ServicenavigationHauptnavigationTrailKarteikarten


Forschungsstelle
ASTRA SBT
Projektnummer
AGB2003/013
Projekttitel
Suizidprävention bei Brücken: Grundlagen
Projekttitel Englisch
Suicide prevention on bridges: Fundamentals

Texte zu diesem Projekt

 DeutschFranzösischItalienischEnglisch
Schlüsselwörter
Anzeigen
-
-
Anzeigen
Kurzbeschreibung
Anzeigen
-
-
Anzeigen
Projektbeschreibung
Anzeigen
-
-
-
Methoden
Anzeigen
-
-
-
Spezielle Geräte und Installationen
Anzeigen
-
-
-
Stand der eigenen Forschung
Anzeigen
-
-
-
Projektziele
Anzeigen
-
-
Anzeigen
Forschungsplan
Anzeigen
-
-
-
Abstract
Anzeigen
-
-
-
Umsetzung und Anwendungen
Anzeigen
-
-
-
Berichtsnummer
Anzeigen
-
-
-
Literatur
Anzeigen
-
-
-

Erfasste Texte


KategorieText
Schlüsselwörter
(Deutsch)
Suizid, Suizidversuch, Prävention, Brücke, Sprung
Schlüsselwörter
(Englisch)
suicide, suicide attempt, prevention, bridge, leaping
Kurzbeschreibung
(Deutsch)
Im Rahmen einer medizinischen Doktorarbeit werden retrospektiv umfassend Informationen verschiedener Quellen erfasst. Insebsondere werden Daten vom Schweizerischen Bundesamt für Statistik, Aufzeichnungen von lokalen Polizeibehörden, sowie Berichte von lokalen und nationalen öffentlichen Medien miteinbezogen. Es wird die Erfassung der Daten von einer Zeitspanne von 10 Jahren angestrebt. Es werden Brücken mit einer grossen Anzahl von Suiziden inspiziert und deren bauliche Begebenheiten fotographisch festgehalten. Es werden bereits vorhandene Massnahmen zur Suizidprävention erfasst, die verschiedenen baulichen Konstruktionen klassifiziert und miteinander verglichen. Falls Massnahmen zur Suizidprävention sekundär angewandt bzw. angebracht wurden, wird ein Vergleich der Suizidtoten vor und nach der Intervention durchgeführt, um deren Effektivität abzuschätzen. An Hand von Mediendaten wird ausserdem die Bedeutung der Suizide für Beobachter herausgearbeitet und indirekt geprüft, in wieweit bauliche Massnahmen auch einen Schutz in Bezug auf die physische und psychische Traumatisierung darstellen.
Kurzbeschreibung
(Englisch)
The proposed project will be performed within the scope of a medical theses. Data related to suicides by jumping off bridges will be collected from the Swiss Federal Office for Statistics, local police offices, and, furthermore, the local and national media reporting. We plan to gather retrospective data of a time span of at least 10 years. The study will include visits of hot spots (common jumping sites) and its photographic documentation. Here as well as in the media reports means of preventing people from jumping off bridges will be focussed. In the case of secondary implantation of prevention means, e.g. changes in the construction of a bridge, we will, if available compare suicide data before and after these changes have taken place in order to estimate its efficiency. We, furthermore, will focus on the physical and psychological impact of suicide by jumping on bystanders reported by the media and, if possible, will evaluate its impact of prevention methods.
Projektbeschreibung
(Deutsch)
Ausgangslage

Sprung von einer Brücke ist eine der häufigsten Suizidmethoden in unserem Land. Im Jahre 2000 registrierte das Bundesamt für Statistik 131 Suizide durch Sturz aus der Höhe, wobei der Anteil der Brückensuizide unklar ist, s.u. Die Öffentlichkeit wird immer wieder durch - oft sensationelle - Berichte in den Medien mit dieser Problematik konfrontiert (Beispiele: Sturz eines Personenwagens von der Grand Pont in Lausanne). Aus der Suizidforschung ist bekannt, dass Suizidberichterstattung in den Medien Nachahmersuizide auslösen können, speziell, wenn die Suizidmethode im Bericht explizit (z.B. mit Bild) dargestellt ist.

