Forschungsprojekt Nr. 02051: Die Erreichbarkeit von Regionen
ZUSAMMENFASSUNG für die ARAMIS-Dokumentation
Erreichbarkeit als wichtiger Standortfaktor
In einer zunehmend globalisierten Welt bestimmt die Erreichbarkeit eines Standortes wesentlich, in welchem Umfang die entsprechende Region am wirtschaftlichen Wachstumsprozess teilhaben kann. In der Diskussion um Standortfaktoren ist Erreichbarkeit deshalb ein relevantes Thema. Aussagen zur Güte der Erreichbarkeit verschiedener Regionen beruhen heute allerdings oft auf subjektiven Einschätzungen. BAK Basel Economics hat gemeinsam mit dem Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich und dem Wirtschaftswissenschaftliche Zentrum der Universität Basel eine quantitative Analyse dieser Thematik vorgenommen und vergleicht in dieser Studie Regionen im Sinne des Benchmarking-Gedankens betreffend ihrer Erreichbarkeit miteinander.
Guter Marktzugang für Unternehmungen von Bedeutung, Messung mittels Potentialindikatoren
Für international tätige Unternehmungen und Institutionen spielt der Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten eine zentrale Rolle. Die schnelle Überwindung von Distanzen hilft, Marktgelegenheiten wahrzunehmen. Potentielle Märkte sowohl im Bezug auf mögliche Nachfrager als auch hinsichtlich der dort angebotenen Vorleistungen sind umso interessanter, je wirtschaftlich bedeutender und je besser zugänglich sie sind. Diese beiden Parameter werden als Gesamtgrösse am besten mit Hilfe von Potentialindikatoren abgebildet. Die Wirtschaftskraft einer Zielregion wird mit ihrem regionalen BIP bemessen, die Zugänglichkeit mit der Reisezeit, die aufgewendet werden muss, um von definierten Ursprungsorten in diese Zielregionen zu gelangen. Berechnet werden einerseits interkontinentale, weltweite und andererseits interregionale, europaweite Indikatoren, welche angeben, wie gut 120 Regionen in der ganzen Welt (ohne Europa) und wie gut 400 Regionen in Europa (bis Ural) von europäischen Regionalzentren aus erreichbar sind. Die Werte wurden für rund 200 Regionalzentren mit Schwergewicht Alpenraum berechnet.
Minimale Reisezeiten aufgrund aller Verkehrsträger bestimmt für Verbindungen aus dem Alpenraum zu europäischen und interkontinentalen Zielen
Die minimalen Reisezeiten zwischen Ursprungs- und Zielregionen wurden aufgrund von detaillierten Verkehrsnetzwerken unter Berücksichtigung aller Verkehrsträger (Strasse, Bahn und Flug) bestimmt. Die Bahnfahr- und Flugpläne entsprechen dem Stand Herbst 2002. Gemessen wurden Verbindungen von Zentrum zu Zentrum. In die Reisezeiten integriert sind nicht nur die reinen Strassen-, Bahn- und Flugzeiten, sondern auch Zufahrtszeiten zu den Flughäfen, Transferzeiten beim Verkehrsmittelwechsel, flughafen- und zielspezifische Check-in-Zeiten, sowie bei Bahn und Flug allfällige Umsteigezeiten. Rechnung getragen wurde zudem auch den Verbindungsfrequenzen. Die Strassenfahrzeiten beruhen auf realistischen Durchschnittsgeschwindigkeiten, welche individuell für 50 verschiedene Strassentypen bestimmt wurden.
Interkontinentale Resultate für Hubregionen am besten
Der interkontinentale Vergleich zeigt die grossen Metropolregionen, welche über leistungsfähige Hubs verfügen, an der Spitze der Tabelle. Frankfurt, Amsterdam und London belegen im europäischen Vergleich die Toppositionen. Dahinter finden sich Regionen, welche im direkten Umfeld dieser Flugdrehscheiben zu finden sind. In einem Vergleich von Grossregionen mit eigenem Hub folgen Paris, Madrid, Köln-Düsseldorf, Manchester und Zürich, wobei sich Zürich vor Brüssel und klar vor Mailand und München klassiert. Im schweizinternen Vergleich der Kantonshauptorte folgen auf Zürich und Genf zuerst Frauenfeld, dahinter Schaffhausen, Aarau und Basel. Es ist evident, dass sich die unterschiedlichen Zugangsmöglichkeit zum Flughafen Zürich-Kloten klar im Ranking niederschlagen. Die westliche Schweiz und insbesondere auch Bern profitieren weniger vom Hub Zürich. Diese Regionen verfügen im Vergleich mit anderen Regionen des erweiterten Alpenraumes über einen unterdurchschnittlichen Interkontinentalzugang.
