestimmt mit der Mikroskopie) pro Kilogramm Roh-Getreide von einer vermeidbaren Verunreinigung und damit einem Verstoss gegen die eingangs erwähnten Bestimmungen auszugehen. Bei Müllereiprodukten kann angenommen werden, dass durch den Verteilungsprozess die Konzentration unter diesem Wert liegt. Für die Einhaltung dieses Toleranzwertes sind alle verantwortlich, welche Getreide erzeugen, behandeln, lagern, transportieren, abgeben, einführen oder ausführen. Eine besonders grosse Bedeutung fällt den Mühlen zu: Im Rahmen deren Selbstkontrollen muss gewährleistet sein, dass nur Getreide verarbeitet wird, welches diese Bestimmung erfüllt. Diese Weisung wird im Handelsamtsblatt publiziert und gilt bis auf Widerruf bzw. bis zur entsprechenden Änderung des Anhangs der Fremd- und Inhaltsstoffverordnung durch das Eidg. Departement des Innern.
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