Die Beeinflussung der Verfügbarkeit bzw. Attraktivität bestimmter Suizidmethoden stellt eine der wenigen wirksamen Methoden zur Reduktion der Suizidhäufigkeit dar. Eine Verhinderung von Brückensprüngen rettet Menschenleben. Hierzu einige Beispiele: Bei der Golden Gate Bridge in den USA wurden durch verschiedene Massnahmen Menschen vom Sprung in die Tiefe abgehalten. 20 Jahre später lebten noch 94% dieser ehemals gefährlich suizidalen Menschen waren noch nicht oder eines natürlichen Todes gestorben. Bei der Münsterplattform in Bern wurden 1998 Netze angebracht, die konstruktionsbedingt jedoch die Seiten freilassen und praktisch die Möglichkeit zum Sprung nicht vollkommen verhindern. In den ersten 5 Jahren nach der Installation wurden dennoch keine Suizide beobachtet und die Sprünge von der nahen Kirchenfeldbrücke hatten sich halbiert (Dr. Th. Reisch & Michel haben hierzu aktuell eine wissenschaftliche Publikation eingereicht). Die Fangnetze an der Berner Münsterplattform waren hauptsächlich installiert worden, um die Traumatisierung der Anwohner am Fusse der Münsterplattform zu reduzieren. Dieses Ziel wurde demnach auch erreicht. Insgesamt kann somit festgehalten werden, dass Sicherungsmassnahmen Menschenleben und Traumatisierungen anderer verhindern können.





Problemstellung

Bevor sinnvolle neue Massnahmen an Brücken in der Schweiz eingeleitet werden können, sind zuerst das Ausmass der Problematik und die Möglichkeiten der Prävention zu prüfen. Dazu müssen verschiedene Quellen der Daten über Suizide von Brücken eruiert und umfassende Literaturrecherchen (international) durchgeführt werden, einschliesslich einer Übersicht der Wirksamkeit präventiver Massnahmen im Bereich Brücken/ aber auch anderer von Suizidalen häufig aufgesuchter Gebäude oder natürlicher Sprungorte, welche insgesamt in der Fachliteratur als "suicide hotspots" bezeichnet werden. Die Erfassung von Suiziden erfolgt innerhalb der Schweiz zentral durch das Bundesamt für Statistik in einer abstrakten Form (offizieller Terminus: "Suizid durch Sturz aus grosser Höhe"), eine Erfassung von Brückensuiziden ist daher nicht direkt möglich. Jede Recherche wird daher konkreten Daten der lokalen Polizeibehörden einbeziehen müssen.
Es ist bekannt, dass Hotspots ihre Bekanntheit im wesentlichen durch Medienberichte erreichen. Eine wissenschaftliche Analyse von Suiziden durch Brückensprünge muss daher ebenso eine Erfassung der Berichterstattung beinhalten.


Fragestellung

Die Fragestellungen des Projektes können in drei Themengebiete gegliedert werden:

1. Epidemiologische Daten:

· Welches ist die Häufigkeit der Brückensuizide in der Schweiz (Erfassen aller o.g. Informationsquellen)?
· Wie ist die Häufigkeit von Brückensuiziden in der Schweiz im Vergleich mit dem Ausland einzuordnen?
· Welches sind die Hotspots der Schweiz mit den dazugehörigen Suizidzahlen?

2. Daten zu den Medienberichten:
· Wie häufig wurde in einer bestimmten Zeitspanne über die Suizide an welchen hotspots berichtet?
· In welcher Art wurde über die Suizide berichtet (qualitative Analyse)?
· Kann eine Zusammenhang zwischen Medienberichten und Suizidzahlen an Hotspots beobachtet werden?
· Welche Bedeutung hat die Traumatisierung oder Gefährdung unbeteiligter Personen in den Medienberichten?

3. Daten zur Prävention:
· Welche baulichen oder andersartigen (z.B. Hinweisschilder, Kameras, etc.) Massnahmen wurden zur Suizidprävention in der Schweiz und auch in anderen Ländern schon getroffen?
· Welche Evidenz für die Wirksamkeit derartiger präventiver Massnahmen gibt es allgemein (Literaturrecherche)?
· Ist eine Wirksamkeit von derartigen Massnahmen in der Schweiz an Hand der Daten nachweisbar?
Methoden
(Deutsch)
Umfassende Literaturrecherche.
Kontaktaufnahme mit verschiedenen Behörden (z.B. lokale Polizeibehörden, Bundesamt für Statistik) und Etablieren einer Zusammenarbeit.
Besuch und Dokumentation der wichtigsten Hotspots in der Schweiz.
Erfassung “hotspotspezifischer” Daten.
Kontaktaufnahme mit Fachpersonen im Ausland und Einholen von Expertenmeinungen zur Fragestellung.
Dokumentation von Modellbeispielen präventiver Massnahmen, in Zusammenarbeit mit Experten der Brückenforscchung des Bundesamtes für Strassen.
Spezielle Geräte und Installationen
(Deutsch)
keine
Stand der eigenen Forschung
(Deutsch)
Prof. Dr. K. Michel ist seit ca. 20 Jahren im Bereich der Suizidforschung tätig und ein national wie international anerkannter Experte in der Suizidforschung und der Suizidprävention. Dr. Th. Reisch hat mehrere Arbeiten zur Krisenintervention veröffentlicht. In den Jahren 2000 und 2001 hat er im Rahmen eines Stipendiums der Schweizerischen Nationalfonds eines Fellowship an der University of Washington absolviert. Hier hat er sich ausschliesslich mit Patienten mit ausgeprägtem suizidalem Verhalten befasst. Beide Aerzte sind aktuell bei der systematischen Erfassung der Suizidversuche in der Agglomeration Bern engagiert, welche im Rahmen einer WHO-Multicenterstudie durchgeführt wird. Prof. K. Michel und Dr. Th. Reisch haben gemeinsam im Jahre 2003 eine Studie zu den Sicherheitsnetzen an der Münsterplattform in Bern durchgeführt, welche im Februar 2004 zur Publikation bei einer amerikanischen Zeitschrift eingereicht wurde. Auf Grund dieser Studie sind beide mit der wissenschaftlichen Erarbeitung der zu erforschenden Thematik vertraut und haben Kontakte mit einigen, der für dieses Projekt relevanten schweizerischen Behörden.
Projektziele
(Deutsch)
Allgemein:
Umfassende Bestandsaufnahme von Brückensuiziden und deren Prävention in der Schweiz.