Interregionale Resultate für Regionen im ökonomischen Zentrum Europas am besten
Betreffend interregionaler Erreichbarkeit befindet sich die Grossregion Alpenraum aufgrund ihrer zentralen Lage im Bezug auf den europäischen Markt in einer guten Ausgangslage. Verglichen mit den Resultaten des interkontinentalen Rankings, schneiden die Alpenraumregionen gegenüber vielen Benchmarkmetropolen besser ab. Madrid, Rom, Stockholm, Dublin, Warschau etc. liegen hinter praktisch allen Schweizer Kantonshauptorten zurück. Dies bedeutet allerdings nicht, dass die erwähnten Grossstädte über eine schlechtere Verkehrsanbindung verfügen, sondern hat massgeblich mit ihrer für europäische Verhältnisse peripheren Lage zu tun. Die Toppositionen im interregionalen Ranking werden durch Agglomerationen im ökonomischen Zentrum des europäischen Marktes belegt, wobei Düsseldorf vor Frankfurt, Köln und Paris an der Spitze liegt. Im Gegensatz zur interkontinentalen Erreichbarkeit ist die Anbindung an eine grosse Flugdrehscheibe hier weniger bedeutend. Für Ziele in naher und mittlerer Entfernung sind vor allem gute Bahn- und Strassenverbindungen massgeblich. Vor Zürich und Basel klassieren sich zudem Regionalzentren aus dem Gebiet Stuttgart-Karlsruhe-Strasbourg. Von den Schweizer Kantonshauptorten verfügen 10 Städte über eine überdurchschnittliche interregionale Erreichbarkeit vergleichen mit dem gesamten Alpenraum. Auf Zürich und Basel folgen Genf, Liestal und Aarau. Die Alpenkernregionen und wiederum grosse Teile der Westschweiz schneiden schlechter ab.
Schweizer Regionen bei der Bahnerreichbarkeit mit komparativem Vorteil
Werden für die interregionale Erreichbarkeit nur Bahn- oder Strassenverkehr zugelassen, so schneiden die Schweizer Regionen mit Ausnahme des Grossraumes Zürich im internationalen Vergleich besser ab als im Modell, welches zusätzlich den Flugverkehr umfasst. Basel setzt sich sowohl beim reinen Bahn- wie auch beim reinen Strassenmodell an die Spitze des Schweizer Rankings. Die nördlichen Landesteile sind den restlichen Schweizer Gebieten im Bezug auf die Strassenerreichbarkeit überlegen. Bei der Bahnerreichbarkeit schneidet wiederum die Nordwestschweiz, zudem aber auch der Espace Mittelland und die Westschweiz besser ab als die zentralen und östlichen Landesteile. Verglichen mit den umliegenden Ländern ist die Bahnerreichbarkeit in der Schweiz jedoch ziemlich homogen.
Simulationen zum Luftverkehr
Im Anschluss an die Berechnungen der Erreichbarkeitsverhältnisse für den Herbst 2002 sind zwei Simulationen zum Luftverkehr in das Modell eingefügt worden. In einer Szenarioanalyse wurde untersucht, wie sich die Erreichbarkeitsverhältnisse der Regionen verändern, wenn der Flughafen Zürich seine Hubfunktion einbüsst bzw. der Homecarrier Swiss seinen Flugplan gegenüber der Ausgangslage Herbst 2002 drastisch ausdünnt. Dabei hat sich gezeigt, dass bei der interkontinentalen Erreichbarkeit neben Zürich und den Nordostschweizer Regionalzentren auch Bern grössere Verluste erleidet. Basel und insbesondere Genf und Lausanne sind von einem solchen Szenario weniger oder fast gar nicht betroffen. Ihre Anbindung an die interkontinentalen Flugnetze wird durch die eingerechneten Reduktionen im Streckennetz der Swiss kaum beeinflusst. Bei der interregionalen Erreichbarkeit beklagt der Espace Mittelland, die Nordwestschweiz und das Tessin grössere Einbussen als der Grossraum Zürich. Dies begründet sich mit dem Verlust verschiedener innereuropäischer Direkt- und Anschlussflüge ab den Flughäfen Basel, Bern und Lugano. Der Flughafen Zürich verfügt in diesem Szenario über die bessern Alternativen. Wiederum nur marginal betroffen ist die Westschweiz.
In einer Sensitivitätsanalyse wurde letztlich noch ein hypothetischer Worst Case simuliert, in welchem das gesamte Angebot der Swiss aus dem Flugplan eliminiert wurde, ohne die Reaktionen der Konkurrenz auf diesen Schnitt zu modellieren. Im interkontinentalen Bereich waren die Erreichbarkeitsverluste eindeutig im Raum Zürich am ausgeprägtesten, im interregionalen Bereich verschiebt sich das maximale Verlustpotential in Richtung Espace Mittelland und Nordwestschweiz. In jedem Fall zeigen auch die grenznahen ausländischen Gebiete, insbesondere Südbaden, Oberelsass und Franche-Compté starke Erreichbarkeitseinbussen.