Spezifisch:
1. Systematische Erfassung von Orten mit einer hohen Prävalenz von Suiziden durch Brückensprünge (hot spots) einschliesslich dem Eruieren genauer Todesziffern einzelner Brücken in der Schweiz.
2. Die Erfassung bestehende baulicher und anderer Massnahmen zur Suizidprävention an Brücken (einschlieslich der Abschätzung ihrer Wirksamkeit)
3. Die quantitative und qualitative Erfassung von Publikationen der allgemeinen Medien bezogen auf Brückensuizide
4. Die Erfassung der Interaktion zwischen Medienberichten und Brückensuiziden
5. Die Erfassung von Daten (insbesondere Medienberichten) bezogen auf die Gefährdung unbeteiligter Personen (z.B. Autofahrer und Passanten) einschliesslich deren psychischer Traumatisierung.
Projektziele
(Englisch)
General goal
Evaluation of fundamental data relates to suicide by leaping from bridges and its prevention in Switzerland.

Specific goals:
1. The evaluation of death numbers of suicide by jumping from bridges on specific hot spots.
2. Evaluation of changes in construction and other means to prevent suicide on bridges (including the estimation of their effectiveness).
3. The qualitative and quantitative evaluation of media reports related to suicide by leaping from bridges.
4. Evaluation of the interaction between media reports and suicides by jumping off bridges.
5. Evaluation of media report and other available data related to bystanders of suicide attempts at bridges.
Forschungsplan
(Deutsch)
Beginn der Einarbeitung des Doktoranden: Mai 2004.
Umfassende Literatur- und Medienrecherche: ab Juni 2004
Herausarbeiten der Hotspots ab Juli 2004
Besuch der Hotspots einschl. Fotodokumentation: ab September 2004
Analyse des Datenmaterials ab Dezember 2004
Schreiben des gelben Berichtes ab März 2005

Entsprechend den in der Medizin üblichen Verfahrensweisen einer medizinischen Dissertation wird der Dissertand nicht entlöhnt. Wir rechnen, dass für ihn ein Zeitbedarf von ca. 10 Stunden pro Woche nötig ist. Zur Unterstützung der Datenerhebung, und Datenverarbeitung ist eine Satz von 210 Stunden (innerhalb des Jahres) eines Hilfsassistenten vorgesehen. Dr. Th. Reisch wird für die Koordination und die Betreuung des Doktoranden verantwortlich sein, hierzu sind 115 Stunden innerhalb des Jahres veranschlagt. Prof. Dr. K. Michel wird im Sinne eines Senior-Forschers in entscheidenden Phasen einbezogen, für ihn ist eine Beteiligung von ca. 40 Stunden innerhalb des Jahres vorgesehen.
Abstract
(Deutsch)

Insgesamt wurden 475 Brückensuizide auf 141 Brücken zwischen 1990 und 2004 erfasst. 23 Hotspots (Brücken mit mehr als 0.4 Suiziden pro Jahr) können in 2 Gruppen unterteilt werden: hohe Brücken (über 25m) innerorts und sehr hohe Brücken (über 50m) ausserorts. Alle Hotspots waren Fussgängern zugänglich. Geländererhöhungen (3 Brücken) zeigten einen suizidpräventiven Effekt in Abhängigkeit von der Geländerhöhe, bei 155cm wurde eine Reduktion der Suizide um 50% gefunden, 133cm zeigt sich noch kein Einfluss.

Unvollständige Absperrungen (Schutz der darunter wohnenden oder arbeitenden Menschen), welche weite Bereiche zum letalen Sprung frei lassen, hatten eine Erhöhung der Anzahl der Suizide oder keinen Effekt zur Folge. Hilfstelefone wurden regelmässig benutzt, zeigten aber ebenso wie Schilder von "Die Dargebotenen Hand" keinen direkt messbaren Einfluss auf die Anzahl der Suizide. Die Medienberichterstattung war bei Hotspots erhöht und ging einher mit einem Anstieg der Suizide, wobei unklar bleibt, ob die Anzahl der Medienberichte eine Folge oder die Ursache der Suizide darstellt. Der Vergleich von Kantonen mit einer hohen versus einer geringen Anzahl von Suiziden zeigt, dass die Anzahl der Sprungsuizide deutlich geringer in Kantonen ohne Brücken ist. Die Menschen springen also bei Absenz von Brücken oder deren Sicherung nicht automatisch von Gebäuden oder anderen Strukturen.

Umsetzung und Anwendungen
(Deutsch)
Die hier vorgestellte Erfassung von Basisdaten zu Suiziden durch Brückensprünge in der Schweiz stellt eine erste Grundlage für zukünftige Massnahmen zur Reduktion von Suizidalität durch Brückensprünge dar. Sie soll wie oben bereits beschrieben im Rahmen einer medizinischen Disertation erforscht werden. Wegen der grossen Menge der zu erfassenden Daten (Medien, Register lokaler Polizeibehörden etc.) ist eine Unterstützung durch einen Hilfsassistenten nötig D.ie Erfassung von baulichen Massnahmen wird durch direkte Vor-Ortbesuche ergänzt. Ob eine Fortführung des Projektes beantragt wird, kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschätzt werden. Falls als Konsequenz der gefunden Forschungsergebnisse der Arbeit Interventionen zur Suizidprävention (und zur Prävention der Verletzung unbeteiligter Personen) an Brücken durchgeführt werden, ist eine Fortführung des Projektes oder ein neues Projekt im Sinne einer Begleitforschung sinnvoll und empfehlenswert.
Berichtsnummer
(Deutsch)
595
Literatur
(Deutsch)
BEAUTRAIS, A. L. (2001). Effectiveness of barriers at suicide jumping sites: A case study. Australian New Zeeland Journal of Psychiatry, 35, 557-562.
BLOHM, C., & PUSCHEL K. (1998). Epidemiologische und phänomenologische Aspekte bei Suiziden durch Brückensprünge. Archiv für Kriminologie, 202(5-6), 129-139.
CANTOR C. H., HILL M. A.(1990). Suicide from river bridges. Australian New Zeeland Journal of Psychiatry, 24(3):377-380.
CANTOR C.H. & BAUME P.J. (1998). Access to methods of suicide: What impact? The Australian and New Zeeland Journal of Psychiatry, 32(1):8-14.
CETIN G., GUNAY Y., FINCANCI SK., OZDEMIR KOLUSAYIN R. (2001). Suicides by jumping from Bosphorus Bridge in Istanbul. Forensic Science International, 15;116(2-3):157-62.
COMAN M., MEYER A.D. & CAMERON P.A. (2000). Jumping from the Westgate Bridge, Melbourne. The Medical Journal of Australia, 17;172(2):67-69.
ELLIS A. M., (1996): Suicide from the Clifton Suspension Bridge in England. Journal of Epidemiology and Community Health, 50(4):474.
FREI A., SCHENKER T., FINZEN A., DITTMANN V., KRAEUCHI K. & HOFFMANN-RICHTER U. (2003). The Werther effect and assisted suicide. Suicide & Life-Threatening Behavior, 33(2):192-200.
GOLDNEY R. D. (2000). Lessons from the Westgate Bridge: Suicide prevention and publicity. The Medical Journal of Australia,
17;172(2):52-53.
GUNNELL D. & NOWERS M. (1997). Suicide by jumping. Acta Psychiatrica Scandinavica, 96(1):1-6.
O'CARROLL P. W. & SILVERMAN M. M. (1994). Community suicide prevention: The effectiveness of bridge barriers.
Suicide & Life-Threatening Behavior, 24(1):89-91.
NOWERS M., GUNNELL D. (1996). Suicide from the Clifton Suspension Bridge in England. Journal of Epidemiology and Community
Health, 50(1):30-32.
PREVOST C., JULIEN M. & BROWN B. P. (1996). Suicides associated with the Jacques Cartier Bridge, Montreal, Quebec 1988-1993:
Descriptive analysis and intervention proposal.Canadian Journal of Public Health, 87(6):377-380.
SEIDEN R. H. (1978). Where are they now? A follow-up study of suicide attempters from the Golden Gate Bridge.
Suicide & Life-Threatening Behavior, 8(4):203-216.
STACK S. (2003). Media coverage as a risk factor in suicide. Journal of Epidemiology and Community Health. 57(4):238-240.